Pfarrerlöhne
Wie Adrian Wüthrich die Staatskasse um 72 Millionen Franken entlasten will

Der Huttwiler SP-Grossrat Adrian Wüthrich fordert vom Regierungsrat einen Bericht zu einer Praxisänderung: Künftig seien die Pfarrerinnen und Pfarrer der drei Berner Landeskirchen via Kirchensteuern zu bezahlen.

Bruno Utz
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Dass auch Atheisten, Moslems und Hindus an die Pfarrerlöhne bezahlen, soll überprüft werden. Archiv

Dass auch Atheisten, Moslems und Hindus an die Pfarrerlöhne bezahlen, soll überprüft werden. Archiv

Eine aus der Kirche ausgetretene Bernerin unterlag kürzlich vor Bundesgericht: Sie fand es ungerecht, dass sie auch als Atheistin weiterhin via Kantonssteuern die Pfarrerlöhne mitfinanzieren muss. Die Lausanner Richter sahen die Glaubens- und Gewissensfreiheit nicht verletzt, wenn der Kanton Bern die Pfarrer aus allgemeinen Steuermitteln besolde. Mit der Bezahlung der Kantonssteuern sei kein religiöser Zwang vorhanden.

Die Verwendung der Steuergelder sei grundsätzlich nicht zweckgebunden. Zudem verwende der Kanton Bern mit gut 0,8 Prozent nur einen verschwindend kleinen Anteil des Gesamtbudgets für Kultuszwecke. Auch angesichts der Anzahl Steuerpflichtiger könne keine Rede davon sein, dass die Frau an die finanzielle Unterstützung einer Religionsgesellschaft beiträgt, begründeten die Bundesrichter die Abweisung der Beschwerde.

Praxisänderung prüfen

«Ich wusste, dass der Fall beim Bundesgericht hängig ist, habe jedoch meine Motion Anfang Dezember ohne direkten Bezug darauf eingereicht», sagt Adrian Wüthrich. Der Huttwiler SP-Grossrat fordert vom Regierungsrat einen Bericht zu einer Praxisänderung: Künftig seien die Pfarrerinnen und Pfarrer der drei Berner Landeskirchen – evangelisch-reformierte, römisch-katholische und christkatholische – via Kirchensteuern zu bezahlen. Die 1804 im Rahmen der Übernahme der Kirchengüter durch den Kanton Bern eingegangene Verpflichtung, die Kirchgemeinden pfarramtlich zu versorgen, sei zu überprüfen. «Es geht mir nicht darum, den politischen Entscheid jetzt schon herbeizuführen», sagt Wüthrich. «Aber ich möchte die Haltung der Regierung zu meiner Forderung kennen und dem Grossen Rat die Möglichkeit geben, die Änderung zu diskutieren», sagt der Huttwiler, der selber Mitglied der reformierten Kirche ist und somit auch Kirchensteuern bezahlt.

Laut dem Motionär würde ein Systemwechsel den Kantonshaushalt um 72 Millionen Franken entlasten. «Entsprechend müssten die Kirchen jedoch ihre Steuern erhöhen.» Für Personen, die aus der Kirche ausgetreten sind, ergäbe sich ergo eine bescheidene Steuersenkung, folgert Wüthrich. Die sieben Mitunterzeichner seiner Motion stammten alle aus der SP-Fraktion. «Beim Sammeln der Unterschriften merkte ich, wie heikel das Thema ist. Mehrere Ratskollegen lehnten es ab, den Vorstoss zu unterzeichnen.»

Nicht nur Atheisten, auch Muslime

«Mich begeistert der Vorstoss. Der geforderte Bericht ist eine gute Möglichkeit, die Problematik aufzuzeigen», freut sich Reta Caspar. Bei der eingangs erwähnten Berichterstattung zum Bundesgerichtsurteil hätten die Medien nur von den «Atheisten» gesprochen, welche die Pfarrerlöhne weiterhin mitfinanzieren müssten, sagt die Geschäftsstellenleiterin der Freidenker-Vereinigung Schweiz: «Betroffen sind aber auch alle anderen bernischen Steuerzahlenden, die keiner Landeskirche angehören wie Moslems und Hindus.» Und weil der Kanton Bern als Nettoempfänger vom schweizerischen Finanzausgleich Geld erhalte, bezahle im Prinzip die ganze Schweiz an die Pfarrerlöhne im Kanton Bern.

Die Einzigartigkeit der bernischen Speziallösung in der Schweiz sei der Bevölkerung und den meisten Politiker gar nicht bewusst. «Es geht nicht darum, den Wechsel von einem Tag auf den anderen herbeizuzwingen. Aber das jetzige System ist mittelfristig nicht mehr haltbar», sagt Caspar und verweist auf die vielen Kirchenaustritte (vgl. Artikel unten).

Ein gutes Geschäft für Kanton?

«Wir haben von der Motion Kenntnis genommen», sagt Thomas Gehrig. Der Synodalrat habe diese jedoch noch nicht diskutiert. Grundsätzlich sei die bestehende Lösung aber eher ein gutes Geschäft für den Kanton Bern, so der Leiter Kommunikation der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn. «Der Kanton fährt eher besser, wenn er weiterhin die Pfarrerlöhne bezahlt, als wenn er den Wert der 1804 übernommenen Kirchengüter verzinsen oder gar deren Rückgabe an die Kirchen finanzieren müsste», begründet Gehrig seine Vermutung. Die Antwort des Regierungsrates ist noch ausstehend.