Jahrzehnte lang waren sie das Gesicht der Zentralbahn und zuvor der Luzern–Stans–Engelberg-Bahn. Am Ende ihres Bähnlerlebens erzählen Peter Lötscher, Roland Kilcher, Sämi Hediger und Peter Loup aus dem Nähkästchen.
Bereits im Ruhestand ist Peter Lötscher (65). Er hatte seine letzte Fahrt als Lokführer im März dieses Jahres. «Den VW tauschten wir gegen einen Ferrari aus», veranschaulicht der Stansstader die Entwicklung des Rollmaterials. «Die Triebwagen der damaligen Luzern–Stans–Engelberg-Bahn funktionierten noch viel mechanischer. Blieb ein Zug wegen einer Störung stecken, was glücklicherweise selten vorkam, musste er über eine Handkurbel bewegt werden.»
Unter den zahlreichen Anekdoten könne er sich vor allem an eine aus den frühen Achtzigerjahren erinnern: «Beim Manövrieren mit einem Triebwagen in Engelberg verliess ich aus Versehen den Abschnitt mit der Oberleitung. Mit einem Knall schoss der Stromabnehmer in die Höhe, als die Fahrleitung endete – ein Albtraum für jeden Bähnler», erinnert er sich schmunzelnd zurück. Er griff zu einer unkonventionellen Methode. «Ein in der Nähe stehender Lastwagen schob den Triebwagen in den Fahrleitungsbereich zurück.»
Diese Zeiten seien schon lange vorbei. Spatz, Adler und Fink heissen die Paradezüge der Zentralbahn (ZB), die ab 2005 auf deren Netz unterwegs sind, mit Führerständen, die aussehen wie Cockpits, und mit einem hohen Automatisierungsgrad. «Selbst das Tempo wird automatisch geregelt», macht Peter Lötscher ein Beispiel. Die Umschulungen hätte er gerne in Kauf genommen, Veränderungen gegenüber sei er immer offen gewesen. «So blieb der Job immer spannend, man wurde gefordert.»
«Ich lege im Schnitt täglich fünf Kilometer zu Fuss zurück», erzählt Roland Kilcher, der als leidenschaftlicher Langläufer mit einem Schrittmesser ausgerüstet ist. Zugbegleiter sei eben auch heutzutage noch körperlich anstrengend, was ihn bewogen habe, bereits mit 62 in Pension zu gehen, Ende November dieses Jahres. Die Aufgaben hätten sich in all den Jahren verändert, nicht zuletzt wegen des dichteren Fahrplans. So komme der Luzern–Interlaken-Express um fünf vor in Luzern an und fahre bereits um sechs nach wieder ab. Der Zugbegleiter fertigt den Zug alleine ab, da die meisten Bahnhöfe heute unbedient sind.
Auch sonst erlebte der Buochser gewaltige Veränderungen. Zu Beginn seiner Laufbahn mussten die Türen noch von Hand geöffnet und geschlossen werden. Eine Türsicherung gab’s nicht. «Während der Fahrt hätte jemand aus Versehen die Türen öffnen können, das wäre heute unvorstellbar», weiss Roland Kilcher. Überhaupt die Einstiege: Niederflur war damals noch ein Fremdwort. Ein Kinderwagen konnte nur mit Hilfe des Kondukteurs über die Stufen in den Wagen gehievt werden. «Billette beschrifteten wir teilweise noch von Hand, die Tarife rechneten wir mit einer Schablone aus und Verbindungen schlugen wir im dicken Kursbuch nach, das wir mit uns herumführten», erinnert er sich schmunzelnd an seine Anfangszeit Ende der Achtzigerjahre zurück. Unvergessen bleiben ihm die Fahrten über die alte steile Bergstrecke nach Engelberg. «Das war schon gewaltig.» In Wolfenschiessen war das Zugpersonal gefordert. Wagen wurden abgehängt. Dank des leichten Gefälles rollten diese selbstständig in den Bahnhof zurück. Der Kondukteur regulierte mit der Bremse, dass sie am richtigen Ort anhielten.
Sämi Hediger, der mit 63 Jahren Ende Oktober dieses Jahres pensioniert wird, begann seinen Dienst am Bahnschalter, als Computer noch in weiter Ferne lagen. «In kleineren Bahnhöfen gab es vorgedruckte Kartonbillette, in grösseren wurden die Billette vor Ort gedruckt oder geschrieben. Oft waren wir stundenlang damit beschäftigt, etwa, wenn ganze Schulklassen mit dem Zug verreisen wollten», erinnert er sich. Sitzplätze mussten die Kunden einige Tage im Voraus bestellen. Auch für Abonnements gab es Wartefristen. Kreditkarten wurden nicht akzeptiert.
Als Bahnhofsvorsteher in Engelberg arbeitete er nicht nur hinter dem Schalter, sondern manövrierte auch Züge. Augenzwinkernd verrät er, dass er während seiner Zeit als stellvertretender Bahnhofsvorstand von Stansstad auch schon Züge ins Depot verschoben oder aus dem Depot geholt habe, bevor er die dafür notwendige Prüfung abgelegt habe. «Irgendwann bekam die Chefetage Wind davon und verbot es mir.»
Heute arbeitet er sozusagen nur noch im Innendienst. «Die Doppelbelastung vermisse ich nicht», sagt er bestimmt. Auch wenn die Leute die «normalen» Billette meistens am Automaten oder über die App lösen, geht die Arbeit am Schalter nicht aus. «Touristen lösen bei uns ein Billett für die Titlisbahn und wechseln Geld oder Lehrer wollen mit ihrer Klasse eine Schulreise unternehmen. Wir erteilen Fahrplanauskünfte oder helfen, wenn jemand über die App ein falsches Billett gelöst hat.»
Seinen Lebensabend verbringt der Stanser in Phuket (Thailand), der Heimat seiner Frau. Vorher wolle er aber unbedingt noch ans Eidgenössische Schwingfest in Zug, im August des nächsten Jahres.
Als Lokführer hat sich Peter Loup einen Jugendtraum erfüllt. «Ich bin mein eigener Chef und sehe viel von der schönen Landschaft. Das Farbenspiel der Natur im Wechsel der Jahreszeiten ist unbeschreiblich. Im Führerstand singe ich oft», schwärmt der Stanser. Auf seinen Fahrten über den Brünig bekäme er auch immer wieder Rehe zu Gesicht. Manchmal würden ihn auch Bauern erkennen und ihm zuwinken. Die Bergstrecke nach Engelberg bleibt für den 65-Jährigen unvergessen. Das Ende dieser Ära beging er gebührend. «Auf der allerletzten Fahrt auf der Steilrampe im Dezember 2010 band ich mir eine Krawatte um. Das war ein schönes Erlebnis.» Einerseits vermisse er diese Fahrten. «Doch man muss eben mit der Zeit gehen. Das heutige Passagieraufkommen wäre mit den alten Zügen und ohne Steilrampentunnel gar nicht mehr zu bewältigen», gibt er sich realistisch.
In seinen fast 40 Jahren als Lokführer der Zentralbahn beziehungsweise Luzern–Stans–Engelberg-Bahn habe er zu einigen Fahrgästen ein freundschaftliches Verhältnis aufbauen können. «Am Stanserhornbahn-Fest vor kurzem sprachen mich Frauen an, die ich schon als Jugendliche befördert habe. Heute sind sie Mütter.» Oft hätten ihn Passagiere auch an seiner Stimme erkannt, wenn er Durchsagen gemacht habe. Er wirkte jahrelang in der Märli-Biini Stans mit. Genau solche Kontakte zu den Menschen werde er wohl am meisten vermissen, wenn er in rund zwei Wochen in den Ruhestand gehe.