Novartis soll nicht nur beim Medikament Myfortic bestochen haben, sondern auch beim Blockbuster Glivec. Im Fall einer Verurteilung würde die Busse viel höher ausfallen.
Für Novartis wird es in den USA ungemütlich. Nach den zwei Klagen wegen Bestechung, die vergangene Woche eingereicht wurden, droht dem Basler Pharmakonzern nun noch eine dritte, ungleich gewichtigere Klage.
Gegen ihre US-Tochtergesellschaft Novartis Pharmaceuticals Corporation (NPC) laufen seit letzter Woche zwei Klagen wegen Bestechung. Im ersten Fall geht es um Schmiergeldzahlungen in Höhe von mehreren Millionen Dollar an Ärzte, im zweiten wird Novartis vorgeworfen, Apothekenketten bestochen zu haben, damit diese Patienten mit einer transplantierten Niere das teure Novartis-Medikament Myfortic statt eines günstigen Nachahmermedikaments verkauften. Novartis weist beide Vorwürfe als unbegründet zurück und will sich dagegen vor Gericht zur Wehr setzen.
Jetzt zeigen die Recherchen der «Schweiz am Sonntag», dass die Ermittlungen im Apothekenfall nicht nur das vergleichsweise nebensächliche Nierentransplantations-Medikament Myfortic betreffen, mit dem Novartis im vergangenen Jahr einen Umsatz von 579 Millionen Dollar erzielte, sondern auch zwei ihrer grössten Kassenschlager. Der New Yorker Staatsanwalt Preet Bharara verdächtigt Novartis, auch bei ihrem bestverkauften Medikament, dem Krebsmittel Glivec, bestochen zu haben. Mit Glivec, das in den USA unter dem Namen «Gleevec» vermarktet wird, erzielte der Konzern im vergangenen Jahr einen Umsatz von 4,7 Milliarden Dollar.
Bhararas Ermittlungen erstrecken sich auch auf das Multiple-SkleroseMedikament Gilenya, dessen Umsatz im vergangenen Jahr auf 1,2 Milliarden Dollar hochschnellte.
«Es handelt sich um dieselbe Untersuchung», bestätigt Novartis-Sprecher Satoshi Sugimoto die Recherchen der «Schweiz am Sonntag». In seinem Jahresbericht vom Februar hatte der Konzern die laufenden Ermittlungen verklausuliert erwähnt. Dort heisst es: «Im Jahr 2012 erhielt die NPC eine auf Zivilsachen bezogene Aufforderung der US-Staatsanwaltschaft des südlichen Bezirks von New York, Auskünfte über ihre Interaktionen mit Spezialapotheken im Zusammenhang mit bestimmten Produkten der NPC (darunter Gleevec und Gilenya) zu erteilen. Die NPC kooperiert bei dieser zivilrechtlichen Untersuchung.»
Die von Staatsanwalt Peet Bharara am 23. April eingereichte Klage bezog sich aber ausschliesslich auf Myfortic. Damit ist klar, dass die Ermittlungen im bedeutenderen Fall von Glivec und Gilenya noch am Laufen sind und Novartis eine dritte, weitaus bedeutendere Klage droht. Zum Stand der Untersuchungen wollen sich weder die US-Staatsanwaltschaft noch Novartis äussern. «Wir können keine Spekulationen darüber anstellen, ob die Regierung auch bezüglich anderer Produkte eingreifen wird», sagt Novartis-Sprecher Sugimoto.
Im Fall einer Verurteilung wegen Glivec und Gilenya droht Novartis eine noch viel höhere Busse als im Myfortic-Verfahren. Schon bei diesem dürfte die Busse nach Ansicht von Fachleuten mehrere hundert Millionen Dollar betragen. Da es bei Glivec und Gilenya um deutlich mehr Geld geht, dürfte sich die Busse hier eher im Milliarden- als im Millionenbereich bewegen. Nur schon das Bestechungssystem zur Ankurbelung der Myfortic-Verkäufe kostete laut Staatsanwalt Bharara die staatlichen Krankenversicherungen Dutzende Millionen Dollars. Von Novartis fordert er Wiedergutmachung und eine saftige Busse.
Diese könnte höher ausfallen als gewohnt, weil der Staatsanwalt das Unternehmen laut Anklageschrift als «Wiederholungstäterin» bestrafen will. Erst vor drei Jahren musste Novartis eine Busse von 185 Millionen und eine Entschädigung von 237 Millionen Dollar wegen Schmiergeldzahlungen und Falschanpreisung von sechs Medikamenten zahlen. Zudem verpflichtete sie sich in einem Abkommen mit dem Staat zu mehreren Massnahmen, um in Zukunft einen ähnlichen Fall zu verhindern.
Drastische Bussen gegen die Pharmaindustrie häufen sich in den USA. Zwischen 1987 und 2011 zahlten die Konzerne laut dem US-Justizministerium für 30 Milliarden Dollar Bussen. Die bislang grösste Busse gab es aber im vergangenen Jahr. Der britische Pharmakonzern Glaxo Smith Kline musste wegen illegaler Werbung, Bestechung und überzogener Rechnungen bei mehreren Medikamenten total 3 Milliarden Dollar zahlen.
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