Delegierte weltweit sprechen sich für einen neuen Hauptsitz in Genf aus – doch Exit ist dagegen.
Am Morgen des vorletzten Versammlungstages stürmten plötzlich zwei Dutzend Aktivisten das Hotel der Sterbehilfe-Befürworter in Chicago. Die Demonstranten blockierten den Lift, störten das Frühstück und versperrten den Weg in die Säle. «Wir brauchen euren Suizid nicht», brüllten sie eine Stunde lang, bevor die Polizei sie abführte.
Doch der Widerstand gegen den kürzlich abgehaltenen Weltkongress der über 50 Sterbehilfeorganisationen war wirkungslos. Die Delegierten tagten nur kurz danach weiter – und fällten richtungsweisende Entscheidungen für die Sterbehilfe. Dabei rückt die Schweiz stärker ins Zentrum ihres Anliegens.
Der Hauptsitz des Weltverbandes soll von New York nach Genf verlegt werden. Dafür sprachen sich die Delegierten aus aller Welt fast einstimmig aus. Nur zwei stimmten dagegen: die Deutschschweizer Sterbehilfeorganisation Exit und die Sterbehilfe Deutschland. Sie fürchten negative Reaktionen, sollte nach den vielen Berichten über den «Sterbetourismus» nun auch der Dachverband in die Schweiz ziehen, schreibt Exit in seinem aktuellen Mitgliedermagazin.
Diese Gefahr sehen die restlichen Delegierten nicht. Für sie ist die Schweiz vielmehr ein Hort der Freiheit. Rob Jonquiere, Kommunikationschef des Weltverbandes, beruhigt deshalb die Gegner. «Als Dachverband leisten wir keine aktive Sterbehilfe», sagt er. «Wir beraten und unterstützen die Organisationen, sollten sie unsere Hilfe benötigen – mehr nicht.» Zudem organisiert der Verband den alle zwei Jahre stattfindenden Weltkongress.
In New York wollte die Vereinigung der Sterbehilfe-Befürworter nicht länger bleiben. Die Behörden verlangten viel zu hohe Steuern, bemängelt Jonquiere. Das könne sich der Verband nicht leisten. Ziel ist es, den neuen Sitz im kommenden Jahr zu eröffnen. Die Abklärungen laufen. Genf sei aufgrund der vielen anderen Non-Profit-Organisationen der geeignetste Standort.
Ganz anders sieht das Frank Mathwig, Ethiker beim Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund. Die Stadt stehe für eine andere Art der internationalen Politik: Genf stehe für Frieden, Versöhnung, Ermöglichung von Lebensperspektiven – aber nicht für den Tod. Besonders gross könne der Schaden werden, wenn die Schweiz zum internationalen Pilgerort für Suizidwillige werden würde, sagt er.
Welche Bedeutung die Schweiz international dereinst haben wird, ist offen. Für die Deutschen wird die Schweiz aber immer wichtiger. Weil die Regierung ein Verbot der Freitodhilfe plant, rechnet Sterbehilfe Deutschland damit, ihre Mitglieder künftig aus der Niederlassung in Zürich betreuen zu müssen.
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