Wenns schon kein Engländer schafft, dann darfs auch mal ein Schotte sein. Ganz Grossbritannien erwartet von Andy Murray in Wimbledon nichts weniger als den Triumph auf dem heiligen Rasen.
VON MICHAEL WEHRLE AUS WIMBLEDON
Seit 1936 warten die Briten und natürlich besonders die Engländer auf den grossen Wurf beim Heimturnier. Fred Perry hat als letzter Brite das wichtigste Tennisturnier der Welt gewonnen. Und nun ruht die Last des gesamten Königreiches auf den schmalen Schultern eines 22-jährigen Jünglings.
Der lässt sich vom ganzen Rummel überhaupt nicht aus der Ruhe bringen: «Meine Zeit ist gekommen.» Angst kennt der kampfstarke Schotte überhaupt nicht. Da können die Medien noch so viel Druck aufbauen, die Reporter ihn noch so lange belagern, die Fans noch so laut kreischen, Murray lässt das alles abprallen. Vielleicht auch, weil Tennis für ihn zwar sehr wichtig ist, aber seit dem 13. März 1996 eben doch eine andere Bedeutung hat.
An jenem Tag tötete ein Amokläufer in der Dunblane Primary School 16 Kinder. Andy Murray und sein älterer Bruder Jamie überlebten, sie hatten sich versteckt. «Ich habe keine wirklichen Erinnerungen an diesen Tag, weil ich mit acht Jahren noch zu klein war. Das war mein Glück. Wäre ich älter gewesen, hätte es sicher psychische Wunden hinterlassen», sagt Murray heute.
Inzwischen ist Murray ein Tennisprofi mit einem fast unerschütterlichen Selbstvertrauen. Und mit seinem Sieg vor zwei Wochen beim Turnier von Queens auf Rasen schürte er nochmals die Erwartungen, denen er sich stellt. Er trägt die Kleidung aus der Kollektion von Fred Perry, sein eigenes Logo AM liess er ins Hemd sticken.
«Ich fühle mich jetzt bereit, ein Grand-Slam-Turnier zu gewinnen», betont Murray. Angst vor Roger Federer kennt er schon gar nicht. Schliesslich hat er ihn zuletzt viermal in Folge geschlagen. Und nach dem Triumph von Queens, übrigens dem ersten eines Briten seit 1938, stichelte er: Er habe Federer wohl ein bisschen in Panik versetzt. Ausserdem sei Federer keineswegs der beste Rasenspieler, das sei Pete Sampras.
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