Musiklobby
Ifpi-Affäre: Vorstand billigte den Steuerkniff

Der Vorstand des Musikverbandes Ifpi Schweiz distanziert sich von Beat Högger, der als Geschäftsführer wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung zurücktreten musste. Dokumente zeigen nun: Der ganze Ifpi-Vorstand um Ivo Sacchi wusste Bescheid.

Christian Bütikofer
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Der mächtige Schweizer Produzentenverband der Musikindustrie Ifpi Schweiz steckt in der grössten Krise seit Bestehen. Geschäftsführer Beat Högger musste wegen seiner Nebentätigkeit in «einer privaten Unternehmung» mit Namen IPGate von seinem Posten zurücktreten.

Högger gründete sie ursprünglich, um das geistige Eigentum einer deutschen Erfinderfamilie aus der Automobilindustrie zu verwerten. Um in Deutschland einen sechsstelligen Steuerabzug zu kassieren, musste die Firma nachweisen, dass sie aktiv, also keine Briefkastenfirma ist. Dazu liess sich Högger etwas einfallen: Er liess zwei Ifpi-Angestellte über IPGate entlöhnen.

Der Kniff funktionierte, das Bundeszentralamt für Steuern in Bonn gewährte den Steuerabzug von 316500 Euro. Das beweisen Dokumente des Steueramts Zürich, die dem «Sonntag» vorliegen. Mit der hastigen Trennung von Högger scheint der Verband nun zu versuchen, sich von IPGate zu distanzieren.

Doch dem «Sonntag» vorliegende Dokumente zeigen: Die gesamte Top-Etage der Schweizer Musikindustrie unter Führung von Universal Schweiz-Chef Ivo Sacchi wusste von Höggers Plänen im Detail und hiess sie gut. Die normalen Ifpi-Mitglieder wurden darüber im Dunkeln gelassen. Der IPGate-Deal wurde in den Vorstands-Protokollen ganz unverblümt als «Steuersparmodell» bezeichnet.

Entscheidend war die Telefon-Konferenz vom 24. August 2009. Die verkabelten Ifpi-Vorstände Ivo Sacchi (Universal), Julie Born (Sony), Ueli Bracher (Musikvertrieb), Stefan Grulert (EMI), Martin Schiess (K-Tel) und Victor Waldburger (TBA/Phonag) beschliessen, zwei Ifpi-Angestellte über die IPGate zu entlöhnen. Sacchi enthält sich der Stimme. Die anderen stimmen «egal, eher dafür». Victor Waldburger ist der Einzige, der dem Deal seinen Segen nicht gibt.

Die Ifpi sei sich nicht bewusst gewesen, «dass die IPGate möglicherweise die Absicht hatte, gegenüber dem deutschen Fiskus unrechtmässig vorzugehen», sagte ein Ifpi-Sprecher. In diesem Zusammenhang hätten «die Kontrollmechanismen der Ifpi versagt». Die Ifpi bestreitet aber, dass es je ein Steuersparmodell und einen Deal mit IPGate gab.

Wirklich? Dem Sonntag liegt eine Vereinbarung zwischen Ifpi und IPGate vom 3. September 2009 vor, in welcher festgehalten wird, dass IPGate für die Ifpi eine ganze Reihe von Arbeiten erledigt. Unter anderem betreut sie verschiedene Reglemente (Hitparadenreglement, Swissperform-Verteilreglement, Swiss-Music-Awards-Reglement).

Dazu die Ifpi: «Bei der Vereinbarung handelt es sich um einen Beratervertrag, der vom Geschäftsführer allein und ohne Kenntnis des Vorstands unterschrieben wurde». IPGate habe «zu keinem Zeitpunkt Reglemente für die Ifpi betreut und hatte auch sonst keine Aufträge». Die Vereinbarung sei auch nie abgesegnet worden und sei nach Bekanntwerden für nichtig erklärt worden.

Am 7. Februar 2011 gibt es an der Vorstandssitzung schlechte Nachrichten für die Ifpi. Das Steueramt Stuttgart hat einzelne Vorstandsmitglieder kontaktiert und über IPGate ausgefragt. Nun muss sich Högger erklären. Der deutsche EMI-Chef Schweiz, Stefan Grulert, erwähnt, «dass der deutsche Beamte ihn im Zusammenhang mit Ifpi angesprochen hat und über eine steuerrechtliche Untersuchung mit Verdacht auf Steuerhinterziehung sprach». Högger erläutert en detail, was der Vorstand schon lange wusste und teilt jetzt mit, dass für die Eidgenössische Steuerverwaltung in Bern IPGate keine aktive Gesellschaft sei.

Sacchi wird die Geschichte nun zu heiss. Er will «keine Verbindungen mehr zwischen IPGate und Ifpi», wie aus dem Protokoll hervorgeht. Der Vorstand schlägt sich auf seine Seite: «Um alle Missverständnisse auszuräumen, wünscht der Vorstand, dass die Zusammenarbeit mit der IPGate aufgelöst wird.»

Am 9. März 2011 beschliesst der Ifpi-Vorstand, dass je ein Gutachten in Deutschland und der Schweiz abklären soll, ob das Handeln des Geschäftsführers der IPGate AG strafbar war oder nicht. Eine dritte unabhängige Untersuchung ergab gemäss Ifpi, dass es «klare Verfehlungen gegeben hat, die nicht akzeptabel sind». «Unmittelbar nachdem uns die Ergebnisse vorlagen, haben wir uns vom Geschäftsführer im gegenseitigen Einvernehmen getrennt», erklärt die Ifpi. Högger steht dem Verband aber nach wie vor für «gewisse Aufgaben» weiter zur Verfügung.