Flugzeuge
Airbus startet trotz Coronakrise überraschend stark durch – und lanciert den Traum vom grünen Fliegen neu

Die Luftfahrtindustrie erholt sich rascher als erwartet aus der Pandemie. Doch wurde die Covid-Pause auch genutzt, um das CO2-freie Fliegen zu beschleunigen?

Stefan Brändle aus Paris
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Keystone

270 Boeing- und Airbus-Maschinen auf einen Schlag: Diese überraschende Bestellung der US-Fluggesellschaft United Airlines zeigte diese Woche der internationalen Luftfahrtbranche den Ausweg aus ihrer bisher schwersten Krise mit Einbrüchen von bis zu 40 Prozent. Ein Paukenschlag, dessen Botschaft lautet: Jetzt geht es mit der Branche wieder bergauf.

Der Grossauftrag freut zuerst den US-Hersteller Boeing: Sein 737 Max wird 200-mal geordert und streift damit sein Image als bauchgelandete Unfallmaschine ab. Airbus liefert seinerseits 70 Maschinen des neuen Typs A321Neo, montiert in Hamburg und Toulouse.

Mehr Produktion, weniger Personal

Damit kann das europäische Konsortium die Fertigung seiner erfolgreichen A320- und A321-Familie wieder ankurbeln. Im vergangenen Jahr war die Produktion konzernweit um nicht weniger als 40 Prozent eingebrochen. Airbus-Chef Guillaume Faury verzichtete auf Subventionen und benützte die Zäsur, um den Abbau von 15 000 (von 130 000) Stellen anzukündigen. Auch wenn ohne Entlassungen. «Jetzt sollen wir die Kadenzen wieder hochschrauben – aber mit weniger Personal», klagt der französische Airbus-Gewerkschafter Gaëtan Gracia. Die Airbus-Direktion habe die Covidkrise zum Ausdünnen der Bestände benutzt, obschon die Auftragsbücher auf Jahre hinaus voll geblieben sind.

Faury will die Produktion des A321Neo noch in diesem Jahr auf 45 Maschinen im Monat steigern. In zwei Jahren soll die monatliche Kadenz bereits wieder 64 betragen, um ein Jahr später einen neuen Rekordwert zu erreichen.

Airbus will wieder mehr Flugzeuge ausliefern

Wenn alles gut geht. Der 53-jährige Airbus-Chef musste am Geschäftssitz in Toulouse dieser Tage einräumen, dass der Neustart der Luftfahrtindustrie unterschiedlich ausfallen werde – früher in den USA als in Europa; stärker im Tourismus als bei den Geschäftsreisen; und zuerst auf den kürzeren Inland- und Interkontinentalstrecken.

Insgesamt aber soll die Erholung rascher erfolgen als auf dem Covid-Höhepunkt befürchtet. Airbus will im laufenden Jahr immerhin wieder mehr als 550 Flugzeuge ausliefern. Das könnte durchaus hinhauen, hat der deutsch-französisch-spanische Konzern doch im ersten Quartal bereits wieder 125 zivile Flugzeuge an seine Kunden übergeben.

Airbus setzt auf nachhaltige Treibstoffe

Wenn die Europäer die Covidflaute benützten, um die Personalbestände zu straffen: Nutzten sie auch die Gelegenheit, die Branche „grüner“ zu machen und die Abhängigkeit von CO2-intensiven Treibstoff zu senken? Der Aufwand ist für Airbus wie Boeing gewaltig, noch nie dagewesen. Aber der Zeitpunkt für ein Umdenken wäre günstig: Über den Luftfahrtbereich hinaus wächst das Bedürfnis nach «nachhaltigerem» Reisen.

Guillaume Faury wiederholt in Interviews, Airbus setze in Zukunft voll auf nachhaltige Treibstoffe, die so genannten SAR (Sustainable Aviation Fuel). Sie bestehen aus Biomasse (Speiseöle, Kehricht, Holzabfälle) oder aus synthetischen Zusätzen. Am intensivsten forscht das Unternehmen aus Toulouse in den Bereichen Hybridantrieb und Wasserstoff. Letztere eliminiert nicht nur den direkten CO2-Ausstoss, sondern auch den Kondensstreifen hinter dem Flugzeug, der den Treibhauseffekt verstärkt.

Erstes klimaneutrales Flugzeug 2035

Die technischen Probleme – etwa die Wasserstofflagerung im hinteren Drittel des Flugzeugs – machen den Airbus-Ingenieuren weniger Sorgen als die Verfügbarkeit von biologischem oder synthetischem Kerosin. Denn nachhaltig ist es nur, wenn auch die Herstellung CO2-frei bleibt. Und auf diese «globale Herausforderung», wie Faury sagt, hat ein Unternehmen wie Airbus wenig Einfluss.

Der Franzose nennt auch einen Zeitplan: 2035 will Airbus erstmals ein «klimaneutrales» Flugzeug auf die Startpiste schicken. Und gegen 2050 könnte in etwa die Hälfte der Flotte mit Wasserstoff fliegen.

CO2-Fussabdruck sinkt langsam

Drei Jahrzehnte, das ist nicht schon morgen. Faury gibt zu bedenken, dass die Flugzeuge schon heute immer leichter und die Triebwerke immer sparsamer würden. Die von United Airlines bestellten B737 Max und A321Neo verbrauchen zum Beispiel 15 Prozent weniger Sprit als ihre Vorgängermodelle. Ein neuer technologischer Fortschritt.

Der CO2-Fussabdruck pro Passagier sinkt damit langsam, aber stetig. Der Haken an der Geschichte ist, dass die ökologische Gesamtbilanz der Zivilluftfahrt nicht viel besser wird als heute. Schon vor der Covidkrise rechnete die Branche mit einer Verdoppelung der Flugpassagiere bis 2040 binnen zwei Jahrzehnten. Die aktuelle Pandemie könnte zu einer zeitlichen Verzögerung führen, aber an dem Befund nichts ändern: Gegen Mitte des Jahrhunderts wird sich die Zahl der Grossraumflugzeuge von heute 20 000 auf 40 000 verdoppelt haben.

Grünes Fliegen bleibt ein halber Traum

Also dann, wenn die Hälfte der Maschinen klimaneutral fliegen sollen. Unter dem Strich wird der CO2-Ausstoss des Luftverkehrs in etwa gleichbleiben, wenn sich die Anzahl der Flugzeuge verdoppelt und die Hälfte davon klimaneutral fliegt. So beeindruckend die technologischen Anstrengungen der Branche sind: Der Traum vom grünen Fliegen wird damit ein – halber – Traum bleiben.

Faury bestreitet diesen Umstand nicht. Er wendet aber ein, die Luftfahrt verursache generell nur 2,5 Prozent des planetaren CO2-Ausstosses. Ist das wenig, ist das viel? Auf jeden Fall könnte diese Vergleichszahl sogar noch steigen, wenn die schwersten CO2-Verursacher Industrie, Auto und Wohnen ihrerseits erkennbare Fortschritte an der CO2-Front erzielen.