Schicke Alternative

In Graubünden entstehen kleine Fertighäuser, die nicht unter das Zweitwohnungsgesetz fallen

Beat Schmid
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Steht normalen Ferienhäusern in nichts nach: Blick in ein Mobilhomeder Schreinerei Uffer. Foto: Uffer AG

Steht normalen Ferienhäusern in nichts nach: Blick in ein Mobilhomeder Schreinerei Uffer. Foto: Uffer AG

Schweiz am Wochenende

Ferien in freier Natur -- wer wünscht sich das nicht? Doch seit Annahme der Zweitwohnungsinitiative ist der Ferienwohnungstraum praktisch ausgeträumt -- zumal für all jene, die einen schicken Neubau einer überteuerten Altwohnung vorziehen, die den Charme der 1970er-Jahre verströmt. Jetzt haben innovative Geister aus Graubünden ein Modell entwickelt, das Anlass zur Hoffnung gibt. Das Zauberwort heisst Mobilhome – mobile Wohneinheiten, die nicht unter das rigide Zweitwohnungsgesetz fallen.
In einem Inserat auf einer Immobilienplattform steht verheissungsvoll: «Wir erfüllen Ihnen den Traum vom Eigenheim in einem der schönsten Erholungsgebiete des Kantons Graubünden». Die Computerillustrationen zeigen moderne Holzhäuser, die in einem neuartigen Wohnpark in Rona GR auf der Julierstrecke zwischen Savognin und Bivio entstehen. Erworben werden können die Bauten bei einer lokalen Schreinerei in Savognin. Produzent Enrico Uffer fertigt in seiner modernen Werkstatt die Holzelemente und führt sie zu einem Ganzen zusammen. Komplett ausgestattet mit Küche und Bad kosten die Module zwischen 135 000 (2-Zimmer-Variante) und 180 000 Fr. (3 Zimmer). «Die meisten Interessenten, die ein Musterhaus angeschaut haben, wollen gleich eines kaufen», sagt seine Frau, die ebenfalls im Betrieb arbeitet.
Die kleinen Fertighäuser stehen gewöhnlichen Ferienhäusern in nichts nach, weder in Bezug auf Komfort noch auf Wohnfläche. Aber sie haben den entscheidenden Vorteil, dass sie nicht von der amtlichen Vermessung erfasst werden und damit nicht im Wohnungsregister auftauchen. Und gemäss jetzigen Erkenntnisstand nicht unter die Zweitwohnungsgesetzgebung fallen.
Die über 180 Quadratmeter grossen Parzellen werden ganzjährig vermietet. Die Parkvorschriften erlauben es, um die Parzellen herum Hecken anzulegen. Das klingt zwar ein wenig nach Camping, hat damit aber wenig zu tun. Es stehen Wasser, Elektrizität und Kanalisationsanschluss zur Verfügung. Die Häuser werden mit speziellen Verankerungen in den Boden geschraubt. Räder wie ein Wohntrailer haben sie nicht. Bei Bedarf können die Häuser innerhalb vernünftiger Zeit aus den Verankerungen gelöst, verladen und an einem anderen Ort wieder aufgestellt werden.
Im Wohnpark von Rona gibt es ein Restaurant und ein Langlaufzentrum. Wer im Winter Ski fahren will, muss mit dem Bus Richtung Savognin oder Bivio fahren oder über den Julier ins Engadin. Es versteht sich von selbst, dass die bei Uffer gebauten Module wintertauglich sind. Für Wärme sorgt eine eingebaute Pelletheizung. Da die Banken keine Hypotheken für die Häuser vergeben, müssen die Käufer die Anschaffung aus dem eigenen Sack berappen. Die Häuser sind so teuer wie ein Luxusauto – nur ohne Räder, dafür aber mit Doppelbett und Dusche.
Dass der Rona-Park realisiert werden kann, ist der liberalen Camping-Gesetzgebung im Kanton Graubünden zu verdanken. Laut dem Chef des Graubündner Amts für Raumentwicklung, Richard Atzmüller, gibt es im Kanton keine eigentliche Camping-Verordnung. Es gebe entsprechende Zonen und Baugesetze, die von den Gemeinden eingehalten werden müssten.
Vieles scheint möglich. Ganz im Unterschied zum Camping-Kanton Tessin, wo ein Modell wie in Rona nicht möglich wäre. Im Tessin müssen fest installierte Chalets zwingend vermietet werden, wie der Tessiner Campingplatz-Betreiber und Präsident des Campingverbandes, Mila Merker, sagt. Dass ein Chalet nur von einer Familie benutzt würde, sei nicht erlaubt. Jahresmieten seien zwar auch im Tessin möglich, doch dann müssen die mobilen Behausungen Räder haben.
Atzmüller sagt, dass im Zweitwohnungsgesetz klar bezeichnet sei, was eine «Wohnung ist und was nicht». Sogenannte Fahrnisbauten gehörten nicht dazu, sagt er. «Mobilhomes können als solche bezeichnet werden, solange sie nicht fest mit dem Boden verbunden werden beziehungsweise rasch abmontierbar sind.» Sie erschienen dann auch nicht in der amtlichen Vermessung, weil sie eben nicht fest mit dem Boden verbunden seien. Zentrales Kriterium des Zweitwohnungsgesetzes sei das Gebäude- und Wohnungsregister. Darin würden nur Bauten aufgenommen, die auch in der amtlichen Vermessung erfasst seien, sagt Atzmüller. Ganz entscheidend sei deshalb, ob ein Gebäude vermessen werde oder nicht.
Es gibt also durchaus Argumente, wonach Mobilhomes wie in Rona nicht unter das Zweitwohnungsgesetz fallen und somit auch an anderen Orten aufgestellt werden könnten. Für Rona stellt sich die rechtliche Frage ohnehin nicht, da der Wohnpark 2012 bewilligt wurde.
Das Interesse an Mobilhomes sei «relativ gross», so Schreiner Uffer. Die Bedürfnisse der Kunden hätten sich in den letzten Jahren geändert. Interessierte möchten sich nicht für Jahre binden und suchten nach flexiblen Lösungen. Insgesamt hat er bereits 20 schlüsselfertige Module gebaut. Wird mit Mobilhomes die Zweitwohnungsinitiative umgangen? Uffer beantwortet das so: «Wir wollen keine Umgehung der Zweitwohnungsinitiative provozieren. Wir halten uns an die Regeln, die uns von der Politik vorgegeben werden.»
Klar ist, dass seit der Annahme der Initiative im Jahr 2012 der Wind viel steifer geworden ist. «Wir spüren momentan einen enormen Preisdruck und eine grosse Verunsicherung. So langsam gehen die aufgestauten Aufträge aus, und es kommt nichts nach», sagt Uffer. 2016 werde nicht einfach, und Besserung ist nicht in Sicht. Uffer ist überzeugt: «Es wird eine grosse Strukturbereinigung geben. Das ist aber bekanntlich auch der Startschuss für neue Ideen.»
Und zum Schluss meint der Schreiner aus Savognin: «Ehrlich gesagt, seit der Zweitwohnungsinitiative sind wir als Betrieb einiges innovativer und besser geworden.» Bisher gibts nur den Park in Rona. Bestrebungen in anderen Tourismusregionen gibts. Momentan sei Rona das einzige bewilligte Projekt, so Atzmüller.
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