Schweizer Shoppingcenter: Es braucht mehr Notfallübungen

Präsident des Einkaufscenter-Verbands fordert Konsequenzen.

Benjamin Weinmann
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Verbandspräsident Jan Tanner. Foto: HO

Verbandspräsident Jan Tanner. Foto: HO

Schweiz am Wochenende

Die Kunden im Olympia-Einkaufszentrum wollen in Ruhe ihre Besorgungen machen. Im Apple Store unbeschwert einen neuen Computer, bei C&A eine neue Hose oder bei Dunkin’ Donuts ein Dessert kaufen. Bis die Schüsse fallen und der Horror beginnt.
Jan Tanner kennt die Notfallszenarien von Einkaufszentren. Er ist Präsident des Branchenverbands Swiss Council of Shopping Centers. Von 2009 bis 2015 leitete er das Basler Zentrum Stücki im Auftrag der deutschen Firma ECE, der auch das Münchner Olympia-Center gehört und die rund 180 weitere Einkaufstempel in Deutschland und ganz Europa betreibt. Für Tanner ist klar: «So ein schrecklicher Vorfall kann jederzeit auch in einem Schweizer Shoppingcenter geschehen.»
Mit Polizei und Feuerwehr
Doch Tanner betont auch, dass sich die Schweizer Shoppingcenter auf solche Situation vorbereiten. «Einmal pro Jahr wird in Zusammenarbeit mit der Polizei und Feuerwehr eine Notfallübung durchgeführt.» Nur die Centerleitung und die Behörden wüssten jeweils, wann sie stattfindet. Für das Personal in den Geschäften und die Kunden kommt sie unangekündigt, gewöhnlich zu einer Randzeit, um bei der Kundschaft keine allzu grosse Panik zu verursachen und den Shoppingfluss nicht zu stören.
Dabei würden verschiedene Szenarien durchgespielt. «Vergangenes Jahr handelte es sich im Stücki zum Beispiel um einen Eindringling mit Rauchpetarden, die Polizei war mit echten Waffen vor Ort.» Wichtig sei, dass die Übung möglichst realistisch wirke, um für den Ernstfall bereit zu sein. «Aber am Schluss bleibt es eine Übung.»
Deshalb sieht Tanner Handlungsbedarf: «Fälle wie München zeigen uns, wie wichtig das Thema Sicherheit auch in Shoppingcentern ist. Eine Notfallübung pro Jahr ist meiner Meinung nach das absolute Minimum. Besser wären zwei oder drei, dieser Aufwand lohnt sich.» Dies würde laut Tanner auch Sinn machen, weil in den Geschäften regelmässig das Personal wechsle.
Panik gilt es zu vermeiden
Die Center-Leitung müsse für die entscheidenden Momente bereit sein, sagt Tanner. «Sie muss entscheiden können, wie sie die Kunden und das Personal über die Lautsprecher in Sicherheit leiten kann.» Um Panik zu vermeiden, achte man auch auf den Sprachgebrauch. «Anstatt von einer Bombendrohung spricht man eher von einem technischen Problem und fordert die Leute auf, das Center zu verlassen.»
Auch Jörg Engeler, Leiter Center Management Deutschschweiz beim Immobiliendienstleister Wincasa, betont die Wichtigkeit der regelmässigen Notfallübungen. Wincasa betreibt rund 80 Shoppingcenter in der Schweiz, unter anderem das Sihlcity in Zürich, die Shoppingarena in St. Gallen und La Praille in Genf. «Je mehr solche Situationen trainiert werden, desto besser würde das Notfallkonzept im Ernstfall greifen», sagt Engeler.
Bald Metalldetektoren?
In grösseren Centern wie im Sihlcity führt Wincasa nebst der jährlichen Übung mit Blaulichtorganisationen auch eigenständige Übungen durch. «Wir machen schon jetzt viel, aber natürlich tauchen mit jedem Vorfall neue Fragen auf. Auch die Frage, ob es mehr Sicherheitspersonal und Taschenkontrollen braucht, werden wir mit den Behörden besprechen müssen.»
In Israel beispielsweise sind Metalldetektoren und Taschenkontrollen in Geschäften gang und gäbe. Für Jan Tanner sind dies langfristig auch in der Schweiz mögliche Massnahmen, die schon heute an Branchenkonferenzen und -seminaren diskutiert werden.
Ein heikles Thema ist laut Tanner die Kameraüberwachung, da viele Kunden nicht überwacht werden wollen. Viele Kameras in Shoppingcentern seien hingegen nur Attrappen zur Abschreckung von Dieben. «Manche Einkaufscenter werden aber nun wohl prüfen, diese zu aktivieren.»
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