Weniger Geschenke für Medien

Pressereisen und exklusive Journalisten-Anlässe gehen für die einladenden Firmen ins Geld. Dass sie immer mehr darauf verzichten, hat aber andere Gründe.

Stefan Ehrbar
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Eher harmlos: Medienanlass mit der rollenden Koch-Nati. Foto: Keystone/Marcel Bieri

Eher harmlos: Medienanlass mit der rollenden Koch-Nati. Foto: Keystone/Marcel Bieri

Schweiz am Wochenende

Wenn Journalisten eine Reise tun, dann können sie was erleben. Und zwar kostenlos. Oft genug werden ihre Reisen nicht von den Redaktionen bezahlt, sondern von den einladenden Firmen. Zwar haben sich einige Medienhäuser in den letzten Jahren unter dem Eindruck von Transparenz-Forderungen und zur Entkräftung von Käuflichkeits-Vorwürfen verschärfte Regeln gegeben. Doch noch immer werden bezahlte Reisen in Anspruch genommen.
Nun findet ein Umdenken auf der anderen Seite statt. Vor allem grosse, global agierende Firmen werden vorsichtiger im Umgang mit Zuwendungen. Beispiel Allianz: Jede Journalisten-Einladung wird neu von der ComplianceAbteilung des Versicherungskonzerns überprüft. Es gälten strenge Richtlinien im Umgang mit Einladungen, sagt Sprecher Hans-Peter Nehmer.
Aus Sicht der Allianz gebe es drei relevante Zielgruppen, welche die Öffentlichkeit beeinflussen könnten: Behörden, Parlamentarier und Journalisten. Werde jemand aus einer dieser Gruppen eingeladen, müsse das der Compliance-Abteilung gemeldet werden. Kleinere Einladungen wie Mittagsessen seien zwar kein Problem. Doch wenn etwa Journalisten an den Konzernsitz in München eingeladen würden, müsse man sich «genau überlegen, wie man eine solche Reise gestalten will».
Andere Firmen gehen noch weiter. Seit mehreren Jahren lädt etwa IBM Journalisten an einen Medienanlass nach Ittingen BE ein – inklusive Übernachtung. Dieses Jahr machte der Technikkonzern die Journalisten erstmals vorab darauf aufmerksam, dass die Einladung einem Gegenwert von 500 Franken entspreche. IBM empfahl den Journalisten, abzuklären, ob die Annahme der Einladung mit den Richtlinien der Redaktion vereinbar sei und allfällige Bedenken mitzuteilen. Bei IBM gebe es generelle Business Conduct Guidelines, die man nun erstmals auch auf Journalisten anwende, sagt Kommunikations-Chefin Susan Orozco. «Journalisten sind Kunden oder externe Partner wie andere auch, und daher gelten die gleichen Regeln.»
Auch staatsnahe Konzerne verschärfen ihre Regeln. Die SBB verlangen etwa bei gewissen Anlässen von Journalisten eine Deklaration über die Vereinbarkeit mit internen Compliance-Regeln. Und als der Energiekonzern Axpo auf eine Pressereise zu einem Windpark in der Nordsee einlud, wurde den Journalisten im Vorfeld angeboten, einen Teil der Kosten selbst zu übernehmen.
Zwar gebe es keine spezifischen Regeln im Umgang mit Medienvertretern, sagt Catherine Mettler, Leiterin der Axpo-Medienstelle. Doch es gebe für den ganzen Konzern verbindliche Compliance-Regeln, denen auch der Umgang mit Medien unterworfen sei. Die Sensibilität habe in den letzten Jahren auf beiden Seiten zugenommen.
Auf der Pressereise in die Nordsee war auch die «Schweiz am Sonntag» mit dabei und hat die Kosten für das Hotel und den Flug selbst getragen. Dasselbe gilt für den Journalisten des SRF. Beim Schweizer Fernsehen werden, so regeln es die publizistischen Leitlinien, keine Sach- und Dienstleistungen angenommen, die den Wert von 100 Franken übersteigen. «Wenn uns eine Einladungsreise Zugänge eröffnet, die uns sonst verschlossen wären und die wir aus gewichtigen journalistischen Gründen nutzen möchten, kommen wir für deren Kosten selbst auf», heisst es in den SRF-Grundsätzen.
Ähnliche Regeln hat etwa auch das Medienhaus Tamedia, bei dem Zuwendungen im Wert von über 200 Franken von Vorgesetzten abgesegnet werden müssen. In der Regel verbieten Schweizer Medienhäuser zudem die Annahme von Bargeld.
Bei einigen Firmen muss sich das SRF diesen Fragen gar nicht mehr stellen. Am IBM-Anlass war die Anstalt erst gar nicht eingeladen. Die SRG gilt beim Konzern als staatsnahe Unternehmung, und für Staatsvertreter gälten strengere Vorschriften. «Wir sind nach internen Abklärungen zum Schluss gekommen, dass wir eine Einladung mit Übernachtung als nicht opportun ansehen, und haben darauf verzichtet», sagt IBM-Sprecherin Susan Orozco. Halb so tragisch, findet das SRF: Solche Einladungen, sagt Sprecherin Andrea Wenger, «nehmen wir nicht an.»
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