Die Kirchgemeinde Herzogenbuchsee, bisher Co-Stifterin der Gemeindebibliothek im Kornhaus, kündet den Stiftungsvertrag. Die andere Stifterin, die Einwohnergemeinde, ist ohnehin daran, die Finanzierung der Bibliothek zu überprüfen.
Jürg Rettenmund
«Eine Bibliothek gehört nicht zu den Kernaufgaben einer Kirchgemeinde», sagt Michel Vauthey, Präsident der Kirchgemeinde Herzogenbuchsee. In Buchsi ist die Kirchgemeinde jedoch zusammen mit der Einwohnergemeinde paritätische Stifterin der Gemeindebibliothek im Kornhaus - noch. Denn am vergangenen Sonntag beschloss die Kirchgemeindeversammlung, den Stiftungsvertrag zu kündigen.
Auch ohne Betriebsbeitrag für die Gemeindebibliothek bleibt der Finanzbedarf der Kirchgemeinde Herzogenbuchsee gross, wie Präsident Michel Vauthey erklärt: Im Finanzplan, der an der Kirchgemeindeversammlung vorgestellt wurde, ist eine Kirchenrenovation enthalten. Dazu müssen die Pfarrhäuser energiemässig saniert werden, und schliesslich soll auch das Kirchgemeindehaus, ein nüchterner Bau aus den 1950-er Jahren, einladender gestaltet werden. Ziel des Kirchgemeinderates ist es, trotz dieser grossen Brocken die vergleichweise tiefe Steueranlage von 0,17 Einheiten beizubehalten.
Zustimmung fand an der Kirchgemeindeversammlung die Totalrevision des Organisationsreglementes. Die Anpassungen sind gemäss Vauthey vor allem formeller Natur.
Schliesslich hatte die Versammlung Wahlen zu treffen. An Stelle des verstorbenen Andreas Wyssmann (Herzogenbuchsee) sowie von Brigitta Zaugg (Ochlenberg) und Stephan Jörg (Oberönz) wählte sie Richard Kauer (Herzogenbuchsee), Martin Niederhauser (Röthenbach b.H.) und Hans Aebersold (Bollodingen) neu in den Kirchgemeinderat. (jr)
Die Kündigung tritt nicht sofort in Kraft, sondern innerhalb einer Frist von drei Jahren. Bisher leistete die Kirchgemeinde als Stifterin jährlich einen Betrag von 33 000 Franken an die Betriebskosten der Bibliothek. Die Kündigung bedeute nicht, dass die Kirchgemeinde die Bibliothek nicht mehr unterstützen werde, betont Vauthey. Doch nach Ablauf des Vertrages werde es ihr möglich sein, ihre Mittel gezielter für die eigenen Anliegen einzusetzen. Bisher war sie als Stifterin verpflichtet, die Mittel ohne Auflage einzuschiessen, denn die Bibliothek hat konfessionell neutral zu sein.
«Nachvollziehbar»
Hans Moser, bis Ende Jahr noch Präsident der Stiftung Gemeindebibliothek, kennt die Situation der Kirchgemeinde als ehemaliger Kirchgemeinderat und kann aus dieser Warte ihren Entscheid nachvollziehen. Als damaliger Verantwortlicher für die Finanzen kennt er auch das Risiko der Stifterinen: Sollte das Stiftungskapital aufgebraucht sein, werden sie nachschusspflichtig.
Die Kündigung der Kirchgemeinde trifft die Bibliothek noch aus einem anderen Grund nicht unvorbereitet. «Seit zwei Jahren sind wir daran, unsere Strukturen zu überprüfen», hält Moser fest. Dabei hat der Stiftungsrat Herzogenbuchsee auch mit anderen ähnlichen Bibliotheken verglichen. Tatsache sei, sagt Moser stolz, dass die Bibliothek Herzogenbuchsee zu den erfolgreichsten im Kanton gehöre. Die rund 2500 Leserinnen und Leser haben im Jahr 2008 knapp 78 000 Medien ausgeliehen. Die Bibliothek wird nicht nur von Buchsi unterstützt, sondern auch von den meisten Nachbargemeinden. Sogar Aeschi und Bolken aus dem Kanton Solothurn sind gemäss Moser dabei.
Diese Gemeinden haben zudem kürzlich ohne Murren einer Erhöhung des Beitrages von 50 Rappen auf zwei Franken pro Einwohner zugestimmt. Schliesslich haben die Verantwortlichen auch erfolgreich Sponsoren für die Bibliothek gewonnen. Mit all diesen Massnahmen konnte die Stiftung ihr dahingeschmolzenes Stiftungskapital wieder aus eigener Kraft äufnen.
Nicht auf Rosen gebettet
Finanziell ist diese trotzdem nicht auf Rosen gebettet. Der Jahresbeitrag für die rund 500 Mitglieder sei mit 50 Franken im obersten Bereich, hält Moser aufgrund des Vergleichs mit den anderen Bibliotheken fest. Der Vergleich zeigte zudem auf, dass die Bibliothek ihre Mitarbeitenden sehr schlecht entlöhnt. «Wir waren klar das Schlusslicht», hält Moser fest.
Inzwischen hat die Stiftung reagiert und die Ansätze von 22.50 Franken auf 30 Franken angehoben (wir berichteten). Damit erfüllt Buchsi zwar noch nicht die Richtlinien der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft der allgemeinen öffentlichen Bibliotheken, hat aber den Anschluss an die anderen gefunden.
Im Finanzhaushalt der Bibliothek hinterlässt dies jedoch breite Spuren: «Unsere bisher schwarzen Zahlen drohen nicht nur hellrot, sondern tiefrot zu werden», verdeutlicht Moser. Die Bibliothek hat deshalb bereits vor dem Entscheid der Kirchgemeinde der Einwohnergemeinde angekündigt, dass sie in Zukunft auf einen höheren Beitrag angewiesen sein wird.
Auch diese hat seither bereits gehandelt: Sie hat eine Beratungsfirma damit beauftragt, Lösungsmöglichkeiten für die Bibliothek aufzuzeigen, wie Gemeindeschreiber Rolf Habegger erklärt. Denn die Einwohnergemeinde leistet für die Bibliothek bereits mehr als die 33 000 Franken an die Betriebskosten, die sie analog der Kirchgemeinde übernimmt. Sie bezahlt auch die Rechnungsführung und die Reinigung der Lokalitäten im Kornhaus. Zudem stellt sie diese zu einem günstigen, nicht kostendeckenden Mietzins zur Verfügung.
Aufgabe für den neuen Gemeinderat
Ergebnisse der externen Überprüfung liegen jedoch gemäss Habegger noch keine vor. Sobald dies der Fall sei, werde sich der neue Gemeinderat der Angelegenheit annehmen.
Für Gemeindepräsidentin Charlotte Ruf (SVP) ist im Moment noch offen, wie es mit der Bibliothek weitergeht. Klar ist für sie aber, dass diese zu den wichtigen Zentrumsaufgaben gehört, die Herzogenbuchsee erfüllt. Sie betont auch an die grosse Bedeutung der Bibliothek in der Jugendförderung: «Wir wollen unsere Jugendlichen zum Lesen animieren.»