Wohnungen werden als Investitionsobjekt gekauft – Banken warnen.
Anatol Abansir* hat sich eine Wohnung gekauft, die er nicht selber bewohnen, sondern vermieten will. Das moderne 3,5-Zimmer-Apartment mit Loggia befindet sich in einer der grössten Überbauungen der Schweiz, dem Richti-Areal in der Zürcher Vorwortgemeinde Wallisellen mit insgesamt 500 Wohnungen.
«An der Börse zu spekulieren, ist viel zu unsicher – Immobilien dagegen ein sicheres Investment», sagt Abansir, der bereits eine Wohnung besitzt, die er mit seiner Familie bewohnt. Im Moment kostet der Neuerwerb allerdings nur. Denn die Wohnung steht leer. Etwa ein halbes Dutzend private Vermieter bieten ihre Apartments derzeit auf Immobilienplattformen wie Homegate.ch an.
Damit konkurrenzieren sie die Vermietungsgesellschaft Sidenzia, die im Areal offiziell Mietwohnungen anbietet. Allreal, die Generalunternehmerin des Richti-Areals, weiss von den privaten Vermietern. «Wir haben Kenntnis davon, dass sowohl in eigenen Projekten und solchen, die wir für Dritte realisieren, rund 10 Prozent aller Wohnungen von privaten Käufern zur Vermietung ausgeschrieben werden», sagt Allreal-Sprecher Matthias Meier.
Immobilienexperten sprechen von einem neuen Trend: Waren es früher vor allem KMU-Unternehmer, die Wohnungen als Investitionsobjekte kauften, so seien es jetzt «zunehmend Durchschnittsangestellte», sagt ein Immobilienverwalter. Das Phänomen betrifft längst nicht nur die Agglomeration Zürich, auch in anderen Ballungsgebieten in Bern, Basel oder im Mittelland versuchen Private ihr Glück als Immobilieninvestoren.
Bei den Banken läuten bereits die Alarmglocken. Die Grossbank UBS stellt in einer Studie fest, dass in den letzten Jahren die Kreditanträge für vermietete Liegenschaften massiv zugenommen haben, von 14 Prozent im Jahr 2006 auf inzwischen 22 Prozent im ersten Quartal 2013. «Immer mehr Private entdecken Immobilien als Anlageklasse», schreiben die Ökonomen Matthias Holzhey und Elias Hafner. Der Grund für die hohe Nachfrage liegt laut UBS im aktuellen Zinsumfeld, das die Renditen von sogenannten Buy-to-let-Investitionen «attraktiv scheinen» lassen. Doch die Ökonomen warnen: Die Kosten seien häufig höher als angenommen, und das Mietwachstum wird gerne überschätzt. Viele Investoren liessen sich von den vergangenen «zehn goldenen Jahren» leiten, wo Wertsteigerungen von jährlich 4 Prozent die Gesamtrendite auf 6,5 Prozent hochdrückte.
«Doch hohe Renditen in der Vergangenheit sind keine Garantie für zukünftige Erträge», schreibt die UBS. So seien im boomenden Immobilienmarkt der letzten Jahre die Preise für Wohneigentum stärker gestiegen als die Angebotsmieten für vergleichbare Objekte, was die Renditen auf 2,8 Prozent drückt. An besonders begehrten Lagen werden die Renditen noch weiter gedrückt. Laut der UBS liegen die Nettoanfangsrenditen etwa in Bagnes (Verbier) bei «mickrigen» 1,3 Prozent.
Anatol Abansir hofft, dass er die Wohnung doch noch vermieten kann. Die Lage direkt neben dem grossen Glatt-Einkaufszentrum sei attraktiv. Irgendwann später könne er ja auch mit seiner Frau dort einziehen.
* Name von der Redaktion geändert
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