Reorganisation
Knall bei Nestlé: Chef Mark Schneider krempelt die Teppichetage um – leistet sich dabei aber einen Fauxpas

Grosse Rochaden am Genfersee: Der Nahrungsmittelkonzern aus Vevey organisiert sein Geschäft neu und wechselt arrivierte Manager aus. Doch es bleibt ein grosses Manko.

Benjamin Weinmann
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Nestlé-Chef Mark Schneider unterzieht den Konzern einer Reorganisation - mit pikanten Folgen für arrivierte Manager.

Nestlé-Chef Mark Schneider unterzieht den Konzern einer Reorganisation - mit pikanten Folgen für arrivierte Manager.

Laurent Gillieron / KEYSTONE

Nestlé – das war einmal der behäbige Tanker vom Genfersee, bei dem Veränderungen Jahre dauerten. Das hat sich seit dem Amtsantritt von CEO Mark Schneider 2017 drastisch verändert. Der Deutsch-Amerikaner krempelt den Nahrungsmittelmulti um, stösst unrentable Geschäfte ab, kauft trendige Newcomer-Firmen hinzu und pusht die Firma vermehrt in den Gesundheitsbereich.

Nun mischt Schneider auch auf der Teppichetage die Karten neu. In einer Medienmitteilung verkündet Nestlé am Mittwoch eine grosse Reorganisation der verschiedenen Märkte. Damit einher geht zudem eine Personalrochade, die am Hauptsitz noch länger zu reden geben wird.

Das Urgestein tritt ab

Besonders die Personalie Chris Johnson überrascht. Der 60-jährige US-Amerikaner, der auch den Schweizer Pass besitzt, ist einer der dienstältesten und arriviertesten Manager im Konzern. Seit 38 Jahren ist der Kalifornier im Sold von Nestlé. Er hatte verschiedene Positionen inne, führte mit grossem Erfolg das IT-Projekt «Globe» durch, und wurde vor Schneiders Wahl ebenfalls als CEO-Kandidat gehandelt. Seither leitete er die Zone Asien, Ozeanien und Subsahara-Afrika (AOA).

Nestlé-Urgestein Chris Johnson tritt ab.

Nestlé-Urgestein Chris Johnson tritt ab.

Nestlé

Doch nun tritt das Nestlé-Urgestein ab. Per Ende Januar 2022 verlässt er den Konzern. Seine Zone wird derweil um die Regionen Naher Osten und Nordafrika ergänzt, die derzeit von Remy Ejel geführt werden. Er übernimmt Johnsons Job.

Auch andere Nestlé-Dinos müssen Federn lassen

Auch der Franzose Laurent Freixe – wie Johnson ein Nestlé-Dino und ehemaliger CEO-Kandidat – muss Federn lassen. Er bleibt zwar Chef der neuen Zone Südamerika. Doch zuvor hatte er zusätzlich auch die Verantwortung für das bedeutende Nordamerika-Geschäft, das 24,7 Milliarden Franken generiert. Es ist Nestlés wichtigste Zone. Sie wird künftig von Steve Presley geführt, der derzeit das US-Geschäft leitet. Und zuletzt wird auch die Zone von Europa-Chef Marco Settembri beschnitten. Der Italiener ist seit 1987 an Bord.

Muss Federn lassen: Nestlé-Manager Laurent Freixe.

Muss Federn lassen: Nestlé-Manager Laurent Freixe.

Nestlé

Der renommierte Nestlé-Analyst Jean-Philippe Bertschy von der Bank Vontobel zeigt sich ob den Rochaden erstaunt. «Das ist in der Tat eine grosse Überraschung.» Gleichzeitig mache die Neuorganisation aus seiner Sicht Sinn. «Sie dürfte für mehr Effizienz und Transparenz sorgen, sowie für mehr Nähe zu den Konsumenten.»

Grosser Nachholbedarf bei Frauen

Der Abgang von Chris Johnson sei ungewöhnlich für den traditionsbewussten Nestlé-Konzern. «Ich denke aber, dass es nicht um eine Abstrafung der alteingesessenen Manager geht, sondern vielmehr um eine Belohnung ihrer Nachfolger für ihre guten Leistungen.» So habe beispielsweise Freixes Nachfolger Steve Presley in den USA das schwächelnde Geschäft mit Tiefkühlprodukten wieder auf Vordermann gebracht und Erfolge bei der Säuglings- und Tiernahrung feiern können.

Nestlé-Analyst Jean-Philippe Bertschy von der Bank Vontobel.

Nestlé-Analyst Jean-Philippe Bertschy von der Bank Vontobel.

zvg

Inwiefern die Rochaden zu besseren Resultaten führen, wird sich zeigen. Schon jetzt klar ist hingegen, dass Schneider damit ein Manko bewusst in Kauf nimmt. Denn alle neuen Geschäftsleitungsmitglieder sind Männer. Dabei ist die Frauen-Bilanz seit längerem miserabel bei Nestlé. Das exekutive Führungsgremium zählt derzeit 14 Mitglieder, wovon gerade mal zwei Positionen von Frauen besetzt sind. Und beide sind nicht für das operative Kerngeschäft tätig.

«Dass nun die Geschäftsleitung bei dieser Gelegenheit nicht weiblicher wird, ist ein Defizit», sagt Analyst Bertschy. «Hier hat Nestlé, wie viele andere Grosskonzerne, nach wie vor einen grossen Nachholbedarf.»

Nestlé-Sprecher Christoph Meier sagt, man habe sich vor zwei Jahren dazu verpflichtet, den Frauenanteil bei den 200 Führungspositionen von damals 20 bis 2022 auf 30 Prozent zu erhöhen. «Wir sind bei diesen Anstrengungen auf Kurs.»