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Die Laune der Konsumenten ist in der Schweiz so schlecht wie seit zehn Jahren nicht mehr. Dahinter steckt keine abrupter Stimmungsumschwung. Die Konsumenten waren auch traurig in den Aufschwung-Jahren von 2017 und 2018. Der Chef der Konjunktur-Analyse beim Staatssekretariat für Wirtschaft erklärt die Tristesse.
Die Laune der Konsumenten ist so schlecht wie nie seit der Finanzkrise. Das ergibt die neuste Umfrage vom Staatssekretariat für Wirtschaft. Der daraus errechnete Index der Konsumentenstimmung ist erneut gefallen. Nun hat die Stimmung den tiefsten Stand erreicht seit dem Katastrophen-Sommer 2009.
Damals ist die Frage von Manni Matter rasch beantwortet. Der Mundart-Liedermacher wollte in einem seiner Lieder wissen: «Warum syt dir so truurig?» – Die Schweiz steckte in einer Rezession. Die Wirtschaft brach ein. Es war der stärkste Rückgang seit der Erdölkrise in den 70ern. Das zeigte sich auch am Arbeitsmarkt. Es wurden noch ein Jahr lang ständig mehr Arbeitslose gezählt, ehe die Wende gelingt. Zu allem Übel ist das Wetter mies. Lugano hat so viel Juli-Regen wie nie seit 1864. Die Schweiz wird überzogen von Hagel. Ein Schaden von über 100 Millionen Franken entsteht.
Doch warum ist im November 2019 die Stimmung so trist? Die Gemengelage ist eine an-dere als im Sommer 2009. Damals bessert sich die Stimmung. Schon ein Jahr später ist sie auf einem Mehrjahreshoch. Der November 2019 dagegen ist der Tiefpunkt einer Depression, die bald fünf Jahre lang andauert.
Es ist keine Stimmung mehr aufgekommen, seit die Nationalbank den Mindestkurs zum Euro aufgegeben hat. Danach erholt sich zwar die Wirtschaft. Zwischendurch ist gar von Hochkonjunktur die Rede. Die Ämter registrieren viel weniger Arbeitslose. Neue Arbeitsplätze werden über 200000 geschaffen. Doch es hilft nichts. Die Konsumenten bleiben betrübt.
Die Antwort auf die mattersche Frage ist in den Geldbeuteln der Konsumenten zu finden. Der Aufschwung kommt dort nie wirklich an, auch nicht in den vermeintlichen Boomjahren von 2017 und 2018. Ronald Indergand, Chef der Konjunkturanalyse im Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco), sagt: In diesen Jahren hat sich die finanzielle Lage der Haushalte eher noch verschlechtert.
Die Löhne stiegen kaum an in den beiden Boomjahren. Hingegen wird der Franken schwächer. Das Einkaufen im Ausland kostet wieder mehr. Die Teuerung zieht an, zwischenzeitlich erreicht sie fast 1 Prozent. Am Ende können sich die Konsumenten für ihr Geld weniger kaufen. Indergand: «Das drückt natürlich auf die Stimmung.»
Der Aufschwung geht also an den Konsumenten vorbei. Das wird vom Staatssekretariat für Wirtschaft schon im November 2018 festgestellt. In einer Medienmitteilung heisst es: «Die Konsumenten gehen nicht davon aus, von der guten Lage am Arbeitsmarkt finanziell profitieren zu können.» Früher sprach man von Aufschwüngen, bei denen keine neuen Arbeitsplätze entstehen. Nun erlebt die Schweiz einen Aufschwung, ohne dass die Löhne zunehmen.
Dabei hätte es nicht bleiben müssen. Die Konsumenten waren im Sommer nämlich kurz davor, an den Aufschwung zu glauben: Dass er endlich in ihrem Geldbeutel ankommt.
Die Situation drehte. Der Franken wertete sich auf. Die Teuerung ging zurück. Zuletzt war sie gar negativ. Die Güter und Services wurden günsti- ger. Wäre nun eine passable Lohnrunde hinzugekommen, die Konsumenten hätten sich mehr Güter und Services kaufen können. Die Schweiz hätte herausgefunden aus dem Tief.
Im dümmsten Moment kühlt sich die Weltwirtschaft ab. In der Folge geht sie auch in der Schweiz um, die Angst vor einer Rezession. Die Stimmung kippt. Am Jahresanfang sind die Konsumenten noch verhalten zuversichtlich. Doch nun bewerten sie die konjunkturellen Aussichten als ähnlich schlecht wie im Januar 2015. Damals hebt die Nationalbank den Mindestkurs zum Euro auf. Die Schweiz durchlebt den «Frankenschock».
Liegen die Konsumenten richtig mit ihrer Trübsal? Die nächsten Monate werden es zeigen. Sicher ist: Auch Betriebe in der Industrie berichten von ähnlichem Geschäftsgang wie unter dem Frankenschock. Das zeigt eine Umfrage der Konjunkturforschungsstelle der ETH. Der zufolge müssen sich Industrie- Beschäftigte gefasst machen auf «schwierige Zeiten».