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Wirtschaft
Google will wieder auf dem chinesischen Markt präsent sein. Und das US-Unternehmen ist bereit, dazu seine Dienste der Zensur Pekings zu unterwerfen. Nun hagelt es Kritik
Noch vor wenigen Jahren klagte Google-Mitgründer Sergey Brin über die zunehmenden Einschränkungen der Freiheit des Datenverkehrs im Internet. Er nannte namentlich China mit seiner Zensur als besonders grosse Bedrohung. Genau aus diesem Grund hatte sich Google 2010 aus dem chinesischen Markt zurückgezogen. Davon will die Firmenleitung in San Francisco offenbar nicht mehr viel wissen.
Google will eine zensierte Suchmaschine für sein mobiles Betriebssystem Android nach China bringen. Unter dem Namen «Dragonfly» (zu Deutsch: Libelle) kursiert das Projekt. Es würde in China gesperrte Webseiten und Suchanfragen etwa nach Menschenrechten, Demokratie, Religion oder friedlichen Protesten aussortieren. Nun hagelt es allerdings Protest von Google-Mitarbeitern.
Die zensierte Suchmaschine für China werfe «dringende moralische und ethische Fragen auf», steht in einem Schreiben, das die Mitarbeiter an die Konzernführung gerichtet haben. Die Angestellten erinnern an die Ethik-Regeln, welche die Google-Gründer dem Unternehmen einst gegeben hatten. Offiziell gelten sie auch heute noch: Google werde keine Dienste anbieten, die zu Verletzungen von Menschenrechten führten.
Mehr als 1000 Mitarbeiter haben den Protestbrief unterschrieben. Sie fordern darin auch mehr Transparenz zu den Plänen. Google-Chef Sundar Pichai dagegen behauptet, es sei «sehr unklar», ob der US-Konzern überhaupt einen solchen Dienst in China anbieten könne oder werde. Das zuständige Team prüfe seit einiger Zeit die Möglichkeiten «und ich glaube, sie prüfen viele Optionen». Zur Forderung nach mehr Transparenz sagte er: «Wir werden auf jeden Fall transparent vorgehen, je näher wir einem tatsächlichen Plan kommen.» Offenbar sind nur wenige Mitarbeiter eingeweiht. Zuvor hatten auch Menschenrechtsorganisationen gegen diese Pläne protestiert. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International sprach von einem «schweren Angriff auf die Informationsfreiheit». China ist das Land mit den weltweit meisten Internetnutzern. Ihre Zahl wird auf inzwischen fast einer Milliarde geschätzt. Es ist jedoch auch das Land, das am rigidesten gegen für das Regime unliebsame Inhalte vorgeht. Chinesische Webangebote, die allesamt der Zensur unterliegen, funktionieren innerhalb der Staatsgrenzen reibungslos. Doch Websites aus dem Ausland, die sich den Vorschriften der Führung nicht unterwerfen, sind in China schwer zugänglich oder komplett blockiert, etwa die Nachrichtenseiten der «New York Times» oder des «Wall Street Journals», die beide Sites auf Chinesisch betreiben.
Soziale Medien wie Facebook, Twitter oder YouTube sind bereits seit Sommer 2009 gesperrt. Kurz zuvor war es in der nordwestchinesischen Provinz Xinjiang zu Unruhen gekommen. Die muslimischen Uiguren hatten sich über Facebook organisiert. Die kommunistische Führung in Peking erkannte in diesen Massnahmen jedoch nicht nur den politischen Nutzen, sondern auch einen wirtschaftlichen. Rasch entwickelten sich chinesische Pendants zu Facebook und Twitter. Weibo und WeChat zählen nun mehr Nutzer als ihre US-Originals.
Google trat 2010 mit seinen Diensten freiwillig den Rückzug aus China an, nachdem die Führung sie zur «Kooperation» aufgefordert hatte. Nur ein kleines Büro blieb in Peking erhalten. Seine Dienste wie der E-Mail-Dienst Gmail sind in China inzwischen nur noch teilweise zugänglich.
Offenbar hat Google seine Geschäftsstrategie nun aber überdacht und will zurück in die Volksrepublik. Auch Facebook-Gründer Mark Zuckerberg ist seit Jahren schwer am chinesischen Markt interessiert und macht Peking regelmässig seine Aufwartung. Ohne Erfolg. All die Jahre hat er nicht erreichen können, dass die Führung die Sperre Facebooks in China aufhebt.
Googles Anbiederung an China könnte seinen Preis haben. Nach Beschwerden von Menschenrechtsorganisationen und seiner Angestellten erwägt auch das US-Militär, seine Kooperation mit dem Suchgiganten aufzugeben. Die Gefahr von Interessenskonflikte seien zu gross, heisst es aus dem Pentagon.