Generalversammlung
Julius Bär-Aktionäre weiten ihre Kampfzone aus und sorgen für einen Eklat

Die Generalversammlung der Bank Julius Bär war einst ein harmonisches Stelldichein der Aktionäre. Jetzt ist es eine professionelle Kampfarena.

Marc Fischer
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Da herrschte noch Zucht und Ordnung: Generalversammlung der Schweizerischen Bankiervereinigung im Jahr 1943.

Da herrschte noch Zucht und Ordnung: Generalversammlung der Schweizerischen Bankiervereinigung im Jahr 1943.

Keystone

Mit einem Eklat an der Generalversammlung (GV) von Julius Bär hatten nur die wenigsten gerechnet. Aber im Hintergrund spann der mächtige US-Stimmrechtsberater ISS die Fäden und brachte gestern den Vergütungsbericht der Privatbank zu Fall. Beim Rückversicherer Swiss Re dagegen hiessen die Aktionäre an der gestrigen GV den Vergütungsbericht gut, obwohl die Schweizer Aktionärsvereinigung Actares den Vergütungsbericht ebenfalls zur Ablehnung empfahl.

Trotz der scheinbaren Asymmetrie dieser Resultate machen sie eines deutlich: Die Aktionäre mischen sich bei kotierten Gesellschaften heute stärker ein als früher. Das weiss man auch bei Nestlé nur zu gut. Zwar dürfte die Generalversammlung des Nahrungsmittel-Multis heute ohne grössere Aufregung über die Bühne gehen. Aber vor acht Jahren sorgte der Furor der Aktionäre ebenfalls für Schlagzeilen: Peter Brabeck, der gelernte Diplomkaufmann aus Österreich, der seine ganze Karriere bei Nestlé absolvierte, wollte damals Präsident des Verwaltungsrats werden und gleichzeitig CEO bleiben. Gegen diese Machtkumulierung hatte die Ethos-Stiftung das Veto ergriffen und mit 35 Prozent Stimmen gegen das Doppelmandat einen Achtungserfolg erzielt: Es war «eine mittlere Ohrfeige», so der «Blick».

Heute kämpfen Aktionärsgruppierungen an anderen Fronten. Dabei sind meist intransparente Vergütungsmodelle oder überrissene Entschädigungen im Visier. Actares hat in der laufenden GV-Saison zudem auch den Vergütungsbericht von Syngenta, Actelion, Adecco und Holcim zur Ablehnung empfohlen.

Klubmentalität durchbrochen

Auch wenn die meisten dieser Vorstösse meist nur «Ohrfeigen» fürs Management bringen: Sie zeigen eine neue Kultur, die sich in den letzten Jahren entwickelte. «Wir haben es heute mit viel professionelleren Fragestellern zu tun als früher», sagt ein bekannter Verwaltungsrat mehrerer Schweizer Unternehmen, der anonym bleiben möchte. Früher hätten sich die Voten auf einige wenige Schönredner beschränkt, die dem Verwaltungsrat für die grossartige Arbeit dankten. «Dagegen haben die heutigen Fragen von professionellen Aktionärsvertretern deutlich mehr Substanz und Relevanz», so der Profi-Verwaltungsrat weiter.

Früher hatte dagegen eine kleine Gruppe von eingeschworenen Netzwerken das Sagen. Philippe de Weck, Verwaltungsratspräsident des UBS-Vorgängerinstituts SBG sprach von einer menschlichen Affinität zu einer Klubmentalität, die die Schweizer Wirtschaft geprägt habe. «Eine natürliche Tendenz von Klubs ist es, sich auf sich selbst zu konzentrieren», so de Weck in der unlängst publizierten «Wirtschaftsgeschichte der Schweiz im 20. Jahrhundert». Das sei der Grund, weshalb sich in den Teppichetagen zwischen 1950 und 1970 eine «Klubmentalität» breitgemacht habe.

Seither hat sich die Aktionärskultur im Zuge der Globalisierung amerikanisiert und professionalisiert. Diese führte in den siebziger Jahren etwa zur Abschaffung von vinkulierten Namensaktien, bei denen der Eintrag ins Aktienregister verweigert werden konnte. Diese Praxis der Schweizer Corporate Governance wurde mit der Aktienrechtsrevision von 1936 bestätigt und sicherte der alten Klubelite die Macht. Heute sind die vinkulierten Titel weitgehend verschwunden. Stattdessen sind Einheitsaktien angesagt, zu deren Siegeszug der Vorkämpfer des sogenannten «Shareholder-Value», Martin Ebner, nolens volens seinen Beitrag leistete. Die SBG hat in den 1990er-Jahren die Einheitsaktie jedenfalls auch als Reaktion auf Ebners Angriffspläne eingeführt.

Die Fahnenträger der amerikanischen Aktionärskultur waren aber auch die Finanzprofis in den Research-Abteilungen der Banken. Der Schweizer Verband für Finanzanalysten (SFAA) wurde 1962 gegründet. Die Zürcher Kantonalbank (ZKB) startete 1971 die Aktienanalyse-Abteilung als Ein-Mann-Betrieb. Heute umfasst das Aktien- und Obligationen-Research der ZKB 24 Analysten. Der Schweizer Analystenverband zählt heute über 2600 Mitglieder.

Ihre Arbeit kann auch als Beitrag zur Ausweitung der Aktionärs-Kampfzone verstanden werden.