Grossfusion
Aromen und Duftstoffe: Genfer «Firmenich» und niederländische DSM machen Jagd auf Weltmarktführer Givaudan

Die niederländisch-schweizerische Grossfusion setzt neue Massstäbe in der Aromen- und Riechstoffindustrie. Das neue Unternehmen soll dereinst fast 30'000 Personen beschäftigen.

Daniel Zulauf
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Der Hauptsitz von Firmenich in Genf.

Der Hauptsitz von Firmenich in Genf.

Keystone

Die Ankündigung von Grossfusionen ist immer auch der Moment für grosse Worte. Das war auch auf der Telefonkonferenz von heute Dienstag nicht anders, auf der das Management des niederländischen Chemiekonzerns DSM und des Schweizer Aromen- und Riechstoffhersteller Firmenich ihren Plan für einen Zusammenschluss darlegten.

DSM-Chef Dimitri de Vreeze und dessen Co-CEO Geraldine Matchett, die auch die Leitung des Fusionskonzerns übernehmen sollen, priesen den Merger als Heirat zweier «Ikonen». Firmenich-Lenker Gilbert Ghostine, der nach dem voraussichtlichen Abschluss der Transaktion in der ersten Hälfte des kommenden Jahres in den Ruhestand treten wird, bezeichnete das privat gehaltene, 127-jährige Genfer Traditionsunternehmen als «heimliches Juwel».

Firmenich und DSM seien dabei, eine gemeinsame Firma zu schaffen, in der «weltweit jeder und jede mit dem Wunsch etwas Positives zu bewirken, den Ehrgeiz haben sollte mitzuarbeiten», sagte Matchett. 28’000 Angestellte soll das neue Gebilde dereinst zählen, von diesen sind derzeit 18’000 bei DSM und 10’000 bei Firmenich beschäftigt.

Ehrgeiziges Wachstumsziel

Und wenn alles nach dem Drehbuch der Fusionsarchitekten läuft, sollten es in einigen Jahren noch deutlich mehr werden. Firmenich und DSM bringen zusammen einen Jahresumsatz von 11,4 Milliarden Euro auf die Waage. 63 Prozent davon stammen von DSM, 34 Prozent von Firmenich. Der Fusionskonzern strebt ein jährliches organisches Umsatzwachstum von 5 bis 7 Prozent an.

Das ist mehr als das, was die beiden Firmen bisher allein zuwege gebracht haben und vor allem auch mehr als das, was Givaudan, der unbestrittene globale Schweizer Marktführer im reinen Aromen- und Riechstoffgeschäft in seiner laufenden Fünfjahresplanung auf dem Zettel hat.

Von Algenöl über Aromen für Getränke bis zu Parfumdüften

Aber Firmenich und DSM wollen mehr sein als nur ein Hersteller von Aromen- und Riechstoffen. Die Kompetenz der Niederländer besteht in der Entwicklung und Produktion von Nahrungsmittelzusätzen. Dazu gehört zum Beispiel ein Algenöl mit der Bezeichnung «Veramaris». Das an der Fettsäure Omega 3 reiche Öl soll die Zucht von Lachsen ökologischer machen. DSM experimentiert auch mit Vitaminzusätzen, ein Geschäft, das der Konzern vor zwanzig Jahren von Roche übernommen hatte.

Firmenich ist auf die Herstellung von Riechstoffen spezialisiert, die in Körperpflegartikeln und in Parfums verwendet werden. Zudem entwickeln und produzieren die Genfer Aromen für die Getränke und Lebensmittelindustrie. In den zugrundeliegenden Konsumgütermärkten werden jährliche Umsätze in Billionenhöhe erwirtschaftet.

So zentral das Aroma einer Nudelsuppe oder der Duft eines Duschgels für den Konsumenten auch sein mag, der Preis der dafür mitverantwortlichen Moleküle aus den Labors von Firmenich repräsentiert kaum mehr als 0,5 Prozent der Herstellungskosten. Dementsprechend sind fast alle Konsumgüterhersteller auch Kunden von Firmenich und deren Mitbewerbern.

Investoren und Analysten sind begeistert

Firmenich und DSM beackern ein forschungsintensives Feld und die beiden Konzerne sehen die Chance, ihren Kunden künftig neue innovative Produktlösungen verkaufen zu können. Die beiden Firmen rechnen in einigen Jahren mit Umsatzsynergien in Höhe von 500 Millionen Euro. Davon sollen nach Abzug der Kosten auf Stufe Ebidta dereinst 350 Millionen Euro übrig bleiben. Kostensynergien hätten daran den kleineren Anteil.

Derzeit erwirtschaftet DSM eine Betriebsgewinnmarge von rund 18 Prozent. Diese soll in einigen Jahren auf 22 bis 23 Prozent steigen – genauso hoch wie jene von Marktführer Givaudan. Die Investoren sind begeistert. Die DSM-Aktie legte an der Euronext in Amsterdam gegen acht Prozent auf über elf Euro zu. Finanzanalysten sprechen von einer Win-Win-Transaktion.

Ein ähnlicher Merger in den USA hat bislang wenig überzeugt

Die hohen Erwartungen raten allerdings auch zur Vorsicht. 2019 hatte die amerikanische International Flavour and Fragrances (IFF), die Nummer zwei des globalen Aromen- und Riechstoffgeschäfts, das Geschäft mit Nahrungsmittelzusätzen des US-Chemiekonzerns Du Pont übernommen und sich so umsatzmässig an die Weltspitze gesetzt. Seither hinkt der IFF-Aktienkurs jenem von Givaudan weit hinterher.

Doch möglicherweise haben die Niederländer mit den Schweizern den finanziell besseren Deal gestrickt. DSM will die Genfer mit einem Aktienanteil von 34,5 Prozent am neuen Konzern zuzüglich einer Barabfindung in Höhe von 3,5 Milliarden Euro entschädigen. So werden auch die Firmenichs ein bisschen liquider. Diese gehört gemäss Bilanz aber auch so schon zu den reichsten Familien der Schweiz. Die Fusion sei nicht Ausdruck eines Nachfolgeproblems betonte Ghostine, der vor acht Jahren als erster auswärtiger Manager die Leitung des Konzerns übernahm.

4000 Beschäftige in der Schweiz

Firmenich betreibt in Genf drei Produktionswerke, deren Fortbestand auch nach der Fusion gesichert sei. DSM zählt am Standort Kaiseraugst Basel, wo dereinst auch die Holding ihren Sitz haben soll, 900 Angestellte. Davon 200 in einem Forschungszentrum, das erst vor Jahresfrist mit einer Gesamtinvestition von 100 Milliarden Schweizer Franken erstellt wurde. In anderen Schweizer Standorten sind weitere 1300 DSM-Mitarbeitende tätig. Der Fusionskonzern wird in der Schweiz um die 4000 Beschäftigte zählen.