Schwarzpeterspiel um die Sicherheit für Schweizer Juden

Jüdische Gemeinden sind besonders terrorgefährdet. Doch konkrete Massnahmen fehlen.

Christoph Bernet
Drucken
Synagoge in Zürich: Trotz gestiegener Sicherheitskosten der jüdischen Gemeinden lassen sich die Behörden Zeit mit echter Hilfe. Foto: Keystone/Alessandro Della Bella

Synagoge in Zürich: Trotz gestiegener Sicherheitskosten der jüdischen Gemeinden lassen sich die Behörden Zeit mit echter Hilfe. Foto: Keystone/Alessandro Della Bella

Schweiz am Wochenende

Sicherheitsfragen rücken wegen der sich häufenden Terroranschläge in Europa zuoberst auf die Prioritätenliste der Politik. Immer wieder stehen jüdische Ziele im Fokus der dschihadistischen Attentäter. So etwa beim Angriff auf das jüdische Museum in Brüssel 2014 und einen koscheren Supermarkt in Paris im Januar 2015. Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) schreibt in seiner aktuellen Analyse, dass es zwar weiterhin keine konkreten Hinweise auf eine direkte Bedrohung der Schweiz gebe. Die Bedrohungslage für die Schweiz sei aber erhöht, und die Möglichkeit eines Anschlags könne nicht ausgeschlossen werden: «Jüdische Interessen auf Schweizer Territorium sind besonders bedroht.»
Im Dezember vergangenen Jahres kündigte der damalige Verteidigungsminister Ueli Maurer eine Arbeitsgruppe an, die aufzeigen sollte, wie der Schutz jüdischer Einrichtungen konkret verbessert werden könnte. Recherchen der «Schweiz am Sonntag» zeigen, dass in dieser Hinsicht seither wenig passiert ist – das Thema wird wie eine heisse Kartoffel zwischen den föderalen Ebenen hin- und hergereicht. Derweil sind die Sicherheitskosten für die jüdischen Gemeinden in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen.
«Wichtigkeit des Austausches»
Das Fedpol, das auf Bundesebene die Federführung beim Thema übernommen hat, verweist darauf, dass für die Wahrung der öffentlichen Sicherheit und den Schutz von privaten Einrichtungen – rechtlich gesehen sind jüdische Gemeinden private Vereine – die Kantone auf ihrem Gebiet souverän seien. Bei der Konferenz der kantonalen Polizeikommandanten (KKPKS) heisst es lediglich, dass der Schutz jüdischer Einrichtungen vor dem Hintergrund der Ereignisse in Nachbarländern thematisiert worden sei. Dabei sei insbesondere die Wichtigkeit des Austausches zwischen den Behörden und Institutionen festgehalten worden.
Nachholbedarf in der Schweiz
Konkrete Ergebnisse von Ueli Maurers Ankündigung sind keine auszumachen. Das Fedpol verweist auf mehrere Treffen zwischen den Sicherheitsbehörden von Bund und Kantonen und Vertretern der jüdischen Organisationen. An diesen Treffen habe das Fedpol die verfassungsrechtlichen Zuständigkeiten im Sicherheitsbereich und die eigenen Handlungsmöglichkeiten dargelegt.
«Die jüdische Gemeinschaft hätte sich kreativere Lösungsvorschläge von Behördenseite gewünscht», sagt Jonathan Kreutner, Generalsekretär des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes (SIG), Teilnehmer an besagtem Treffen. Der SIG begrüsse die Einladung zu einem Erfahrungsaustausch. Man stehe am Anfang eines Prozesses, bei dem es um komplexe Fragen gehe, die noch nicht alle geklärt seien. Der Bund anerkenne zwar das Sicherheitsbedürfnis der jüdischen Gemeinden. Doch im Vergleich zum europäischen Ausland täten die hiesigen Behörden weniger. Nach wie vor gelte: «Wir fordern mehr Unterstützung von staatlicher Seite.»
FDP-Nationalrätin Corina Eichenberger wünscht sich eine grundsätzliche Analyse der derzeitigen Situation. Diese müssten die betroffenen Kantone zusammen mit den jüdischen Gemeinden angehen, unter Einbezug von Fedpol und KKPKS: «Dabei muss auch eine finanzielle Beteiligung an den Sicherheitsmassnahmen der jüdischen Gemeinden geprüft werden.» Hier sei auch ein finanzielles Engagement des Bundes denkbar.
Mehr Themen finden Sie in der gedruckten Ausgabe oder über E-Paper