Geldwäscherei
Dubiose Geschäftspartner: Wieso Banken das Risiko zunehmend scheuen

Milliardenbussen haben die Branche gelehrt, mit dubiosen Geschäftspartnern vorsichtig umzugehen. Zwischen 2007 und 2017 mussten Finanzinstitute weltweit 25 Milliarden Dollar für Bussen und Strafzahlungen aufwenden.

Daniel Zulauf
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Die lettische ABLV-Bank ist unter der Last von Geldwäsche-Vorwürfen zusammengebrochen.

Die lettische ABLV-Bank ist unter der Last von Geldwäsche-Vorwürfen zusammengebrochen.

KEYSTONE

Sechs Wochen nachdem die amerikanische Geldwäschereibehörde die lettische ABLV-Bank als Finanzplattform für dunkle Geschäfte an den Pranger gestellt hat, liegen auf dem baltischen Finanzplatz die Nerven blank. Ein massierter Exodus der ausländischen Kundschaft – vornehmlich russischer Herkunft – hat die drittgrösste Bank des Landes bereits die Existenz gekostet. Sie wird in diesen Tagen auf Geheiss der Europäischen Bankenaufsicht liquidiert.

Die Nachrichtenagentur Reuters sprach mit dem lettischen Bankenaufseher Peters Putnins. Dieser sagte, dass seit dem Ereignis 13 weitere Banken bis zu 700 Millionen Euro an flüchtige ausländische Kunden auszahlen mussten. Das wären mehr als 10 Prozent der gesamten ausländischen Guthaben. Die lettischen Banken müssten für weitere Kontorückzüge gewappnet sein, warnte er. Es könne zu weiteren Schliessungen und zu Fusionen kommen, wenn Banken mit ihrem alten Geschäftsmodell keine Zukunft mehr hätten.

Die Flucht der Kunden ist nur der eine Treiber dieser Entwicklung. Der andere ist das internationale Bankensystem selbst. Im Zuge der verschärften internationalen Praxis, Vergehen gegen Geldwäscherei- oder Sanktionsbestimmungen mit hohen Geldbussen zu ahnden, betreiben viele international tätige Banken eine Strategie der Risikovermeidung.

Banken sind gebrannte Kinder

Das in den letzten Jahren zunehmend real gewordene Risiko, dass eine grosse Bank in einem wichtigen Markt wie Amerika die Lizenz verlieren könnte oder dass ein hochrangiger Manager für Fehlleistungen persönlich haften muss, hat die Banken in ihrer Vorsicht zusätzlich bestärkt.

Zwischen 2007 und 2017 mussten Finanzinstitute weltweit 25 Milliarden Dollar für Bussen und Strafzahlungen aufwenden, heisst es in einem Bericht des Internationalen Währungsfonds (IWF), der das Problem der Ausdünnung des globalen Korrespondenzbankensystems thematisiert.

Wenn zwei Banken untereinander keine direkte Kontobeziehung unterhalten, muss eine Geldüberweisung zwischen den beiden Instituten über eine oder sogar über mehrere Drittbanken, sogenannte Korrespondenzbanken, abgewickelt werden. Diese Finanzinstitute werden damit Teil einer Transaktion, deren ursprüngliche Auftraggeber und Endbegünstigte sie nur schwerlich kennen können.

Daraus kann sich ein aufsichtsrechtliches Risiko ergeben. Denn in den internationalen Geldwäschereistandards, wie sie die Groupe d’action financière (Gafi) im Rahmen der Pariser Organisation für Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) festlegt, gilt das «Know your customer»-Prinzip: Kenne deinen Kunden!

Im Grunde genommen könnten sich die Korrespondenzbanken auf den Standpunkt stellen, dass die einer Geldüberweisung vor- und nachgelagerten Banken die Überprüfung der Kunden bereits durchgeführt und erst danach grünes Licht für die Transaktion gegeben haben. Doch genau das ist im Fall der ABLV-Bank offensichtlich nicht geschehen.

Der lettische Finanzplatz, der schon vor dem ABLV-Skandal keinen guten Ruf genoss, ist inzwischen definitiv zur Risikozone geworden. Die Risikoaversion im internationalen Bankensystem ist zunächst ein Problem für kleine Länder mit schwachen Institutionen. Die Durchsetzungskraft der lettischen Behörden und auch der Polizei vermochte dem gefährlichen Treiben auf dem Finanzplatz nicht Einhalt zu gebieten.

Hohe Verletzlichkeit

Das Phänomen ist aber auch in den Industrieländern einschliesslich der Schweiz zu beobachten. Gemäss den Untersuchungen einer Arbeitsgruppe für Finanzstabilität der G20-Länder, die von Alexander Karrer, dem stellvertretenden Staatssekretär im Staatssekretariat für internationale Finanzfragen, geleitet wird, ist die Anzahl der Beziehungen im weltweiten Korrespondenzbankensystem seit 2011 um durchschnittlich 6 Prozent zurückgegangen.

In der gleichen Zeit hat sich die Zahl der Transaktionen aber um mehr als 30 Prozent erhöht. Hinter diesen Zahlen verbirgt sich ein Konzentrationsprozess, der die Verletzlichkeit vieler Banken und ganzer Finanzplätze deutlich erhöht.

Wenig überraschend ist die Konzentration bei Euro- und Dollar-Transaktionen besonders ausgeprägt, denn die USA haben sich den Ruf besonderer Strenge im Umgang mit fehlbaren oder unvorsichtigen Banken erworben. Auch in der Schweiz ist das Problem von Bedeutung. Immerhin sind hierzulande die Korrespondenzbankbeziehungen um 15 Prozent seit 2011 zurückgegangen.

Das Problem ist nicht nur zum Risiko für die Stabilität von Banken und Finanzsystemen geworden. Es leistet auch der Abwanderung von Geldflüssen in den nicht regulierten Bereich des Finanzsystems Vorschub. Untersuchungen zufolge befördern zwar nicht allein Risikovermeidungsstrategien, sondern auch Profitabilitätsüberlegungen die Ausdünnung des Korrespondenzbankensystems.

Letztlich droht aber beides zu einem Verlust an Sicherheit und Transparenz zu führen. Die internationale Gemeinschaft hat das Problem zwar erkannt und versucht Gründe für überzogene Vorsichtsmassnahmen von Banken aus der Welt zu schaffen. Dies dürfte nach den jüngsten Erfahrungen der Finanzindustrie mit den teils politisch motivierten Vorgehensweisen von Strafbehörden nicht einfach sein.