Jan Schoch hat sich mit seiner Leonteq verspekuliert – jetzt droht ihm der Rauswurf.
Minus 75 Prozent. So stark sind die Aktien von der Zürcher Finanzfirma Leonteq in diesem Jahr gefallen. Kein anderer namhafter Titel an der Schweizer Börse wurde dermassen abgestraft. Mittendrin im Sturm die Raiffeisenbanken. Sie engagierten sich stark bei dem gestrauchelten Börsenüberflieger, der einst über 3 Milliarden Franken wert war. Heute sind es noch 560 Millionen.
Die engen Bande zwischen Raiffeisen und Leonteq, die auf Finanzderivate spezialisiert ist, hat vor allem mit der Nähe von zwei Männern zu tun: Ex-Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz und Leonteq-Gründer und Minderheitsaktionär Jan Schoch. Vincenz ist seit diesem Jahr Verwaltungsratspräsident von Leonteq. Beide kommen aus der Ostschweiz und haben ihren Wohnsitz im steuergünstigen Appenzell.
Die Beziehung wird durch die jüngsten Entwicklungen auf eine harte Probe gestellt. Diese Woche musste Leonteq eine happige Gewinnwarnung herausgeben, die Aktien sackten um fast 30 Prozent ab. Brisant ist: Erst vor wenigen Wochen hat die Leonteq-Führung am Investorentag noch kein Wort über den desaströsen Geschäftsgang verloren. Das Unternehmen erwartet für das zweite Halbjahr einen Verlust. Dass die Leonteq-Führung erst vor kurzem über den schlechten Geschäftsgang Kenntnis hatte, glaubt in der Finanzszene niemand.
Hat das Management unter Jan Schoch die Leonteq-Anleger hinters Licht geführt? In der Branche werden sehr harte Worte in den Mund genommen. Das Unternehmen verteidigt sich: «Am Investor Day gab es noch keine Indikation, dass eine Gewinneinbruchmeldung nötig würde.» Sehr wahrscheinlich wird die Schweizer Börse die Umstände, die zur Gewinnwarnung geführt hatten, genau unter die Lupe nehmen. Und sie wird auch verdächtigen Transaktionen nachgehen müssen, die in den Vortagen des 19. Dezembers getätigt wurden, als urplötzlich die Handelsumsätze der Aktien und Warrants in die Höhe schnellten.
Für Raiffeisen wird das Engagement zum Albtraum
Für Vincenz sind die jüngsten Ereignisse ein Desaster. Als Präsident trägt er die volle Verantwortung. Mehr noch: Als ehemaliger Raiffeisenchef war er die treibende Kraft hinter dem Engagement bei Leonteq. In mehreren Schritten erhöhte die Genossenschaftsbank die Anteile auf zuletzt 29 Prozent. Der Schaden geht in die Millionen. Einst war der Anteil über eine Milliarde wert, heute sind es noch 163 Millionen.
Ausbaden muss das der jetzige Raiffeisen-Chef Patrik Gisel. Der Nachfolger von Vincenz kann die chaotischen Zustände nicht länger dulden – zumal er selbst im Verwaltungsrat der Finanzgesellschaft sitzt und somit eine Mitverantwortung trägt. Er wird darauf pochen müssen, dass Schoch seinen Posten schnellstmöglich räumt.
Der Druck auf Vincenz steigt. Wie die «Schweiz am Sonntag» erfahren hat, machen Investoren massiv Druck. Für sie ist Schoch verantwortlich für die verpatzte Kommunikation und den Absturz an der Börse. «Jetzt muss Vincenz schnell handeln», sagt ein Vertreter eines Grossinvestors. Sie wollen Patrik Gisel auf ihre Seite ziehen, um zusammen Schoch zu stürzen.
Vincenz sitzt in der Tinte. Er muss sich entscheiden: Wendet er sich gegen seinen Schützling und schickt ihn in die Wüste; oder hält an ihm fest – und geht mit ihm unter. Schoch selbst sieht sich in der Lage, Leonteq weiterhin zu führen, richtet die Firma aus. «Der CEO und der VR-Präsident arbeiten gerade auch in dieser Situation sehr gut zusammen.»
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