Musikmarkt
Es geht wieder aufwärts im Musikgeschäft, nur nicht in der Schweiz

Die Welt freut sich über die Trendwende im Musikmarkt. In der Schweiz ist der Umsatz aber nochmals massiv eingebrochen. Was läuft falsch?

Stefan Künzli
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Der Schweizer Musikmarkt ist ungebremst im freien Fall. Gemäss den Angaben des Branchenverbandes IFPI Schweiz ging der Umsatz der Tonträgerverkäufe 2012 nochmals um 19 Mio. Schweizer Franken oder 15,4 Prozent zurück und liegt jetzt bei 104,8 Mio. Franken. Der Rekordumsatz lag im Jahr 2000 noch bei 312 Millionen Franken. Seit Ausbruch der Krise ist der Gesamtumsatz des Tonträgermarkts damit in der Schweiz um 64 Prozent eingebrochen. Die Schweiz ist damit von der Krise weit stärker betroffen als der globale Markt, der im gleichen Zeitraum nur um 42,3 Prozent zurückgegangen ist).

Die erdrutschartigen Umsatzrückgänge haben auch zu einem massiven Stellenabbau bei den Labels geführt. Eine Untersuchung der IFPI hat ergeben, dass die Zahl der Beschäftigten von 626 im Jahr 1997 auf heute 245 gesunken ist. Das entspricht einem Rückgang von 56 Prozent.

Mit 1600 Alben auf Platz 1

Massiv betroffen von der Situation sind auch die Musiker. Das Album «Göteborg» von Züri West zum Beispiel war 2012 gemäss den Angaben des Labels Sound Service mit gut 30 000 verkauften Einheiten eines der erfolgreichsten Alben in der Schweiz. Es wurde aber nur halb so viel mal verkauft wie das Vorgängeralbum «Haubi Songs» aus dem Jahr 2008.

Wie schlecht es um den Tonträgerverkauf bestellt ist, zeigt auch das Beispiel Shakra. Die Hardrock-Band stieg mit ihrem Album «Powerplay» in der Woche vom 27. Januar 2013 von 0 auf Platz 1 in der Schweizer Album-Hitparade ein. Ein Riesenerfolg für die Emmentaler Band. Doch für diesen Platz 1 verkaufte sie gemäss dem Label Musikvertrieb nur 1600 Einheiten (900 CDs und 700 Downloads). Zu den besten Zeiten der Tonträgerindustrie waren für Platz 1 in der Albumhitparade noch fast das Zehnfache nötig.

Schuld ist der Bundesrat

Besonders dramatisch sind die Zahlen für die letzten beiden Jahre. Denn schon 2011 ist der Umsatz um 15,4 Prozent zurückgegangen. Dieser neuerliche dramatische Einbruch steht im scharfen Kontrast zur weltweiten Entwicklung. In Deutschland hat sich der Umsatz schon 2011 stabilisiert und der grösste Markt in den USA verzeichnete eine leichte Zunahme. Für 2012 meldete der globale Markt erstmals seit 1999 sogar eine leichte Zunahme um 0,3 Prozent. Die Talsohle scheint also erreicht zu sein, und es kann von einer Trendwende gesprochen werden. In der Schweiz geht es dagegen weiter abwärts.

Den Hauptgrund für diese dramatische Entwicklung sieht IFPI-Chef Lorenz Haas in der rechtlich unklaren Situation und im «mangelnden Gestaltungswillen» des Bundesrates. Seit Jahren werde die Entwicklung der Branche «durch illegale Gratisangebote gehemmt». Dieser Download wird in der Schweiz nicht verfolgt und noch Ende 2011 hat der Bundesrat auf eine entsprechende Anfrage «keinen Handlungsbedarf» gesehen.

Als weitere Gründe für den beschleunigten Abwärtsgang nennt Haas das Händlersterben sowie die zunehmenden Parallelimporte aufgrund des starken Frankens. Immer mehr Händler wie die FNAC oder Cede.ch beziehen ihre CDs nicht mehr bei Schweizer Vertretungen der Labels, sondern direkt im Ausland.

Hoffnungsträger Streaming

Nach der Ansicht von IFPI-Präsident Ivo Sacchi hat dagegen das Aufkommen der Streaming-Dienste im letzten Jahr in der Schweiz nicht zum beschleunigten Rückgang des Umsatzes geführt. Er glaubt nicht, dass sich die Branche damit selbst kannibalisiere. Vielmehr sei das Streaming ein neuer, dritter Absatzkanal neben dem Downloading und dem Verkauf von physischen Tonträgern, mit dem ein neues junges Kundensegment gewonnen werden könne. Gemäss Angaben von Spotify wechseln zwanzig Prozent der «Free-User» (illegale Downloader) zu den Streaming-Diensten.

Diese Ansicht ist aber umstritten: Fachleute glauben, dass das Streaming den legalen Download konkurrenziert oder sogar überflüssig macht. Beispiel dafür ist Schweden, wo das Streaming bereits 50 Prozent des gesamten Marktanteils ausmacht, das Downloading nur noch 10 Prozent.

Das Streaming steckt in der Schweiz aber noch in den Kinderschuhen und gemäss der IFPI hat es 2012 erst einen Anteil von 3 Prozent am digitalen Markt erreicht. Anfang 2013 hat aber ein rasantes Wachstum eingesetzt, und diesen Februar konnte das Streaming mit dem Umsatz von 350 000 Franken einen Anteil von 10 Prozent ausweisen.

Die digitalen Verkäufe haben 2012 um 23 Prozent zugenommen und mit 38 Mio. einen Anteil von 36 Prozent erreicht. Gerade auch mit dem Wachstum beim Streaming rechnet die IFPI, dass 2013 im Internet erstmals mehr Umsätze erzielt werden als mit den physischen CDs.

Für die Zukunft des Musikmarkts Schweiz hofft Haas auf Korrekturen auf rechtlicher Ebene und auf die von Justizministerin Simonetta Sommaruga eingesetzte Arbeitsgruppe für das Urheberrecht (AGU). Bis Ende 2013 soll ein Bericht vorliegen.