«KidsSafe»
SMS-Alarm soll Eltern künftig vor Kinderschändern warnen

Eine neue Kinderschutzorganisation will Kinder besser vor Übergriffen fremder Personen schützen. Fachleute begrüssen die Initiative, sehen aber noch Handlungsbedarf.

Thomas Münzel
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Es ist die Horrorvorstellung aller Eltern: Eine pädophil veranlagte Person nähert sich mit dem Auto einem allein spielenden Kind.

Es ist die Horrorvorstellung aller Eltern: Eine pädophil veranlagte Person nähert sich mit dem Auto einem allein spielenden Kind.

Keystone

«Schicken Sie in der heutigen Zeit Ihr Kind auch jeden Morgen mit einem flauen Gefühl im Bauch auf den Schulweg? Hätten Sie auch gerne Gewissheit, wenn im Nachbardorf ein Kind wieder einmal von einer fremden Person aufgefordert wurde, mit ihr zu gehen?» Diese und ähnliche Fragen stehen auf der Homepage der neuen Kinderschutzorganisation «KidsSafe», die Anfang März dieses Jahres vom Ehepaar Presicce in Henggart gegründet wurde.
Eigene Familie betroffen

«Ich hatte schon lange das Gefühl, dass wir uns als Eltern besser vernetzen sollten, um unsere Kinder vor potenziellen Tätern zu schützen», sagt Sonja Presicce. «Als dann unser Sohn eines Tages von einem fremden Mann aufgefordert wurde, in sein Auto zu steigen, war das letztlich die Initialzündung, um die Idee eines SMS-Alarms umzusetzen.» Denn das Elternpaar hatte damals nur durch Zufall erfahren, dass offenbar der gleiche Mann schon wenige Tage zuvor in zwei Nachbarorten in gleicher Manier in Erscheinung getreten war.

Sie hätten als Eltern rasch erkannt, dass es nichts bringe, wenn die Schulen und die Polizei nur gerade in jenen Gemeinden informierten, in welchen es zu Vorfällen gekommen sei, sagt die junge Mutter aus Henggart im Bezirk Andelfingen. «Informiert werden sollten nach einem versuchten Übergriff auf ein Kind auch die Eltern einer ganzen Region», ist Presicce überzeugt. «Täter machen ja bekanntlich nicht an Gemeindegrenzen halt.»

2 Alarme ausgelöst

Seit der Gründung der Kinderschutzorganisation Kids Safe wurden zwei SMS-Alarme ausgelöst. In beiden Fällen (Winterthur/Rosenbergquartier und Gottmadingen, D) wurden Kinder von Fremden angesprochen und zum Mitkommen gedrängt. Mütter hörten davon und meldeten es Kids Safe. Die SMS-Alarme erreichten jeweils 250 Personen. (tm)

Vorkehrungen treffen

Wer sich bei der Organisation kidssafe.ch gratis registrieren lässt, wird laut Angaben der Initianten via SMS benachrichtigt, wenn Eltern zuvor gemeldet haben, dass in der Region ein Kind von einer fremden Person aufgefordert wurde, mit ihr zu gehen. Familien könnten so noch am Tag des Vorfalls Vorkehrungen treffen und die eigenen Kinder sensibilisieren. «Eltern haben aufgrund unserer SMS-Mitteilung zumindest die Möglichkeit, selber zu entscheiden, ob sie ihre Kinder beispielsweise eine gewisse Zeit lang zur Schule fahren wollen oder nicht», sagt Presicce.

Jede eingegangene Meldung werde seriös überprüft, um unnötige Panik zu vermeiden, heisst es auf der Website der Kinderschutzorganisation «KidsSafe». Und: Eine Meldung dürfe erst dann freigeschaltet werden, wenn die jeweilige Kantonspolizei zuvor in Kenntnis gesetzt worden sei. Die Initianten von «KidsSafe» wollen also nicht nur in der Region Winterthur tätig sein, sondern schweizweit.

Wünsche der Polizei

Die Zürcher Kantonspolizei hat mit der Organisation «KidsSafe» bis heute noch nichts zu tun gehabt, wie sie auf Anfrage sagt. Aber: «Initiativen von Eltern oder allgemein von Bürgerinnen und Bürgern, die dazu dienen, strafbare Handlungen zu verhindern, sind grundsätzlich willkommen», sagt Mediensprecherin Carmen Surber. Sie betont jedoch die Notwendigkeit einer engen Zusammenarbeit. «Die Kooperation und Abstimmung mit der Polizei erscheint uns wichtig.» Denn gerade in solchen Fällen sei es enorm wichtig, «dass angemessen kommuniziert und richtig sensibilisiert wird, damit keine übertriebenen Ängste geschürt werden». Die Polizei sei auf solche Fälle spezialisiert und habe entsprechende Möglichkeiten zu reagieren, erklärt Surber.

Auch der Psychologe Matthias Huber, Gesamtleiter des Zentrums für Beratung und Prävention Breitenstein in Andelfingen, zeigt sich grundsätzlich offen für das Anliegen der Initianten der neuen Kinderschutzorganisation. Denn: «Es ist durchaus nachvollziehbar, dass sich Eltern zusammentun, um ihre Kinder vor Übergriffen besser schützen zu können.» Doch auch Huber sieht noch Handlungsbedarf. Um eine effektive und erfolgreiche Kinderschutzarbeit leisten zu können, sei es gut, wenn die verschiedenen Akteure – Eltern, Kinder, Lehrer und die Polizei – eng zusammenspannten. «Ich würde es deshalb begrüssen, wenn die neue Organisation noch etwas breiter abgestützt werden könnte, gerade auch zum Wohle des Kindes», sagt Huber. Es gelte zudem die Losung: Nicht dramatisieren, aber thematisieren.

Dankbar für Rückmeldungen

Sonja Presicce ist dankbar für diese Rückmeldungen. In einer engen Vernetzung mit Eltern, Schulen, anderen Kinderschutzorganisationen, Behörden und der Polizei, sehe man letztlich nur Vorteile, sagt die Initiantin der Kinderschutzorganisation «KidsSafe». «Entsprechende Signale der Kantonspolizei und des Zentrums Breitenstein in Andelfingen, freuen uns und werten wir als Einladung zu Gesprächen und einer vertieften Kooperation», sagt Presicce.
Eine enge Zusammenarbeit mit anerkannten Institutionen helfe letztlich auch der eigenen Glaubwürdigkeit. «Obschon wir wirklich nur helfen wollen, gab es auf Facebook nun auch einzelne Einträge von Leuten, die uns nicht kennen und wohl deshalb die Seriosität unserer Organisation in Frage stellten», erklärt Presicce.

Ansonsten scheint aber die Idee des SMS-Alarms grundsätzlich schweizweit auf fruchtbaren Boden zu stossen. «Seit dem 1. März, dem Gründungsdatum unserer Organisation, haben sich mittlerweile mehrere Hundert Eltern für eine Gratis-Mitgliedschaft angemeldet.»