NZZ ist weniger als 200 Millionen wert

Die Marktkapitalisierung des Verlagshauses ist gesunken. Dabei werden allein die Liegenschaften mit 175 Millionen bewertet.

SaW Redaktion
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Das Traditionsblatt ist so wenig wert wie schon lange nicht mehr: 194 Millionen Franken beträgt die derzeitige Marktkapitalisierung der NZZ-Mediengruppe. Ein erstaunlich tiefer Wert: Nur schon an liquiden Mitteln lagen bei der NZZ Ende letzten Jahres 182 Millionen Franken in der Kasse. Damit wollte die NZZ das Portal jobs.ch übernehmen, wurde aber von Tamedia und Ringier überboten.
An Eigenkapital verfügte die NZZ Ende 2012 über 418 Millionen Franken, Grundstücke und Bauten wurden mit einem Nettobuchwert von 175 Millionen Franken gelistet. Vor einem Jahr war die NZZ-Aktie mit 6085 Franken noch 21 Prozent teurer als heute. Vor zwei Jahren, nachdem ein 1:10-Split durchgeführt worden war und Galenica-Mann Etienne Jornod das Verwaltungsrats-Präsidium übernommen hatte, war die Aktie sogar 8500 Franken wert.
Wäre die NZZ-Mediengruppe eine Aktiengesellschaft wie jede andere, stünden die Raider angesichts der aktuellen Bewertung Schlange. Die Vinkulierungsbestimmungen halten jedoch Investoren fern, für die das Medienhaus eine Goldgrube wäre: Nicht mehr als 1 Prozent des Aktienkapitals darf ein einzelner Aktionär besitzen, zudem sind Parteimitglieder ausserhalb der FDP vom Aktionariat ausgeschlossen.
Andere Medientitel entwickelten sich positiver. Die Tamedia weist heute eine Marktkapitalisierung von 1,1 Milliarden Franken und damit fast sechsmal mehr als die NZZ-Mediengruppe aus. Die Aktie des Tages-Anzeiger-Verlags konnte dieses Jahr leicht zulegen und ist weit entfernt von den historischen Tiefständen mitten in der Krise 2009. Die AZ Medien AG, zu der auch die «Schweiz am Sonntag» gehört, hat eine Marktkapitalisierung von 120 Millionen Franken.
Edwin van der Geest, Sprecher der «IG Freunde der NZZ», sieht zwei Gründe für das Tief der NZZ-Aktie: Einerseits spiegle der Kurs die Verunsicherung gegenüber der Entwicklung des Medienmarktes. Andererseits tue die NZZ «gar nichts», um neue Aktionäre anzulocken. «Die Marktkapitalisierung stand bisher nicht im Fokus des Verwaltungsrats», sagt er. Die Ausgrenzung potenzieller Aktionärsgruppen durch die Vinkulierungsbestimmungen sei bedauernswert. Die IG will deshalb die FDP-Klausel durch eine NZZ-Klausel ersetzen.
Auch Hanspeter Kellermüller vom Generalsekretariat der NZZ betont den Einfluss der Vinkulierungsbestimmungen auf die Aktie. Die Bestimmungen dienten der Sicherung der Unabhängigkeit und hätten deshalb hohe Priorität. Die deutliche Unterbewertung der NZZ-Aktie sei seit Jahren Tatsache. Bei anderen Medienunternehmen wie Tamedia oder Axel Springer sei der Aktienkurs auch von der Entwicklung weg von rein journalistischen Produkten positiv beeinflusst. Diese Medienhäuser beackerten immer stärker E-Commerce und ähnliche Geschäftsfelder. Dafür sei zwar die NZZ auch offen. «Unser primärer Auftrag ist aber der Qualitätsjournalismus.»
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