ENGELBERG: Die Spuren führen nach Obwalden

Interpol sucht den ukrainischen Geschäftsmann Mykola Guta. Der 32-Jährige besitzt eine Wohnung in Engelberg und lebte zeitweilig im Klosterdorf.

Thomas Heer
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Auf der Website von Interpol ist Mykola Guta zur Fahndung ausgeschrieben. (Bild: Screenshot interpol.int)

Auf der Website von Interpol ist Mykola Guta zur Fahndung ausgeschrieben. (Bild: Screenshot interpol.int)

In der folgenden Geschichte geht es um sehr viel Geld. Die Protagonisten drehen am grossen Rad der internationalen Finanzmärkte. Auf der einen Seite steht Egor Sirota, ein Vertreter privater Anleger, die in ein Unternehmen namens Mriya investiert haben (siehe Kasten). Ihm gegenüber steht Mykola Guta, Vorstandsvorsitzender von Mriya, auf dessen Schultern ein gewaltiger Schuldenberg lastet. Wie es so weit kommen konnte, erklärt Sirota mit diesen Worten: «Bis heute haben wir nichts von den Zinsen gesehen, welche Mriya den Obligationären seit dem 1. August 2014 schuldet.» Weiter ärgert den Russen, dass «abgesehen vom inakzeptablen Vorschlag, die bestehenden Obligationen in neue umzutauschen und dabei eine 65-prozentige Werteinbusse in Kauf zu nehmen, die Firmenleitung bis heute keine konkreten Pläne vorgelegt hat, wie sie das Unternehmen sanieren will».

650 Millionen in Obligationen

Sirota sagt, er habe noch nie erlebt, dass eine börsenkotierte Gesellschaft ihre Anleger und Obligationäre derart im Dunkeln lasse. Der Moskauer Geschäftsmann staunt auch darüber, dass die Frankfurter Börse ein solches Verhalten toleriert. Mriya ist in der deutschen Finanzmetropole kotiert.

Vor wenigen Jahren legte Mriya zwei Tranchen Obligationen auf. Die eine über 250 Millionen US-Dollar mit einem Jahreszins von 10,95 Prozent läuft bis ins Jahr 2016. Die zweite Obligation endet im Jahr 2018. Bis dann werden diese 400 Millionen jährlich mit 9,45 Prozent verzinst.

Ukraine und Interpol suchen Guta

Nun ein paar Fakten zum ukrainischen Agrarkonzern Mriya: Dieser bewirtschaftet im Westen der Ex-Sowjetrepublik mit mehreren tausend Angestellten Land in der Grösse von rund 300 000 Hektaren. Ein Vergleich mit der Schweiz: Hierzulande gilt ein Bauerngut mit mehr als 100 Hektaren als Grossbetrieb. Gemäss einem Bericht des Finanzmagazins «Stocks» vom April 2012 produziert Mryia vor allem Mais und Winterweizen, aber auch Sojabohnen, Zuckerrüben und Kartoffeln. Laut «Stocks» gehören 80 Prozent von Mriya der Familie Guta. Nur ein Fünftel der Aktien sei frei handelbar.

Die internationale Fachpresse befasst sich schon seit längerem mit den Liquiditätsproblemen beim ukrainischen Unternehmen. So auch der Finanznachrichtendienst Deptwire, der unter anderem weltweit von Banken, Hedgefunds, aber auch Anwälten genutzt wird. Deptwire schrieb im Januar, dass gemäss einer Website der Regierung der ukrainische Staat nach Mykola Guta suche. Und zwar, weil sich der Mriya-Chef den Untersuchungsbehörden entziehe. Obli­gationäre hätten mehrere Verfahren gegen Mriya respektive ihren Chef eingeleitet. Die Gläubiger, denen Mriya Dutzende von Millionen Dollar schuldet, wollen endlich ihr Geld. Nun hat sich vor wenigen Tagen auch Interpol in den Fall Mriya eingeschaltet. Wegen Betrugs in grossem Ausmass wird nach Mykola Guta gefahndet.

Adresse in Engelberg

Was hat das Ganze mit der Schweiz respektive dem Kanton Obwalden zu tun? Ein Augenschein vor Ort in Engelberg zeigt folgendes Bild: Mitglieder der Guta-Familie leben zum Teil im Klosterdorf. Einerseits in einem repräsentativen Einfamilienhaus am Rande der Gemeinde. Nur wenige Gehminuten von diesem Gebäude entfernt deutet ein zweites Namensschild darauf hin, dass weitere Personen aus der Verwandtschaft zumindest gelegentlich eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus belegen. Und exakt diese Immobilie gehört laut Grundbuch Mykola Guta. Ob der Mriya-Chef auch in Engelberg lebt, ist nicht abschliessend zu beantworten. Eine Bekannte sagte auf Anfrage: «Er lebt einmal hier und einmal dort.»

Sehr wahrscheinlich ist, dass Mykola Guta zumindest in jüngster Vergangenheit in Engelberg teils oder permanent ansässig war. Diese Annahme basiert auf einer Meldung im Obwaldner Amtsblatt vom 1. Mai 2014. Unter der Rubrik Gerichte ist nämlich festgehalten, dass dem Ehepaar Mykola und Viktoriia Guta Entscheide des Kantonsgerichtes nicht zugestellt werden konnten. Dies, obwohl die Gutas gegenüber den Behörden eine Adresse in einem Engelberger Aussenquartier als Domizil deklariert hatten.

Nationale Fahndungsdatenbank

Was passiert nun in Sachen Mykola Guta in der Schweiz? Aus datenschutzrechtlichen Gründen kann Alexander Rechsteiner, Sprecher beim Bundesamt für Polizei Fedpol, zum konkreten Fall nichts sagen. Fedpol sichtet die Einträge auf der Interpol-Website und entscheidet dann von Fall zu Fall, das Bundesamt für Justiz einzuschalten oder nicht. Kommt dieses zum Schluss, dass eine Person hierzulande zur Verhaftung ausgeschrieben werden muss, wird der Mann oder die Frau in die nationale Fahndungsdatenbank aufgenommen. Bei der Kontrolle durch die Polizei kann das dann zu einer Festnahme führen.

Trotz mehrfacher Bemühungen konnte Mykola Guta von der «Zentralschweiz am Sonntag» nicht kontaktiert werden. Für den 32-Jährigen gilt die Unschuldsvermutung.

Die Protagonisten

Egor Sirota ist Managing Partner der Investmentgesellschaft Gardenring Capital. Dieses Unternehmen ist in Moskau domiziliert. Gardenring Capital vertritt die Interessen einer Reihe privater Anleger, die in den ukrainischen Agrar-Konzern Mriya investiert haben. An der Spitze dieser Gesellschaft steht der 32-jährige Mykola Guta.