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Der Kanton plant Mindestfallzahlen für Brustkrebsoperationen. Das «Limmi» fordert weitere Kriterien.
Frauen, die an Brust- oder Eierstockkrebs erkranken, sollen im Kanton Zürich künftig nur noch in einigen wenigen Kliniken und Spitälern operiert werden. So plant die kantonale Gesundheitsdirektion, die mit der neuen Spitalliste 2012 eingeführten Mindestfallzahlen auf weitere Eingriffe auszudehnen – unter anderem auf Operationen an gynäkologischen Tumoren oder an Brustkrebs (siehe Kontext). Wie der «Tages-Anzeiger» kürzlich berichtete, bestehen aufgrund laufender Verhandlungen mit Fachärzten und Spitalvertretern zwar noch keine konkreten Mindestfallzahlen für diese Operationstypen.
Der kantonale Gesundheitsversorgungsbericht 2015 verweist jedoch auf wissenschaftliche Studien, wonach bei der operativen Behandlung von Brustkrebs pro Spital und Jahr mindestens 50 Eingriffe vorgeschrieben werden sollten. Im gleichen Bericht werden für das Spital Limmattal für das Jahr 2014 deutlich unter 50 operative Behandlungen von Brustkrebs ausgewiesen. Droht dem «Limmi» deshalb der Verlust des kantonalen Leistungsauftrags zur Durchführung von Brustkrebsoperationen? «Nein, die Einführung einer Mindestanzahl von 50 Fällen hat aus unserer Sicht keine Konsequenzen», sagt Spitaldirektor Thomas Brack. Denn das Spital habe 2014 nicht unter 50, sondern über 60 Operationen durchgeführt und werde auch in Zukunft auf diese Anzahl von Eingriffen kommen. «Die im Versorgungsbericht abgebildete Zahl ist darum aus heutiger Sicht nicht korrekt», sagt Brack. Tatsächlich führte das «Limmi» 2014 gemäss einer aktualisierten Liste der Gesundheitsdirektion 64 Brustkrebs-Eingriffe durch.
Mit der Einführung von Mindestfallzahlen möchte der Kanton Zürich komplexe medizinische Leistungen bei jenen Spitälern und Klinken konzentrieren, die dafür über die nötige Praxis verfügen. Damit soll die Qualität der Eingriffe erhöht und die Sterblichkeitsrate gesenkt werden. 2012 wurden für rund 30 hochspezialisierte Operations-Typen, etwa Speiseröhren-, Herz- oder Bauchspeicheldrüsenchirurgie, Mindestfallzahlen eingeführt. Spitäler, welche weniger als die vorgeschriebene Anzahl Fälle pro Jahr behandelt haben, werden seither nicht mehr dafür zugelassen. Die Mindestfallzahl liegt für einen Grossteil der Eingriffe ziemlich tief bei jährlich zehn Operationen. Zürich fungiert bei der Festlegung von Mindestfallzahlen als Vorreiter für die restliche Schweiz. Nationale Bestrebungen scheiterten bislang am Widerstand einzelner Spitäler. (hae)
Zertifikat ist besser für Qualität
Grundsätzlich, so Brack, schätze das Spital Limmattal die Pläne zur Weiterentwicklung der Mindestfallzahlen positiv ein und befürworte diese. Allerdings wird aus Sicht des Spitaldirektors bei Operationen von Brustkrebs und gynäkologischen Tumoren «schon heute in den Spitälern eine hohe Qualität erreicht». Um diese weiter zu steigern, habe die Zertifizierung eines Brustzentrums wohl eine umfassendere Wirkung, da dabei «nebst den Mindestfallzahlen der gesamte Behandlungsprozess geprüft wird».
Zurzeit ist das Spital Limmattal daran, ein eigenes Brustzentrum, in dem eine fachübergreifende Versorgung bei Brustkrebs und Brusterkrankungen angeboten wird, von der Krebsliga Schweiz zertifizieren zu lassen. Rund 100 Qualitätskriterien muss ein solches Zentrum erfüllen, damit es das gemeinsam von der Krebsliga und der Schweizerischen Gesellschaft für Senologie herausgegebene Zertifikat erhält. Dazu gehört, dass Behandlung und Betreuung von einem interdisziplinären Team durchgeführt werden. Das Label stellt aber auch Anforderungen an die Erfahrung des Teams: Mindestens 125 Brustkrebspatienten muss ein zertifiziertes Zentrum jedes Jahr betreuen. Hat das Spital Limmattal mit seinen knapp 70 Brustkrebsoperationen pro Jahr damit überhaupt eine Chance auf das Zertifikat? «Die Zählweise der Krebsliga unterscheidet sich von jener der Gesundheitsdirektion. Neben Operationen werden andere Therapieformen, etwa Chemotherapie, hinzugezählt», sagt Brack. Man sei deshalb überzeugt, dass das Spital die Anforderungen auch bezüglich der Fallzahlen erfüllen werde.
Individuelle Fallzahlen beachten
Laut Spitaldirektor Brack sollten nicht nur bei Brustkrebsoperationen, sondern auch bei anderen Eingriffen neben den Fallzahlen eines Spitals weitere Kriterien zur Qualitätsbeurteilung herangezogen werden. Wichtig seien auch die Erfahrungen des einzelnen Arztes, also die Fallzahlen pro Operateur, sowie gewisse Qualitätsindikatoren, sagt Brack. Zu diesen Indikatoren gehöre beispielsweise der langfristige Erfolg einer Behandlung. Brack plädiert dafür, individuelle Fallzahlen und weitere Kriterien miteinzubeziehen, «um Qualitätsanforderungen sicherzustellen und Fehlanreizen durch gesteigerte quantitative Zielsetzungen entgegenzutreten». Sinnvoll könne auch eine Kombination zwischen institutionellen Fallzahlen und jenen des einzelnen Operateurs.
Dieser Ansicht ist auch der Kanton, wie aus dem aktuellsten Bericht zur Gesundheitsversorgung hervorgeht. «Bei gewissen Eingriffen ist der Operateur mindestens so wichtig wie das Team oder allenfalls noch wichtiger», heisst es darin. Und: Gemäss Studien sollten pro Jahr und Operateur 20 Fälle vorgeschrieben werden.