LUNGERN: Zeitmaschine macht Geschichte

In der Gemeindeschule leisteten die Jugendlichen der 1. IOS Pionierarbeit. Mit dem Projekt Zeitmaschine.TV arbeiteten sie als Erste in der Zentralschweiz Dorfgeschichten mit modernen Medien auf.

Primus Camenzind
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Präsentation des Projektes Zeitmaschine, hinten von links: Josef Khalil, Projektleiter Christian Lüthi, Marie Theres Gasser, Leo Gasser. Vorne von links: Ramona Zgraggen, Dario Imfeld und Klassenlehrer Peter Lötscher. (Bild: Primus Camenzind (Lungern, 13. Dezember 2016))

Präsentation des Projektes Zeitmaschine, hinten von links: Josef Khalil, Projektleiter Christian Lüthi, Marie Theres Gasser, Leo Gasser. Vorne von links: Ramona Zgraggen, Dario Imfeld und Klassenlehrer Peter Lötscher. (Bild: Primus Camenzind (Lungern, 13. Dezember 2016))

Primus Camenzind

redaktion@nidwaldnerzeitung.ch

«Geschichte ist gelebtes Leben», erklärte Peter Lötscher anlässlich der Präsentation des Projektes Zeitmaschine am vergan­genen Dienstag. Wie entsteht Geschichte? «Man sucht nach Quellen, befragt Zeitzeugen und wertet deren Erinnerungen aus», führte der Klassenlehrer der 1. IOS weiter aus. «Genau das haben wir uns zum Ziel gesetzt.» Er stellte im Gespräch mit unserer Zeitung jedoch fest, dass die Verwendung moderner Medien wie Smartphone und App seinen Schülern das nicht eben sehr beliebte Fach Geschichte wesentlich näherbrachte. «Es gibt neben dem schulischen Pflichtstoff auch die Geschichte vor Ort. Dabei geht es immer um Menschen», betonte Lötscher. Für das Projekt Zeitmaschine habe man deshalb recherchiert, wie Menschen in Lungern vor rund 50 Jahren gelebt haben.

Therese Gasser gab beispielsweise auf dem Handy von Ramona Zgraggen einige Erlebnisse ihrer Kindheit und frühen Jugend zum Besten. Es sind unter anderen Erinnerungen jene Abende ohne Fernsehen, aber im Kreis der Familie, wenn Radio Beromünster die Gotthelf-Hörspiele ausstrahlte; an den Schulweg «mit de Schlifschue»; an ihr erstes Geld, zwei Franken pro Nachmittag, welches sie mit Putzarbeiten bei der Nachbarin verdiente; an getrennte Besuchstage für Mädchen und Buben im Strandbad oder an ihre erste Anstellung in einem Kinderheim im Kanton Aargau. «Ramona und ihre Kollegin Samira haben das tipptopp gemacht, und ich konnte trotz Handy-Aufzeichnung frisch von der Leber weg erzählen», gab uns die 71-jährige Zeitzeugin zu verstehen.

Hardrock-Musik und Langhaarige

Leo Gasser, 87-jährig, dürfte vielen noch als Dirigent der Feldmusik Lungern bekannt sein. Gegenüber Dario Imfeld und seinem Kollegen Tobias äusserte er sich über das Vereinsleben von damals: Sommer- und Winterkonzerte, das Waldfäscht oder eine Auslandreise. Seine Erinnerungen sind auf dem Clip mit flotten Klängen der Feldmusik untermalt.

Weitere Interviews und Kurzfilme in der Form von modernen Clips (audiovisuelle Sequenzen) drehen sich um den Tourismus, um frühe Pioniere der Hardrock-Musik und Langhaarige im beschaulichen Dorf oder um die Arbeitswelt längst vergangener Zeiten. «Es war für die Schüler immer wieder eine Herausforderung, auf die Leute zuzugehen und sie anzusprechen», gab Peter Lötscher zu verstehen. «Nun ist unsere Zeitmaschine da und man wird auch in Zukunft immer wieder auf sie zurückgreifen können», erklärte Lötscher auf unsere Frage zur Nachhaltigkeit des Projektes.

Ein Platz frei für Nidwalden

«Wir vom Verein Zeitmaschine.TV haben das Projekt im Jahr 2006 entwickelt und setzen es seit 2008 um», liess uns Christian Lüthi, Geschäftsführer des gleichnamigen Vereins, wissen. Mit Bezug auf den geschichtlichen Pflichtstoff hätten landauf, landab viele Schulen den Zweiten Weltkrieg thematisiert. Deshalb wurde das Projekt auch in Berlin umgesetzt. Lüthi weiter: «Zum Glück finanziert die Albert Koechlin Stiftung die Umsetzung in der Zentralschweiz. Es freut mich überdies besonders, dass Lungern als erste Schule der Innerschweiz eine wirklich tolle Präsentation auf die Beine stellen konnte.»

Lüthi stellte schlussendlich fest, dass sich aus dem Kanton Nidwalden noch keine Schule am Projekt Zeitmaschine beteiligt. «Für eine Schule aus dem Nachbarkanton bietet sich die Möglichkeit, 2017 ebenfalls an der Zeitmaschine zu bauen.»

Schüler befragen Senioren

TV Das Projekt versteht sich als «Generationenspiel». Mit Hilfe des eigenen Smartphones vernetzen sich Schülerinnen und Schüler ab 14 Jahren mit der Generation der über 60-Jährigen. Die Jugendlichen besuchen Zeitzeugen und befragen diese zu verschiedenen, von ihrer Klasse gewählten Themen.
Die Erinnerungen der Senioren werden von den Schülern in der Folge mittels Handy aufgezeichnet, geschnitten und anlässlich einer zweiten Begegnung durch kurze, mit dem Smartphone produzierte Filmsequenzen ergänzt. Mit Hilfe der eigenen Software «Z-moviemaker» entstehen schlussendlich Clips, welche im Internet publiziert und als Projektabschluss im Rahmen einer öffentlichen Präsentation und im Beisein der Zeitzeugen gezeigt werden. (cam)

Hinweis
500 Kurzfilme von Berlin bis Zuchwil: www.zeitmaschine.tv