RTL, RTL 2 und Pro7 würden gemäss neuem Messsystem mehr als 20 Prozent einbüssen.
Seit Anfang Jahr werden keine Einschaltquoten mehr veröffentlicht, weil das neue Messsystem für TV-Zuschauerzahlen offenbar grosse Mängel aufweist. Zu denjenigen, die gegen die Publikation der ihrer Ansicht nach falschen Zahlen kämpfen, gehören die deutschen Privatsender mit ihren Schweizer Werbefenstern. Denn gemäss gut informierten Quellen zeigen die neu erhobenen Quoten, dass Sender wie RTL, RTL 2 und Pro7 massiv Zuschauer verlieren würden. Sie würden gegenüber dem Vorjahr satte 20 Prozent, teilweise gar fast 30 Prozent der Reichweite einbüssen.
Die deutschen Sender werden vom Branchenprimus der TV-Vermarktung in der Schweiz vertreten, der Goldbach Media in Küsnacht. Zu konkreten Zahlen will sich CEO Alexander Duphorn nicht äussern, er betont aber, dass der Verwaltungsrat der Mediapulse einstimmig beschlossen habe, dass weitere Prüfungen notwendig seien. «Wir haben einzelne Ergebnisse hinterfragt, weil sie enorm von den bisher erhobenen Werten abweichen», sagt Duphorn. Dazu zählten auch die ausgewiesenen Altersstrukturen. «Die TV-Quote ist eine Währung, die absolut glaubwürdig sein muss.»
Die Werbetreibenden sind indes abgesichert. Die von Goldbach Media vertretenen Sender geben eine Leistungsgarantie. Der Kunde bleibt so lange im entsprechenden Werbeblock, bis die gebuchte Einschaltquote erreicht ist. So sind lediglich Nachschaltungen nötig, wenn die Quoten tiefer liegen als erwartet.
RTL, Pro7 & Co. sind nicht die einzigen Verlierer. Auch der zuletzt aufstrebende Sender 3+ des Schweizer Medienpioniers Dominik Kaiser hätte dramatische Rückgänge, würde das aktuelle System gelten. Ebenso die meisten regionalen TV-Sender. Die Rede ist von Verlusten bis zu 50 Prozent, vor allem bei TV-Stationen mit kleinem Sendegebiet. «Die neue Messmethode kann schlicht und einfach nicht stimmen, die Zahlen werden wohl nie offiziell publiziert werden können», sagt ein Branchenkenner. Einzig TeleBärn könnte deutlich gewinnen, auch TeleZüri würde die neue Methode offenbar nicht schaden (beide Sender gehören zu den AZ Medien, die auch den «Sonntag» herausgeben). Beim Schweizer Fernsehen SRF wiederum wird man nicht müde zu betonen, man gehe davon aus, dass die neuen Daten korrekt erhoben worden seien. Kein Wunder: Gemäss Insidern würde das SRF im Vergleich zur alten Messtechnik zulegen.
Ursprünglich war geplant, die neuen Quoten vergangene Woche zu publizieren. «Gewichtige Ereignisse der letzten Stunden» hätten zu dem Entschluss geführt, die Zahlen noch nicht bekannt zu geben, sagte Mediapulse-Verwaltungsratspräsident Marco de Stoppani an der Pressekonferenz vom Dienstag. Die Marktteilnehmer hätten die Abweichungen zum alten System als «nicht schlüssig» beurteilt. Nun sollen drei unabhängige, ausländische Experten die neuen Daten prüfen.
Die mit der Messung der TV-Quoten beauftragt Mediapulse AG hat das System zu Jahresbeginn geändert. Das bisherige, auf analoges Fernsehen ausgerichtete Verfahren musste mit einem zeitgemässen ersetzt werden.
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