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Auf der Schiessanlage Lachmatt in Muttenz vermischten sich beim Feldschiessen Schiesssport und Politik. Angesichts von neuen Waffengesetzen der EU und stetig sinkenden Teilnehmerzahlen kommt der Schiesssport immer mehr unter Druck. Dennoch oder gerade deshalb kamen die Schiessfreunde am vergangenen Wochenende in Muttenz in Scharen.
Es knallt. Schweizerfähnchen schnellen in die Höhe. «Halt Feuer durch. Wir kommen zum zweiten Seriefeuer», tönt es aus dem Lautsprecher. Es riecht nach Schiesspulver. Ernst Howald liegt auf dem Boden, das Gewehr in der linken Schulter eingegraben. Howald ist 93 Jahre alt und nimmt am Feldschiessen teil. Wie seit 1964 jedes Jahr. «Das gehört dazu», sagte er vor seinem Einsatz. Er geniesse die Kameradschaft hier. Nun liegt er da, eine lederne Jacke gibt ihm Stabilität, der alte Karabiner liegt auf einem Holzböckchen. «Karabiner sechs Patronen laden», heisst es vor dem letzten Seriefeuer. Sechs Schüsse müssen in sechzig Sekunden abgefeuert werden. Howald tut wie ihm geheissen, lädt die Patronen und wartet. «Gewehre anschlagen, Feuer», auf Kommando donnern die Schüsse los. Eine Minute lang konzentriertes Schiessen. Für Ernst Howald sollte es in diesem Jahr nicht zur Auszeichnung reichen.
Weil die EU strengere Regeln für Waffen beschlossen hat, muss auch die Schweiz das Waffenrecht verschärfen. Noch ist aber nicht klar, in welchem Rahmen die Schweiz das Waffengesetz umsetzen wird. Die Schützen stören sich vor vor allem
am Verbot von 20-Schuss-Magazinen und dem Erwerb von Armeewaffen, der eingeschränkt werden soll.
Jedes Jahr nehmen schweizweit tausende Schützinnen und Schützen am Feldschiessen teil. Doch nun sehen die Schützen ihr Fest von aussen bedroht. Das neue Waffengesetz stelle das Feldschiessen und das Schützenwesen insgesamt infrage (siehe Box links). Und so wurde im Vorfeld das Feldschiessens auch in den sozialen Medien zu einer politischen Veranstaltung erhoben. «Gerade dieses Jahr ist die Teilnahme am Feldschiessen mehr als nur Schützenpflicht. Es ist eine laute Demonstration für unser weiterhin liberales Waffenrecht», heisst es etwa auf der Seite «Finger weg vom Schweizer Waffenrecht».
Einer, der dem Gesetz skeptisch gegenüber steht, ist Stephan Wullschleger. «Es heisst immer, dass die Vereine froh sein müssten, wenn das neue Waffengesetz die Mitgliedschaft in einem Schützenverein bedingt. Vielleicht kommen dann aber auch die Falschen zu uns. Wir wollen keine Rambos», sagt Wullschleger. Ist es eine patriotische Pflicht, in diesem Jahr mitzumachen? Er winkt ab. «Schiessen ist ein Sport.»
Wullschleger ist Mitglied der Feuerschützen aus Basel. Eine altehrwürdige Gesellschaft. Mit aktivem Vereinsleben und um die 300 Mitglieder, erzählt Wullschleger. 30 bis 40 würden sich jede Woche zum Pistolenschiessen treffen. Sein Verein kennt denn auch keine Nachwuchsprobleme. Gerade sei wieder eine Gruppe Junger in den Verein eingetreten. «Wir haben seit Jahren das ungefähr gleiche Durchschnittsalter in unserem Verein.» Das Pistolenschiessen sei halt etwas dynamischer, und darum wohl attraktiver für den Nachwuchs. Die Zahlen aus dem Baselbiet bestätigen diese Aussage: Seit Jahren liegen die Teilnehmerzahlen bei den Pistolenschützen im gleichen Rahmen. Doch das ist nur die halbe Wahrheit.
«Alle ans Feldschiessen!», steht seit Jahren auf den Werbeplakaten fürs Feldschiessen geschrieben. Darüber lächeln sich eine Frau — in der typischen Schiessjacke — und ein Mann an. «Alle ans Feldschiessen!», ein Aufruf, der je länger je weniger Wirkung zeigt. In den letzten Jahren sank die Teilnehmerzahl am Feldschiessen stark. Waren es 2005 noch 4900 Teilnehmer im Baselbiet, nahmen im letzten Jahr noch 4100 Schützinnen und Schützen teil. Der bisherige Tiefpunkt war ein Jahr zuvor, als 3900 teilnahmen. Vor allem bei den Gewehrschützen zeigt sich ein klares Bild. Der Rückgang beträgt über 850 Schützinnen und Schützen in den letzten 11 Jahren.
Und trotzdem ist der Parkplatz der Schiessanlage Lachmatt in Muttenz ist am Samstagmorgen überfüllt. Vor dem Schützenhaus: Ein Getränkestand, mit Vereinsstandarten markierte Festbänke, ein rot-weiss gestreiftes Zelt, vor dem sich Schützen aufstellen. Waffenkontrolle ist angesagt, bevors zum Munitionsfassen geht. 18 Schuss gibts, je nach Gewehrtyp ist das Kaliber anders. 72 Punkte können maximal erreichen werden. Wer gut trifft, bekommt einen Kranz überreicht.
Mit dabei ist auch Ursula Filipovic. Früher als Biathletin unterwegs, ist sie heuer das erste Mal am Feldschiessen. «Ich wollte es einmal ausprobieren», sagt sie. Und schoss gleich in beiden Disziplinen, Gewehr und Pistole, mit. Beim Gewehrschiessen ohne Erfolg, wie sie lachend zugibt. Fürs Pistolenschiessen braucht sie noch ein wenig Geduld. Die Wartezeiten sind lang.