Steinegger rät Müller zu Zurückhaltung

Der Ex-FDP-Präsident empfiehlt dem amtierenden Parteichef, nichts zu überstürzen und allfällige Fehler offen einzugestehen

SaW Redaktion
Drucken
Philipp Müller (links) und Franz Steinegger. Foto: Keystone/Alex Spichale

Philipp Müller (links) und Franz Steinegger. Foto: Keystone/Alex Spichale

Schweiz am Wochenende

Es war dieser Gedanke, der ihm als erster durch den Kopf schoss, als er von Philipp Müllers Autounfall hörte: «Braucht es das jetzt auch noch?», habe er sich gefragt, sagt Franz Steinegger. Er habe grosses Bedauern über den Unfall verspürt, umso mehr, als sich die FDP «auf einer guten Schiene» befinde. Müller war am Donnerstagabend in Lenzburg AG mit seinem Mercedes auf die Gegenfahrbahn geraten und mit einer 17-jährigen Rollerfahrerin kollidiert, die sich schwere Beinverletzungen zuzog.
Steinegger war zwischen 1989 und 2001 Präsident der FDP Schweiz. Er rät Müller zu einem überlegten Vorgehen: «Nichts überstürzen, einen Moment abtauchen, sich die Fakten ansehen, allfällige Fehler offen eingestehen – und sich vor allem nicht von Leuten ins Bockshorn jagen zu lassen, die das Pech für ihre Zwecke nutzen wollen.» FDP-Doyen Steinegger ist auch als «Katastrophen-Franz» bekannt, weil er als Leiter des Urner Krisenstabes bei den Unwettern von 1977 und 1987 sehr überlegt handelte.
Steinegger findet, die fünf Vizepräsidenten der FDP müssten nun unter sich absprechen, wer vorübergehend verstärkt in der Öffentlichkeit auftrete. Er rät Philipp Müller vorläufig zu Zurückhaltung: «Was kann man da noch sagen? Redet man, gibt das Anlass für Fehler.»
Ob sich die Vizepräsidenten der FDP verstärkt ins operative Tagesgeschäft der Partei einbringen, war gestern nicht zu erfahren. FDP-Präsident Philipp Müller verschickte gestern um 17.48 Uhr seine zweite «persönliche Stellungnahme». Darin schreibt er: «Aus Respekt gegenüber der jungen Frau und ihren Angehörigen habe ich entschieden, meinen persönlichen Ständeratswahlkampf bis auf weiteres auszusetzen. Ich werde an den vorgesehenen Podiumsdiskussionen nicht teilnehmen.» Seine Arbeit als Nationalrat in der laufenden Session und als Präsident der FDP werde er aber weiter wahrnehmen. «Für politische Themen stehe ich den Medien zur Verfügung», so Müller. Fragen im Zusammenhang mit dem Unfall werde er hingegen nicht beantworten.
Als Vater von drei Töchtern könne er verstehen, «dass die Angehörigen der von mir verletzten jungen Frau zutiefst erschüttert sind», schreibt Müller und bezieht sich damit auf die Kritik des Vaters im «Blick» und in der Online-Ausgabe der «Aargauer Zeitung». Dort hatte der Vater gesagt, Müller habe «seine Bürgerpflicht nicht erfüllt», weil er nach dem Unfall keine erste Hilfe geleistet und keine Anteilnahme gezeigt habe: «Ich hätte erwartet, dass Philipp Müller sich persönlich meldet. Einfach einen Brief aufsetzen und über den Anwalt kommunizieren, ist nicht die feine Art.»
Dazu teilt der FDP-Präsident mit: «Nach dem Zusammenprall war ich unter Schock und habe deshalb mein Fahrzeug erst bei der nächsten Ausstellmöglichkeit abgestellt und lief unverzüglich zur Unfallstelle zurück.» Am Unfallort hätten bereits viele erfahrene Personen erste Hilfe geleistet, weshalb er als Erstes die Rettungskräfte angerufen habe. Von der Polizei sei er in ein Polizeiauto gesetzt worden. «Mir war nicht bekannt, dass der Vater der jungen Frau vor Ort eintraf», schreibt Müller. «Es haben mich viele Anwesende mit Namen gegrüsst, aber ich kannte den Vater nicht und die Polizei sagte mir ebenfalls nicht, dass Angehörige der jungen Frau vor Ort sind. Selbstverständlich hätte ich ansonsten das Gespräch mit ihm gesucht.»
Zum Vorwurf der fehlenden Anteilnahme schreibt Müller: «Ich habe meinen Anwalt schon am Abend des Unfalltages gebeten, mir den Namen und die Adresse der jungen Frau und ihrer Angehörigen zu beschaffen.» Die Polizei habe sich geweigert, diese Informationen herauszugeben. Erst am Freitagmorgen habe sein Anwalt die Personalien der Angehörigen erhalten. «Nach Erhalt dieser Informationen hat er sofort die Angehörigen kontaktiert. Die Eltern der jungen Frau wünschten aber bis auf weiteres keine direkte Kontaktaufnahme durch mich, was ich vollkommen respektierte», schreibt Müller. Nachdem er am Samstagnachmittag aus der «Aargauer Zeitung Online» erfahren habe, dass die Eltern nun dazu bereit seien, habe er sie sogleich angerufen und in einem längeren Telefongespräch die entstandenen Missverständnisse geklärt. «Selbstverständlich werde ich alles unternehmen, um die Eltern und das Unfallopfer in dieser schwierigen, belastenden Situation zu unterstützen», hält Müller fest.
Eine schwierige Situation ist es auch für den Parteichef selbst. Hin und wieder habe man als Mensch «einfach Pech», sagt Franz Steinegger. Das gehöre zu einer Person genauso wie auch zu einer Organisation. Steinegger: «Damit muss man sich abfinden.»
Mehr Themen finden Sie in der gedruckten Ausgabe oder über E-Paper