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Wenn der Boden unter den Füssen rüttelt, werden Erinnerungen an 1853 wach. Während sich damals die Telegrafen über das Ereignis freuten, sind es diesmal all die Leute, die Internetzugang und einen Social Media Account haben.
Die Solothurner Erde bebte, das Volk zitterte vor Angst, nur die Telegrafen, die freuten sich. Zum ersten Mal konnten sie an jenem 11. August 1853 ein Erdbeben in der Schweiz per Telegramm verkünden. «Wenn auch für diesmal nur, um in allen Orten ausserhalb Solothurn, wo nichts von dem Erdbeben bemerkt war, zu überraschen», schreibt Rudolf Farb in seinem 1871 erschienen Buch über das Erdbeben in der Stadt Solothurn. Er fährt weiter fort: «Das durch die telegrafische Depesche gemeldete Erdbeben fand um 11 Uhr 7 Minuten statt und verursachte einen solchen Schrecken, das alles auf die Strasse eilte.»
«Wenn ein Erdbeben zu relevanten Abweichungen führt, wird die Reaktoranlage automatisch abgeschaltet», sagt Konstantin Bachmann, Sprecher des AKW Gösgen. Die Werte beim Beben vom Montag seien weit unter jeder betrieblich relevanten Schwelle gewesen. Gösgen widerstehe Ereignissen «mit mehr als dem tausendfachen Energiegehalt des Bebens vom Montagabend».
Der dabei schweizweit höchste gemessene Wert war die Intensität 5. Ab Stufe 6 kommt es zu leichten Gebäudeschäden, ab Stufe 8 können schlecht gebaute Gebäude einstürzen. Donat Fäh vom Schweizerischen Erdbebendienst sagt: «Um die Atomkraftwerke in Gefahr zu bringen, müsste die Erde deutlich stärker beben.» (mbh)
Am letzten Montagabend war die Panik weit weniger gross, als die Erde kurz nach 21 Uhr bebte. Nur die wenigsten Kantonsbewohner werden fluchtartig ins Freie geeilt sein. Was unter anderem an der Distanz zum Epizentrum lag. Dieses befand sich in über 100 Kilometer Entfernung – im Kanton Glarus, genauer in Linthal. Dennoch: Die Erschütterung erschreckte. Vor allem jene, die sensibel auf Erschütterungen reagieren und somit das Beben spürten, als würde es sich vor der eigenen Haustüre stattfinden.
Im Gegensatz zu vor 164 Jahren mussten sie auch nicht auf die Strasse gehen, um sich mit anderen über das Erlebte auszutauschen. Ein Griff zum Smartphone reichte. «Mal wieder ein Erdbeben in Solothurn? 21:15 Uhr! Hat doch ziemlich gerumpelt!», schrieb ein Martin kurz nach der Erschütterung auf Facebook, eine Userin namens Claudia reagierte umgehend. «Ja.. z Bauschtu au..» An Eduard ging das Ganze komplett vorbei: «ha nüt gspürt». Und schon bald darauf kam die Meldung von offizieller Seite. Via Twitter beendete der Schweizer Erdbebendienst die Diskussion über ein Solothurner Erdbeben: «21:12 Erdbeben der Stärke 4.7 bei Ortstock SZ. Verbreitet spürbar. Kleinere Schäden möglich.»
Vom Twitter-, zurück ins Telegrammzeitalter. Es gibt mehrere Überlieferungen, wie die Solothurner an jenem 11. August 1853 das Erdbeben erlebt haben. Rudolf Farb hat einige davon in seinem Buch «Grundzüge zu einer Theorie der Erdbeben und Vulkanausbrüche» gesammelt. Einer davon sei hier wiedergegeben: «Die Erschütterung dauerte 2 bis 3 Minuten, zeigte mehrere rasch abgebrochene Stösse, sodass die Fenster flirrten, die Glocken an die Köpfe aufschlugen, gegen 15 Kamine theils beschädigt, theils ganz umgestürzt wurden, in den Mauern der Gebäude Risse entstanden und in den Häusern ein ähnliches Getöse wahrgenommen wurde, als ob in den überliegenden Gemächern die Zimmerdecke einstürzen würde.»
Weiter wird in der Nachricht berichtet, dass in der St. Ursen Kirche gar eine Zeremonie abgebrochen werden musste. Da die Erschütterungen «einen sehr beängstigenden Eindruck auf Kinder und Eltern» machte. Die Menschen waren sich nicht sofort einig, dass es sich bei der Erschütterung um ein Erdbeben handelt. Der Solothurner Professor Lang vermutete zuerst hinter der Erschütterung das «Zerplatzen eines Meteors». Diese Theorie wurde schnell wieder verworfen, wobei man sich gemäss Rudolf Farb noch lange darüber wunderte, warum das Beben nur in der Region verspürt wurde.
Bis heute gilt das Erdbeben als das heftigste in der Solothurner Geschichte. Noch jahrzehntelang mahnte ein Riss in der St. Ursen Kathedrale an das Ereignis – bekannt als «Erdbebenspalte». Diese spaltete das Gewölbe vom Pfarraltar durch den Chor bis zum Muttergottesaltar. Erst mit Abschluss der Renovierungsarbeiten 1917 waren die Erdbeben-Spuren verschwunden.
Seither gab es viele kleinere Beben in Solothurn, die meisten davon gar nicht spürbar. Jenes im letzten August aber schon. Obwohl das Beben mit einer Magnitude von 2.2 relativ schwach war, konnte man es gut wahrnehmen. Grund dafür war, dass sich das Erdbeben relativ nahe der Erdoberfläche ereignete.
Bisher war noch nicht die Sprache vom Erdbeben, das in der Schweiz die grösste Zerstörung mit sich brachte. Jenes 1356 in der Stadt Basel. Es war gleichbedeutend auch das Ende der Froburg, die einst auf dem heutigen Gemeindegebiet oberhalb von Trimbach stand. Die mächtige Burganlage hielt den Erschütterungen nicht stand und fiel in sich zusammen. Zum Schreck des damaligen Grafen. Als er die Nachricht vernahm, soll er gesagt haben: «So wahr ich der Herr des Landes bin, soll fürder kein Pflug durch die Felder gehen, bis das Volk mir die Burg wieder erbaut hat.» Gemäss einer überlieferten Version, soll er noch hinzugefügt haben: «Wo es der Mörtel nicht thut, da behebt Bauernblut.»
Der Graf täuschte sich, er bekam seine Burg nicht wieder. Sein Schwur war vergebens. Doch noch heute erinnert die Ruine an das «dämonische Erdbeben».