In der Krise sucht der Wintertourismus neue Wege. Eine lang verschmähte Idee soll das Skifahren fit machen für die Internet-Generation.
Die Forderung klingt lächerlich. Nach drei Stunden Unterricht, nicht erst nach einer Woche, sollen Anfänger auf einfachen Pisten Ski fahren können. Doch Laurent Vanat, Genfer Experte für Wintertourismus, verlangt genau das: Anfänger sollen Skifahren schneller lernen können. «Es braucht eine Revolution in den Schulen, wenn dieser Sport wieder populärer werden will.»
Neue Unterrichtsmethoden seien entscheidend, um etwa Chinesen auf die Skipisten zu holen. Vanat, der weltweit Tourismusunternehmen berät, sagt: «Viele Chinesen wollen einen Winter erleben und dabei auch einmal auf Ski gestanden haben.» Da könne man nicht erwarten, dass diese Gäste mehrere Tage für das Lernen aufbringen. «Will man sie für den Skisport begeistern, muss die erste Erfahrung ein erfreuliches Erlebnis sein und keine Qual.»
Für Vanat muss der Wintertourismus zwingend neue Wege gehen. Denn die Anzahl der Skitage, die einheimische und ausländische Gäste in Europa verbringen würden, sinke seit vielen Jahren. Auch in der Schweiz. «Das wollte lange niemand wahrhaben und bis vor kurzem haben die Statistiken gefehlt.» Heute sei es nicht mehr zu bestreiten. Der Wintersport habe es mit einer neuen Generation von Kunden zu tun, sagt Vanat.
«Als Konsumenten sind sie vom Internet geprägt: alles soll schnell, einfach und bequem sein.» Das Skifahren müsse an diese Erwartungen angepasst werden. «Diese Generation will nicht drei Tage lernen müssen, bevor sie Skifahren geniessen kann.» Heute würde 80 Prozent der Anfänger die erste Erfahrung als ‹schlecht› bezeichnen. Bessere Methoden würden selten eingesetzt, so Vanat, seien aber bereits vorhanden. Eine Schule, die es beispielhaft vormache, gebe es in Villars-sur-Ollon, einem Kurort in den Waadtländer Voralpen.
Gegen den Widerstand vor Ort
Die «Villars Ski School» ist das geistige Enkelkind des Amerikaners Clif Taylor; Gebirgsdivisionär im 2. Weltkrieg, später Skilehrer. In den 50er-Jahren entdeckte er, dass seine Schüler dank kurzen Ski deutlich schneller lernten. Nach wenigen Stunden verliessen sie den Übungshang bereits und fuhren in simplen Parallelschwüngen die Piste herunter. Später meisterten sie längere Ski. «Graduated Length Method, GLM» taufte Taylor das; und gab ein Buch dazu heraus: «Instant Skiing».
Doch Taylor konnte sich nicht durchsetzen. Zwar kämpfte er damals mit missionarischem Eifer für seine Idee und schien zunächst Erfolg zu haben. Ende der 60er-Jahre wurde diese von einem Dutzend Ski-Resorts übernommen. Dann schlug das Establishment zurück. Kritische Artikel erschienen, der traditionsbewusste Verband der US-Skilehrer setzte die eigene Methode durch. Taylor verschwand von der Bildfläche und mit ihm zunächst das Lernen mit kurzen Ski.
Einige schillernde und leicht exzentrische Figuren nahmen die Kurz-Ski-Methode auf. Heute gibt es in Europa eine Handvoll solcher Schulen. In Frankreich etwa wurde die Methode eingeführt von Pierre Gruneberg, einem der letzten Star-Sportlehrer. Im Sommer arbeitete Gruneberg an der Côte d’Azur als Schwimmlehrer von Berühmtheiten wie U2-Sänger Bono oder Modedesigner Domenic Dolce.
Die «Villars Ski School» wurde in den 70er-Jahren von Skilehrer Jacques Stump gegründet. Die offizielle Schule von Villars hatte von der neuen Methode nichts wissen wollen, die Stump anwenden wollte. Also gab er seine Arbeit als Professor am exklusiven Berginternat «Beau Soleil» auf, wo Eltern heute jährlich 100 000 Franken für ihre Kinder ausgeben müssen. Stumps neue Schule war die erste unabhängige Skischule der Schweiz und damals eine kleine Sensation im beschaulichen Villars.
Die «Villars Ski School» hatte Erfolg. Rund hundert Skilehrer arbeiten heute dort, fast alle Schüler werden nach der Kurz-Ski-Methode unterrichtet. Der Direktor, Martin Deburaux, sagt: «Mit unserer Methode haben die Schüler von Anfang an Spass, was entscheidend ist.» Sonst würden viele Einsteiger unnötigerweise aufgeben. Leider habe die Methode jedoch nicht Schule gemacht. «Vielleicht, weil die Skiwelt sehr traditionsbewusst ist, neue Ideen haben es da sehr schwer.»
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