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Morgen Dienstag hat der neue UBS-Chef Ralph Hamers seinen ersten Auftritt. Er präsentiert Geschäftszahlen, wird aber vor allem mit Fragen zum Strafverfahren in Holland gelöchert werden. Jetzt zeigen Recherchen: Fünf UBS-Verwaltungsräte haben sämtliche Rechtsrisiken gekannt. Und Hamers trotzdem eingestellt.
Es ist das dominierende Thema in der Finanzwelt: Keine drei Monate nachdem die grösste Schweizer Bank einen neuen Chef bekommen hat, ist dessen Stuhl bereits am Wackeln. Die Londoner «Financial Times» schreibt am Montagmorgen:
Die Zukunft von Ralph Hamers beim grössten Vermögensverwalter der Welt ist schon infrage gestellt.
Die Zeitung berichtet zudem, was CH Media bereits letzte Woche vermeldet hat: Unter Verwaltungsräten sei bereits über mögliche Nachfolger diskutiert worden, sollte Hamers nicht mehr haltbar sein.
Gezielte Indiskretionen aus dem Verwaltungsrat und anonyme Statements aus dem Aktionariat erhöhen den Druck auf Ralph Hamers. Diese Vorgänge gefallen nicht allen. Es gibt im 12-köpfigen Verwaltungsrat auch Stimmen, die nicht in Hamers das Problem sehen, sondern in den eigenen Reihen. Denn der Verwaltungsrat habe Hamers in voller Kenntnis der Prozessrisiken zum CEO gewählt.
Der CH-Media-Redaktion liegen Informationen vor, die zeigen: Gegenüber fünf Verwaltungsräten hat Ralph Hamers den Geldwäscherei-Fall bei der niederländischen Bank ING, deren Konzernchef er war, ausführlich dargelegt. Es handelt sich um folgende Personen:
Diese fünf Verwaltungsräte bildeten den Nominationsausschuss, der bei der Nachfolge für den langjährigen UBS-Chef Sergio Ermotti die Kandidaten geprüft hat. Der Ausschuss habe den Geldwäscherei-Fall ING eingehend studiert und juristische Einschätzungen abgegeben, so die Insiderinformationen. Hamers habe offen informiert, und der Ausschuss habe eigene rechtliche Einschätzungen vorgenommen. Fazit: Das Risiko, dass die holländischen Strafbehörden den Fall und die Rolle von Hamers neu beurteilen könnten, wurde im Ausschuss als «nicht unerheblich» taxiert.
Diese Einschätzung erwies sich als realistisch. Am vergangenen Dienstag wurde das Verfahren offiziell bestätigt. Je nach Ausgang droht dem UBS-Chef eine Anklage wegen Geldwäscherei vor einem holländischen Gericht. Doch bis man das weiss, könnten 18 Monate vergehen.
Zumindest den Ausschuss konnte diese Entwicklung also nicht überrascht haben. Er hat Hamers angeworben im Wissen um die Prozessrisiken. Zwar hat Hamers in den Gesprächen betont, die niederländischen Behörden hätten die Vorwürfe schon zweimal untersucht und beide Male nichts gefunden. Aber er wies auch auf die aufgeheizte politische Stimmung hin.
Insbesondere Axel Weber soll vom dynamischen Hamers, der ING digitalisiert und verschlankt hat, derart angetan gewesen sein, dass er diese Risiken bewusst in Kauf genommen habe.
Es war der Aktionärsaktivist Pieter Lakeman, der die holländische Staatsanwaltschaft dazu gebracht, ein strafrechtliches Verfahren gegen Ralph Hamers einzuleiten. Die Staatsanwaltschaft soll nochmals prüfen, ob Hamers wirklich keine Verantwortung trägt für den grössten Geldwäscherei-Skandal der niederländischen Geschichte.
Für Lakeman ist entscheidend, was der UBS-Verwaltungsrat genau wusste, als er Hamers einstellte. In der «Schweiz am Wochenende» vermutet Lakeman, Hamers habe Axel Weber in den Job-Interviews gesagt, dass er in den Jahren von 2013 bis 2016 die Geldwäscheabteilung der ING stark beschnitten habe und von einem Vorstandskollegen vor einer persönlichen Strafverfolgung gewarnt worden sei, wenn er nicht energischer gegen Geldwäsche vorgehe.
Lakeman sieht für diesen Fall den UBS-Verwaltungsratspräsidenten als Hauptverantwortlichen:
Wenn Weber diese Informationen von Hamers erhalten hat, sie aber nicht mit der UBS-Spitze und der Finanzaufsichtsbehörde Finma geteilt hat, sollte meiner Meinung nach auch Weber zurücktreten.
Gemäss CH-Media-Informationen war aber nicht nur Weber selbst gut dokumentiert über den ING-Geldwäscheaffäre, sondern auch der Nominationsausschuss mit den vier anderen UBS-Verwaltungsräten.
Klar ist nach den neusten Entwicklungen: Die UBS hat einen Fall Hamers - aber nicht nur. Es stellt sich auch die Frage nach der Verantwortung von Axel Weber, des Ausschusses und letztlich des gesamten Verwaltungsrats.