Die Heimatkundliche Vereinigung wird 50. Ihre Zeitzeugen lagerte sie einst an den kuriosesten Orten.
Briefmarken und Kugelschreiber sammeln viele. Nur die wenigsten können hingegen 12 000-jährige Baumstrünke, eine Pfeilspitze aus der Jungsteinzeit oder einen gebrannten Ziegel aus der Römerzeit zu ihrer Sammlung zählen. Die Heimatkundliche Vereinigung Birmensdorf (HVB) hingegen kann das.
Seit einem halben Jahrhundert sammelt sie Kulturschätze und stellt sie im Ortsmuseum aus. Am 9. März feiert die Vereinigung ihr 50. Jubiläum. Ohne sie wären etliche Zeitzeugen unter dem Gewicht alter Bauernhäuser zerdrückt und dort für immer begraben worden.
Auslöser für die Gründung der Vereinigung waren die Birmensdorfer. Mitte des letzten Jahrhunderts waren diese nämlich sehr besorgt. Immer mehr Industriebetriebe zogen in ihre Heimat, während sich die Landwirtschaftsbetriebe langsam auflösten.
Sie befürchteten, dass Ihre Nachkommen keinen Einblick mehr in das alte Dorfleben erhalten würden. «Also begannen sie, Geräte aus Landwirtschaft, Haushalt und Gewerbe zu sammeln», erzählt Bruno Hutter.
Er war früher Lehrer und trat der Vereinigung bei, weil für seinen Geschichtsunterricht kein Material existierte. Also musste welches her. 32 Jahre lang war er Mitglied. «Man nennt mich die graue Eminenz», sagt Hutter lachend.
Der Urvater der Vereinigung war aber der Historiker Alvin Jäggli, der sich in den Sechzigerjahren in Birmensdorf niederliess. Bald schon begeisterte ihn die Geschichte der Gemeinde und er begann, sich genauer damit zu befassen.
Hätte es ihn nicht gegeben, hätte sich eine lose Gruppe von kulturell interessierten Sammlern am 26. August 1966 wohl nie zur Heimatkundlichen Vereinigung zusammengeschlossen.
Jäggli wurde ihr erster Obmann und legte Ziele und Zwecke fest: Vorträge und Exkursionen sollten veranstaltet, eine Schriftenfolge herausgegeben und eine Sammlung in einem Dorfmuseum der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
Doch genau an diesem Punkt haperte es. Denn ein Museum gab es nicht. Also suchte man nach Lagerorten: Estriche und Keller mussten als vorübergehende Sammellager herhalten. «In verschiedenen Schaufenstern im Dorf fanden erste kleine Ausstellungen statt», sagt Präsidentin Käthi Keller. Diese Lokale hatten jedoch auch grosse Nachteile.
«Sobald man die Lagerorte anderweitig brauchte, musste man das Sammelgut umquartieren. Das war ein riesiger Aufwand», so Keller. Der Werkdienst und Dorfvereine wie Feuerwehr oder Turnverein packten bei den «Umzugsaktionen» mit an.
Auch Arbeitslose halfen mit
1974 kam dann die Erlösung. Endlich war ein Platz für das Ortsmuseum gefunden: Die Gemeinde Birmensdorf stellte der Vereinigung die ehemalige Drechslerei Wismer zur Verfügung. Nun begannen die grossen Restaurationsarbeiten des Gebäudes. Zu dieser Zeit war Reinhard Möhrle die dominierende Figur in der HVB. «Ohne ihn wäre gar nichts gelaufen», sagt Hutter.
So setzte der Lehrer und Lokalhistoriker seine vielen Beziehungen ein und engagierte für die Arbeiten rund ums Museum beispielsweise Arbeitslose eines ihm bekannten Stellennetzes. Auch jemand, der ein Verkehrsdelikt begangen hatte, konnte ein «soziales Praktikum» im Museum leisten. So konnte das Museum 1976 pünktlich zur Feier «1100 Jahre Birmensdorf» mit seiner ersten Ausstellung «Unser Dorf» eröffnet werden.
In den nächsten 20 Jahren wurden unter Möhrles Führung fleissig alte Kulturschätze gesammelt. Bald war die Sammlung so gross, dass wechselnde Ausstellungen wie «Leinenhemd und Himmelbett» oder «Seidenzwirn und Mottenkugel» und andere im Dorfmuseum präsentiert werden konnten.
Als Lagerraum für all diese «Schätze» stellte die Gemeinde 2002 eine Scheune zur Verfügung. «Erst herrschte noch ein grosses Chaos. Die Gegenstände waren kaum geordnet», erinnert sich Hutter. Heute sieht es komplett anders aus.
«Anfangs war ich nicht gross am Museum interessiert. Doch plötzlich zog es mir den Ärmel rein.»
Die Scheune ist keine Sammelgrube mehr, sondern wurde zum Schaulager «Museumsscheune» umfunktioniert, das die Besucher an Tagen der offenen Tür besichtigen können. «Jetzt herrscht Übersicht.
Die Gegenstände sind alle thematisch geordnet», sagt Keller. Ausserdem arbeite man dank der Digitalisierung vermehrt mit visuellen Elementen, auch aus dem Internet. Zu einem Thema suche man zum Beispiel Texte und Bilder und laminiere diese dann als Anschauungsmaterial. So auch in der kommenden Ausstellung «Säen», die im Mai eröffnet wird.
Acht Mitglieder, die meisten davon Senioren, kümmern sich aktuell um die wechselnden Ausstellungen in der Museumsscheune und die Dauerausstellung im Museum. «Insgesamt sind wir in der Vereinigung 120 Leute», so Hutter. Die Arbeitsgruppe steckt unzählige freie Stunden in Aufbau und Pflege des Museums.
Fast nur pensionierte Lehrer
Früher wurden die Arbeitseinsätze der Mitglieder jeweils spontan geplant. «Oft rief mich der Museumsleiter kurzfristig an und fragte mich, ob ich am Abend Zeit hätte, ihm zu helfen», so Hutter. Er ist froh, dass die Einsätze heute besser geplant werden. «Jeden Dienstagmorgen arbeiten wir miteinander », sagt er.
Als Senior weiterhin für die Vereinigung zu arbeiten, schätzt er besonders. «Ich habe eine sinnvolle Beschäftigung nach dem Lehrerberuf gefunden und bin nicht in ein Loch gefallen», so Hutter. Auch Käthi Keller gab viele Jahre lang mit Leib und Seele Schule.
Dass die Vereinigung sehr lehrerlastig ist, ist kein Zufall: Viele Lehrer werden von ihren Kollegen angefragt, ob sie nicht nach der Pensionierung mitmachen möchten. So auch Keller. Anfangs war sie nicht gross am Museum und den gesammelten Gegenständen interessiert. «Doch plötzlich zog es mir den Ärmel rein», sagt sie und strahlt. Was Kulturschätze nicht alles bewirken können.