Zuschauer verloren sie alle in den letzten Jahren, inhaltlich aber werden die wichtigsten SRF-Politformate sehr unterschiedlich beurteilt. Langjährige Politjournalisten geben der «Rundschau» die beste Note.
Beim Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) herrscht Feierstimmung. Am Mittwoch flimmerte erstmals die erneuerte «Rundschau» über den Bildschirm. Am Freitag beging die «Arena» ihr 20-Jahr-Jubiläum. Und am Donnerstag wird das Flaggschiff, die «Tagesschau», 60 Jahre alt.
Geht es nach den fünf erfahrenen Politjournalisten, welche die vier grossen Politsendungen für «Schweiz am Sonntag» benoten, hat das SRF aber nur bedingt Gründe, die Korken knallen zu lassen. Vor allem bei der «Arena». Sie erhält die Note «ungenügend». Vier Journalisten geben ihr unisono eine 3 – und Res Strehle, Chefredaktor des «Tages-Anzeigers», sagt: «Die ‹Arena› schaue ich nicht.» Am pointiertesten fällt die Kritik von Ringier-Publizist Hannes Britschgi aus, früher selbst Fernsehmacher: «Das gegenwärtige Format ist schon länger – hart gesagt – klinisch tot.»
Die besten Noten erhält die «Rundschau». Sie wird mit einer 5 (gut) beurteilt. Knapp dahinter folgt die «Tagesschau» mit einem Notenschnitt von 4,8. Sie sei «solid» (Strehle) und «immer noch von einiger Relevanz», wie es David Sieber formuliert, Chefredaktor der «Südostschweiz». Am meisten scheiden sich die Geister an «10 vor 10» (Note: 4,3). Von Strehle und Britschgi erhält das Magazin eine 5, von Sieber nur eine 3,5.
An politischer Relevanz, darin sind sich die Journalisten einig, hat SRF mit allen Formaten verloren. Das zeigt sich schon an der Entwicklung der Zuschauerzahlen: Sie sind bei allen Sendungen rückläufig.
Für Politgeograf Michael Hermann hängt das in erster Linie mit einem generellen Zerfall der Autoritäten zusammen. Dieser zeige sich auch beim SRF. Die «Tagesschau» sei noch die letzte Autoritäts-Bastion: «Sie ist am zeitlosesten, am nüchternsten, am unbestrittensten.» Grundsätzlich sei TV im Internet-Zeitalter zu einem Medium unter vielen geworden – «und hat stark an Relevanz verloren». Der Relevanzverlust des SRF hängt für Hermann aber auch mit der «massiven Boulevardisierung» zusammen, die alle Medien erfasst hat. «Sie hat aber vor allem die Stellung des Fernsehens untergraben.»
Hermann beobachtet auch ein eigenes Verschulden der SRF-Spitze. Bei seinem Amtsantritt als SRG-Generaldirektor am 1. Januar 2011 habe Roger de Weck eine starke Erwartungshaltung geweckt, was die politische Berichterstattung betreffe. «Ausser dem Talk von Roger Schawinski wurde politisch praktisch nichts gemacht», sagt er. Journalisten wie «Blick»-Bundeshausredaktor Henry Habegger bemängeln auch, mit Ausnahme der «Rundschau» sei es das hauptsächliche Bestreben aller Politformate, «keine Fehler zu machen». Dieses «bieder-bünzlige Angsthasen-Fernsehen» werde offensichtlich von den aktuellen Chefs gewünscht.
Die SRF-Chefs selbst widersprechen dem Urteil, an Relevanz verloren zu haben. «Wir stehen stets unter Beobachtung», sagt Diego Yanez, Fernseh-Chefredaktor. «Das zeigt, dass wir noch immer eine sehr hohe Relevanz haben.» Auch hält er fest, das SRF habe «weit und breit den mit Abstand höchsten Anteil von Info-Sendungen öffentlicher Anstalten». Zudem hätten sich die Zahlen der meisten Infosendungen 2013 positiv entwickelt. Zur Kritik, das SRF wolle vor allem Fehler vermeiden, sagt «Tagesschau»Redaktionsleiter Urs Leuthard: «Glaubwürdigkeit ist unser höchstes Gut.»
Yanez betont, das SRF wolle «zu den gestandenen, wertvollen Marken Sorge tragen, sie weiterentwickeln». Bei «Tagesschau» und «10 vor 10» mit Vertiefungen. «Und bei der ‹Rundschau› unternehmen wir grosse Anstrengungen, um sie zu stärken. Wir investieren mehr Mittel in die Recherche.» Und was sagt er zum Sorgenkind «Arena»? «Das Format ist absolut tauglich und lebendig», sagt Yanez. «Selbstverständlich machen wir uns aber im stillen Kämmerlein Gedanken, wie man die ‹Arena› weiterentwickeln kann.»
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