Kultmarke
Asiatische Milliardenmarke Muji kommt in die Schweiz – trotz der Krise im hiesigen Detailhandel

Laut verlässlichen Quellen eröffnet Muji kommenden Oktober eine erste Filiale auf 1000 Quadratmetern im Zürcher Einkaufscenter Glatt, dem umsatzmässig grössten Shoppingcenter der Schweiz.

Benjamin Weinmann
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So sieht ein Muji-Shop in Bangkok aus: Im Zürcher Einkaufszentrum Glatt eröffnet im Herbst 2019 die erste Schweizer Filiale auf rund 1000 Quadratmetern. Shutterstock

So sieht ein Muji-Shop in Bangkok aus: Im Zürcher Einkaufszentrum Glatt eröffnet im Herbst 2019 die erste Schweizer Filiale auf rund 1000 Quadratmetern. Shutterstock

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Die Schweizer Shoppingcenter-Chefs rieben sich bereits die Hände: Als im Juli bekannt wurde, dass Roger Federer neu für den japanischen Modehersteller Uniqlo wirbt, kam in der Branche die Hoffnung auf, bald einen neuen Einkaufsmagneten begrüssen zu dürfen, der die Frequenzen in ihren Einkaufstempeln steigern würde. Der neuen Partnerschaft mit dem Basler Tennis-Ass zum Trotz machte Uniqlo aber bisher einen Bogen um die Schweiz.

Doch da gäbe es noch eine andere Kultkette aus Japan: Muji – und diese hat im Gegensatz zu Uniqlo konkrete Pläne, um hierzulande zu expandieren. Muji verkauft ebenfalls Mode, aber bei weitem nicht nur. Auch Schreibwaren, Büroartikel, Kosmetika, Nahrungsmittel, Haushaltsgeräte und Möbelaccessoires gehören zum Sortiment des Konzerns, der mit seinen rund 800 Filialen und 3500 Mitarbeitenden in über 25 Ländern jährlich etwa 3,5 Milliarden Euro umsetzt. Zum Vergleich: Der Online-Moderiese Zalando bringt es global auf 4,5 Milliarden Euro.

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Und nun also die Schweiz: Laut verlässlichen Quellen eröffnet Muji kommenden Oktober eine erste Filiale auf 1000 Quadratmetern im Zürcher Einkaufscenter Glatt, dem umsatzmässig grössten Shoppingcenter der Schweiz. Das Angebot soll praktisch das komplette Sortiment umfassen. Per Anfang 2019 will die Muttergesellschaft Ryohin Keikaku für den Markteintritt die Muji Switzerland AG gründen, wie einer Mitteilung zu entnehmen ist, die in Japan publiziert wurde. Darin betonen die Japaner die Vorzüge der Schweiz, welche den Ausschlag für den Markteintritt gegeben haben: Das Land sei bekannt für seine Neutralität, habe das weltweit zweithöchste BIP pro Kopf vorzuweisen sowie einen wachsenden Markt. Deshalb, so heisst es in der Mitteilung, habe man sich entschlossen, in diesen «attraktiven Markt» einzusteigen. Laut Insidern sind denn auch weitere Filialen geplant, ein sogenannter «Rollout», sofern das Geschäft im Glatt Erfolg hat.

310 Franken für Weihnachtsgeschenke

Laut einer repräsentativen Umfrage der Beratungsfirma EY planen Schweizer Konsumenten, dieses Jahr 6 Prozent mehr für Weihnachtsgeschenke auszugeben. Das durchschnittliche Budget steigt demnach auf 310 Franken und erreicht einen neuen Höchststand, was viele Detailhändler zuversichtlich stimmen dürfte. Manche Warenhäuser erzielen in der Adventszeit 30 Prozent oder mehr ihres Jahresgeschäfts . Männer zeigen sich laut der Studie spendabler (328 Franken) gegenüber den Frauen (291 Franken). Das grösste Geschenkbudget hat die Altersgruppe der 36- bis 45-Jährigen. Am häufigsten verschenkt werden Lebensmittel, gefolgt von Büchern und Spielwaren. Und: 64 Prozent der Konsumenten favorisieren den Einkauf bei Händlern vor Ort. Der Kauf per Mausklick im Internet ist nur für 8 Prozent die erste Wahl. (BWE)

Der Ursprung der Firma liegt im Jahr 1980, als die Seibu-Warenhauskette die Eigenmarke Muji kreierte. 1983 folgte die erste Filiale in Tokio, und 1990 wurde die Firma von Seibu komplett ausgegliedert. 1991 wagte Muji die Expansion ins Ausland mit einem Geschäft in London.

Die Artikel in den Geschäften basieren auf dem Prinzip «Mujirushi ryohin» – kurz: Muji, was so viel bedeutet wie «Keine Marke, hochwertige Produkte». Bekannte, internationale Designer haben für den Konzern schon gearbeitet, jedoch stets anonym. Im Vordergrund stehen die Funktionalität, die ressourcenschonende Herstellung und das schlichte, minimalistische Design – wofür viele Artikel mit Preisen ausgezeichnet wurden. Manche stehen gar im Londoner Victoria and Albert Museum und im New Yorker Museum of Modern Art. Auch Cafés, Restaurants und Blumenläden betreibt Muji inzwischen.

6000 Shops verschwunden

Die Nachricht, dass eine internationale Grosskette in die Schweiz eintritt, überrascht auf den ersten Blick. Denn in den vergangenen Jahren hatte die hiesige Branche vor allem eines: zu kämpfen. Zahlreiche Händler wurden Opfer der beiden Mega-Trends Einkaufstourismus und Onlineverlagerung, darunter Namen wie Charles Vögele, OVS, Bernie’s, Companys, Bata, Jamarico, Switcher, Jeans&Co, Yendi und Schild. Laut dem Marktforscher GfK sind seit 2010 über 6000 Verkaufsstellen in der Schweiz verschwunden. In dieser Zeit schrumpfte der Totalumsatz im Detailhandel von über 96 auf 91 Milliarden Franken. Viele Einkaufsmeilen und Shoppingcenter mussten sich an ein einstiges Tabuwort gewöhnen: Leerstand.

Vögele und die bösen Folgen

Mujis Ankündigung dürfte insbesondere die gebeutelten Shoppingcenter freuen, die laut GfK-Zahlen überdurchschnittlich mit dem Strukturwandel zu kämpfen haben und zunehmend mit leeren Mietflächen konfrontiert sind. Zudem waren zuletzt viele vom Aus von Charles Vögele betroffen. Auch der italienische Vögele-Käufer OVS schaffte den Turnaround nicht. Dabei waren die beiden Modehändler ein Garant für die Vermietung von grossen Flächen zwischen 800 und 1500 Quadratmetern. Und so sorgen nun in vielen Einkaufszentren die ehemaligen Vögele- und OVS-Geschäfte für gähnende Leere. Manche Flächen werden zwischenzeitlich von zweitklassigen Pop-up-Stores genutzt. Dies hat wiederum den Effekt, dass der Gesamteindruck des Einkaufscenters leidet und so die Umsätze der anderen Mieter in Mitleidenschaft gezogen werden.

Und dennoch ist Muji nicht allein. Der französische Sport-Discountriese Decathlon ist erst vor kurzem in der Schweiz gestartet, genauso wie der österreichische Möbelhändler XXXLutz. Ausländische Schuhketten wie Snipes und Foot Locker expandieren ebenso wie die beiden Dessous-Händler, die italienische Intimissimi und die holländische Hunkemöller. Und auch die dänische Wohnaccessoires-Kette Flying bringt es inzwischen auf 11 Geschäfte. Insofern zeigt die Offensive von Muji und Co., dass sich die Branche nicht unbedingt nur auf Talfahrt, sondern insbesondere im Wandel befindet.