Es ist ein logistisches Unterfangen von aussergewöhnlichem Ausmass: Von der Ruag Space hergestellte Raketenteile werden zum Transport in eines der grössten Frachtflugzeuge verladen. Doch die Flüge der Antonov An-124 nach Emmen sind gezählt.
Der Himmel über Emmen ist Wolkenverhangen, auf dem Flugplatz herrscht reger Betrieb, alle paar Minuten starten und landen kleine Jets. Doch die Ruag-Mitarbeiter, die sich gestern um 11 Uhr hier versammelt haben, warten auf einen grösseren Vogel: Denn in Kürze soll das Frachtflugzeug Antonov An-124 der russischen Airline Volga-Dnepr landen.
Das Warten zieht sich jedoch hin. «Schon wieder eine Warteschleife», sagt eine Mitarbeiterin, welche die Flugroute auf dem Smartphone verfolgt. So genau planen lässt sich das mit der Landung eben doch nicht. Kurz vor 12 Uhr ist es soweit, am Horizont erscheint ein grosses Flugzeug. Und dann geht es plötzlich schnell: Eine saubere Landung und die Antonov An-124 steht vor den Ruag-Gebäuden.
Die Antonov ist eines der grössten Transportflugzeuge und kann eine Fracht von bis zu 120 Tonnen transportieren. So schwer ist die Ladung zwar nicht, die sie in Emmen abholt – doch diese füllt wegen ihrer Ausmasse den Frachtraum praktisch aus. Es handelt sich um eine Nutzlastverkleidung, welche Ruag Space für die amerikanische Trägerrakete Atlas V herstellt. Die Verkleidung besteht aus vier Teilen, zusammengesetzt ist sie 20,7 Meter lang. Sie wird an ihrem Zielort in Florida an die Spitze der rund 50 Meter hohen Rakete montiert. Dort schützt sie die transportierte Last – etwa Satelliten oder andere Instrumente wie Teleskope – und wird von der Trägerrakete in etwa 120 Kilometern Höhe abgestossen.
Bevor die von der United Launch Alliance (ULA) bestellte Nutzlastverkleidung in die Antonov geladen wird, dürfen wir einen Blick ins Cockpit werfen. Die vielen Knöpfe, Instrumente und Anzeigen deuten darauf hin, dass hier noch vieles Handarbeit ist. Sechs Leute sitzen während des Flugs im Cockpit. «Nicht viele können so ein Flugzeug fliegen», sagt Vladimir Lyukin. Er ist Flight Manager der russischen Crew. Wie er erzählt, ist die Crew jeweils etwa ein Monat mit der Antonov unterwegs, um grosse Frachten auf der ganzen Welt zu transportieren. Zuvor waren sie in Kanada, gestern flogen sie von Frankfurt nach Emmen, und heute geht es via England nach Florida. Für alle, die dabei sein wollen: Die Antonov wird voraussichtlich heute nach dem Mittag in Emmen starten.
Nach einigen Vorbereitungen ist es schliesslich soweit: Die verpackten Raketenteile können verladen werden. Mit den im Flugzeug montierten Brückenkranen wird ein Element nach dem anderen in den Frachtraum gehievt – sehr langsam. Einerseits, um die kostbare Ladung nicht zu beschädigen, andererseits, weil die grossen Teile auf den Seiten kaum Platz übrig lassen. Da ist Präzision gefragt.
Ruag Space stellt in Emmen jährlich rund zehn Nutzlastverkleidungen für diverse Trägerraketen her, neben jenen für Atlas V auch jene für die europäischen Modelle Ariane 5 und Vega. Die Verkleidungen bestehen aus Aluminiumwaben, die sich zwischen zwei mit Kohlefasern verstärkten Kunststoff-Deckschichten befinden. Zum Hitzeschutz besteht die äusserste Schicht aus Kork. «Wichtig ist, dass die Verkleidung leicht und stabil ist. Zudem muss sie Druck und Temperaturunterschieden standhalten», sagt Holger Wentscher, Senior Vice President Product Group Launchers bei Ruag Space. Die Teile werden auf Stahlformen zusammengebaut, in einem Industrieofen gebacken und danach auf ihre Qualität getestet. Die gesamte Produktion findet in Emmen statt.
Übrigens: Dieses Jahr ist noch ein Antonov-Flug nach Emmen geplant. Danach wird es noch zirka fünf weitere Flüge geben. Ab 2019 findet die Produktion der Atlas-Verkleidungen in den USA statt – direkt im Werk der ULA, was die Auslieferung effizienter macht. Emmen bleibt aber der entscheidende Produktionsort für die europäischen Trägerraketen – die auf dem Landweg transportiert werden können.