Sind 1220 Poststellen in Gefahr?

Der Arbeitskampf um die Post spitzt sich zu: Gewerkschaft publiziert umstrittene Liste.

Andreas Maurer
Drucken
Ausgelächelt: Die Mehrheit der Schalterangestellten muss gemäss Syndicom um ihren Job bangen. Foto: Keystone/Christian Beutler

Ausgelächelt: Die Mehrheit der Schalterangestellten muss gemäss Syndicom um ihren Job bangen. Foto: Keystone/Christian Beutler

Schweiz am Wochenende

Die Karte ist übersät mit roten Punkten. Sie zeigen Poststellen an, welche die Gewerkschaft Syndicom als gefährdet einstuft. Nur wenige sind grün. Es sind die gesicherten Poststellen. Die Gewerkschaft geht davon aus, dass von den heutigen 1400 Poststellen 1220 keine langfristige Zukunft haben. Syndicom veröffentlicht die Karte schrittweise und startet diese Woche mit den Daten zum Kanton Aargau.
Die Liste widerspricht der offiziellen Darstellung der Post. Diese stellte ihre Pläne im Oktober vor und kündigte einen Abbau von 500 bis 600 Filialen an. Derzeit befindet sich die Post im Gespräch mit den Kantonen. Im ersten Halbjahr 2017 will sie die eigene Liste mit den Abbauplänen veröffentlichen.
Die Gewerkschaft geht bei ihren Berechnungen davon aus, dass die Post die Zahl der Poststellen langfristig auf das gesetzliche Minimum reduzieren wird. Sie hat in ihrer Karte deshalb nur jene Standorte grün eingezeichnet, die gemäss Post-Gesetz und weiteren Kriterien gar nicht geschlossen werden können. Das sind ganze 180 Filialen.
«Die Spielzeuge der Frau Ruoff»
Syndicom-Kommunikationschef Christian Capacoel erklärt: «Die Post hat keine Strategie, ihre Poststellen attraktiver zu machen. Im Gegenteil: Sie werden immer unattraktiver.» Die Anfahrtswege würden länger, die Dienstleistungen abgebaut. Dadurch nehme die Nachfrage noch stärker ab. Deshalb sei davon auszugehen, dass die Post in vier Jahren den nächsten Abbau ankündige. «Weil die Post ihre Liste nicht herausgibt, haben wir eine eigene Karte aufgebaut. Sie richtet sich an unsere Mitglieder, die uns fragen, ob ihre Stelle gefährdet ist», sagt Capacoel. Die Karte solle auch ein Weckruf an die Bevölkerung und die Gemeinden sein.
Der Gewerkschafter greift Post-Chefin Susanne Ruoff persönlich an: «Wir sehen keine kohärente Digitalisierungsstrategie, sondern nur die Spielzeuge von Frau Ruoff, ihre Drohnen und Paket-Roboter.» Niemand wisse, ob diese je erfolgreich sein werden: «Wir bezweifeln es.» Die Paket-Automaten zum Beispiel seien gemäss Postmitarbeitern nicht rentabel. Sprecher Capacoel sagt: «Wir fordern, dass die Post eine Strategie für die Poststelle der Zukunft definiert.» Er nennt zwei Vorschläge zu moderneren Poststellen: Als neue Dienstleistungen könnte die Benutzung von 3-D-Druckern angeboten werden, analog zu den heutigen Kopier- und Druckmaschinen, die bei Rentnern beliebt seien. Zudem könnten gemäss Syndicom auf den Poststellen Umkleidekabinen eingerichtet werden, in denen die Kundschaft Zalando-Kleider anprobieren und die unpassenden Artikel gleich vor Ort zurückschicken könnte.
Post schiesst zurück
Post-Sprecher Oliver Flüeler sagt: «Wir sind erstaunt über das unseriöse Handeln der Gewerkschaft Syndicom.» Sie schustere in aller Eile «ein eigenes Poststellennetz» zusammen, um Unsicherheit und Angst bei den Mitarbeitern und Gemeinden zu schaffen. «Gerade der Gewerkschaft Syndicom müsste daran gelegen sein, dass aus Rücksicht gegenüber den Betroffenen seriös, umsichtig und vertrauensvoll gearbeitet wird», kritisiert er.
Zu den Paket-Automaten, die einen Teil der Arbeit der bisherigen Postangestellten übernehmen, sagt er: «Natürlich sind wir erst am Anfang. Aber die Nutzerzahlen dieser neuen Dienstleistung steigen stetig, jetzt in der Weihnachtszeit sogar stärker als ursprünglich angenommen.»
Beide Seiten werfen einander vor, keine Digitalisierungsstrategie zu haben. Flüeler sagt: «Das Vorgehen der Gewerkschaft zeugt von einer Hilflosigkeit gegenüber der Digitalisierung.» Es sei nicht zielführend, wenn sie fordere, alles solle so bleiben wie vor dreissig Jahren.
Gemäss der Gewerkschaft Syndicom sind folgende Poststellen im Aargau gefährdet:
Aarau 4 Telli
Aarburg
Auw
Baden 2 Cordulaplatz
Baden 5 Dättwil
Beinwil am See
Berikon-Widen
Birmenstorf AG
Birr-Lupfig
Boswil
Brittnau
Buchs AG
Dintikon
Dottikon
Döttingen-Klingnau
Eiken
Fahrwangen
Fislisbach
Frick
Gebenstorf
Gipf-Oberfrick
Gränichen
Hausen AG
Herznach
Hunzenschwil
Jonen
Kirchleerau-Moosleerau
Kleindöttingen
Koblenz
Kölliken
Künten
Lenzburg 2 Stadt
Leuggern
Magden
Mägenwil
Mellingen
Menziken
Merenschwand
Mettau
Möhlin
Murgenthal
Neuenhof
Niederlenz
Niederrohrdorf
Niederwil AG
Nussbaumen AG
Ehrendingen
Oberentfelden
Oberlunkhofen
Oberrohrdorf
Oberwil-Lieli
Othmarsingen
Reinach AG
Riniken
Aarau Rohr
Rombach
Rothrist
Rudolfstetten
Rupperswil
Safenwil
Schafisheim
Schinznach Dorf
Schöftland
Seengen
Seon
Sins
Spreitenbach
Staffelbach
Stein AG
Stetten AG
Strengelbach
Turgi
Unterentfelden
Untersiggenthal
Villigen
Villmergen
Wegenstetten
Wettingen 2 Dorf
Wettingen 3 Langenstein
Wildegg
Windisch
Wohlen AG 2 Postplatz
Würenlingen
Würenlos
Kaiseraugst Liebrüti
Mehr Themen finden Sie in der gedruckten Ausgabe oder über E-Paper.