Im Herbst katapultierte sich Breel Embolo ins Rampenlicht – im FCB-Trainingslager in Spanien spricht er zum ersten Mal über sein neues Leben.
Sind Sie gut darin, Entscheidungen zu treffen?
Breel Embolo: Das fällt mir nicht schwer, wobei ich erst entscheide, wenn ich voll überzeugt bin. Deshalb habe ich auch noch nie etwas bereut.
Sie mussten im letzten Halbjahr zwei wichtige Entscheide fällen. Zuerst die Vertragsverlängerung beim FCB: Wie lange mussten Sie überlegen?
Überhaupt nicht. Für mich war im Voraus klar, dass ich in Basel meinen Weg machen will. Ausser natürlich, der FCB hätte etwas dagegen gehabt (lacht).
Bei Ihrem Berater haben mehrere Vereine ihr Interesse deponiert – wie viel wussten Sie davon?
Ich habe davon gehört und mich mit ihm darüber unterhalten. Wir waren uns einig, dass es der falsche Zeitpunkt wäre, den FCB zu verlassen. Den Rest hat mein Berater mit der Klubleitung abgewickelt, ich habe nur unterschrieben.
Die Frage, ob Sie künftig für die Schweiz oder Kamerun spielen, hat wochenlang die Schlagzeilen beherrscht. War das belastend?
Solange ich den Schweizer Pass nicht hatte, versuchte ich, das Thema von mir fernzuhalten. Das gelang mal besser, mal weniger gut. Dass ich den Pass früher als gedacht erhalten habe, hat mich etwas überrumpelt. Im Nachhinein bin ich froh, dass es noch im letzten Jahr passiert ist und ich den Kopf frei hatte für die Ferien und für die Rückrunde.
Bei wem haben Sie sich Rat geholt?
Mit meiner Familie in der Schweiz und mit meinem Vater in Kamerun habe ich viel darüber gesprochen. Auch meine Mitspieler beim FCB haben mir geholfen. Auch kamerunische Nationalspieler haben sich bei mir gemeldet.
Warum der Entscheid für die Schweiz?
Ich war wirklich hin- und hergerissen, ich hatte Lust auf beide Nationalmannschaften. Mit meiner Familie habe ich Pro- und Kontra-Argumente aufgelistet. Dass ich mich am Schluss für die Schweiz entschieden habe, war kein Entscheid gegen Kamerun, sondern für die sportlichen Perspektiven und weil mein Leben in der Schweiz stattfindet.
Spürten Sie Druck aus Kamerun?
Nein. Länger gesprochen habe ich nur mit Nationaltrainer Volker Finke. Es waren gute Gespräche, ohne dass er mir Druck gemacht hat. Darum habe ich ihn auch persönlich über meine Entscheidung informiert. Ich wollte nicht, dass er es aus den Medien erfährt.
Gab es nach der Absage negative Reaktionen aus Kamerun?
Wir wollten ursprünglich über die Festtage hinfliegen, haben uns dann aber dagegen entschieden. Es wäre für mich in dem Moment schwer gewesen, mit den Leuten dort darüber zu sprechen. Aber ich habe nichts Negatives gehört – die, mit denen ich telefoniert habe, waren zwar enttäuscht, haben aber alle Verständnis gezeigt.
Und wie haben die Schweizer reagiert?
Als es raus war, habe ich mein Handy einen halben Tag zur Seite gelegt. Unglaublich, was das ausgelöst hat! Am wichtigsten war, dass meine Familie und Freunde hinter mir stehen. Auch wenn einige von ihnen mich lieber im Kamerun-Trikot gesehen hätten.
Sie gelten hierzulande als grösstes Stürmertalent aller Zeiten. Wie gehen Sie um mit den Lobgesängen?
Das spornt mich an, hart zu arbeiten, damit weiterhin so über mich geschrieben wird. Mein Ziel ist es, einer der besten Stürmer der Schweiz zu werden. Aber ich habe noch nichts erreicht, noch kein einziges Länderspiel absolviert.
Junge Spieler laufen Gefahr, abzuheben.
Wenn man kein gutes Umfeld hat, bestimmt. Ich habe meine Teamkollegen, die ein Auge auf mich haben. Zu Hause hat meine Mutter uns Kindern eingetrichtert, bescheiden zu sein.
Musste Sie Marco Streller schon mal daran erinnern, dass Bälle holen weiterhin zu Ihren Pflichten gehört?
Sprüche gibt es immer, aber die sind nie ernst gemeint. Ich kenne die Regeln in einer Mannschaft.
Sie sind in Kamerun geboren und haben dort die ersten sechs Jahre gelebt. Woran erinnern Sie sich?
Meine Eltern haben sich getrennt. Kurz darauf ist meine Mutter in die Schweiz gezogen und ich habe mit meinem Bruder bei einer Tante gelebt. Ein halbes Jahr später sind wir ihr nach Basel gefolgt. Mehr weiss ich nicht mehr.
Haben Sie noch oft Kontakt zu Ihrem Vater in Kamerun?
Ja, wir verstehen uns sehr gut. Wie gesagt: Mit ihm habe ich auch über die Frage diskutiert, für welches Land ich spielen soll. Natürlich hätte er gerne gesehen, dass ich künftig für Kamerun auflaufe. Aber er hat meine Argumente verstanden und hat mich ermutigt, das zu tun, was ich für richtig empfinde.
Fiel es Ihnen schwer, Kamerun zu verlassen?
Das glaube ich nicht, sonst hätte es mir meine Mutter erzählt. Ich habe mich in erster Linie gefreut, wieder bei ihr zu sein. Als Kind gewöhnt man sich schnell an ein neues Leben – man geht zur Schule und findet schnell Anschluss, die Sprache habe ich auch rasch gelernt. Meine Mutter war damals schon sehr «schweizerisch» und hat geschimpft, wenn ich mit dreckigen Kleidern nach Hause gekommen bin.
Haben Sie je Rassismus erlebt?
Im Quartier, wo ich aufgewachsen bin, wohnten Familien aus allen möglichen Ländern. Herkunft oder Hautfarbe spielten überhaupt keine Rolle. Später gab es in Spielen ab und zu Sprüche wegen meiner Hautfarbe. Wobei ich denke, dass das aus Frust geschah und nie böse Absicht dahintersteckte.
Beim FC Nordstern Basel, Ihrem ersten Verein, heisst es, dass Sie als Kind nur schwer zu bändigen gewesen seien. Ihr Rauswurf war sogar ein Thema.
Ich war damals sehr lebendig und für jeden Streich zu haben. Einige bezeichnen das als schwer erziehbar, andere als völlig normal für dieses Alter.
Bestand je die Gefahr, dass Sie auf die schiefe Bahn geraten?
Meine Mutter war sehr streng und hat mich kontrolliert – gleichzeitig hat sie mir auch viele Freiheiten gelassen, weil sie mir nicht zutraute, dass ich abdrifte. Zudem hat mein grosser Bruder immer auf mich aufgepasst.
Heute schwärmen die Mitspieler von Ihrem Anstand und Ihrer Bescheidenheit.
Als ich in der U13 zum FC Basel kam, merkte ich schnell, dass ich ernsthafter sein und auf andere hören muss. Das bedingte, dass ich meinen Kollegen auch mal absagen musste. Zum Glück habe ich das so früh realisiert, sonst wäre es schwierig geworden mit der Profikarriere.
Was wäre sonst aus Ihnen geworden?
Keine Ahnung. Darüber habe ich mir nie Gedanken gemacht.
Warum wohnen Sie im Wohnhaus für FCB-Junioren und nicht zu Hause?
Als ich in die U16 kam und sich eine Profikarriere abzeichnete, bekam meine Mutter eine Stelle in Pruntrut. Ich musste wählen: Entweder pendle ich jeden Tag nach Basel oder ich bleibe. Wir haben entschieden, dass ich ins Wohnhaus gehe. Als meine Mutter zurück nach Basel zog, blieb ich im Wohnhaus, weil mir der Tagesablauf dort guttut.
Wann wird es Zeit für die eigene Wohnung?
Noch gefällt es mir gut im Wohnhaus. Doch bald werde ich 18. Dann ziehe ich vielleicht mit meinem Bruder in eine eigene Wohnung. Oder wir ziehen wieder als Familie zusammen.
Sind Sie reifer als andere 17-Jährige?
Ich verbringe am meisten Zeit mit meinen älteren Mitspielern. Dadurch mache ich gewisse Erfahrungen viel früher als Gleichaltrige. Ich bekomme oft zu hören, dass ich viel älter wirke.
Am Tag nach Ihrem ersten Champions-League-Tor gegen Ludogorez Rasgrad sind Sie statt ins Training in die Berufsschule gegangen. Wie haben Ihre Mitschüler und Lehrer reagiert?
Sie haben am Abend zuvor alle das Spiel gesehen und fragten, was ich hier tue und warum ich nicht im Training bin.
Was haben Sie geantwortet?
Dass mein Leben nicht nur aus Fussball bestehe und es für mich wichtig sei, dass ich die Lehre zum Büroassistenten abschliessen kann. Im Sommer bin ich fertig – dann gibt es nur noch Fussball.
Mussten Sie in den Pausen Autogramme geben?
Ja, das kam vor.
Auch den Lehrern?
Ja, aber sie baten mich dafür ins Lehrerzimmer.
Sind Sie ein Frauenschwarm?
Bei Facebook schreiben mir viele Mädchen, aber das ist mir zu unpersönlich. Spricht mich ein Mädchen im Ausgang an, rede ich mit ihr – so bin ich erzogen worden. Aber zurzeit habe ich sowieso nur Augen für den Fussball.
Geht am Fussballhimmel ein neuer Stern auf, sind Profiteure sofort zur Stelle.
Ich unterscheide zwischen Freunden und Kollegen. Meine Freunde lade ich nach Hause ein, Kollegen treffe ich auswärts. Im Herbst haben tatsächlich fremde Menschen mit mir Kontakt aufgenommen – aber die verweise ich einfach an meinen Berater.
Sie verdienen neuerdings viel Geld. Können Sie damit umgehen?
Mein Bruder, meine Mutter und mein Berater passen auf mich auf. Jede Investition bespreche ich mit meiner Familie.
Apropos Berater: Wie ist Ihre Zusammenarbeit mit Erdin Shaqiri, Xherdan Shaqiris Bruder, zustande gekommen?
Vor drei Jahren, ich war in der U15, ist er auf mich zugekommen. Damals haben wir einen ersten Mandats-Vertrag unterschrieben. Einen weiteren, bevor ich im Herbst beim FCB verlängert habe. Wir sind mittlerweile dicke Freunde.
Durch ihn haben Sie sicher Kontakt mit seinem Bruder.
Wir gehen oft essen oder treffen uns bei mir oder bei ihm zu Hause, zuletzt vor Weihnachten. Xherdan ist ein Vorbild für mich: Er hat bewiesen, dass es besser ist, nicht zu früh ins Ausland zu wechseln.
Wie hat er auf Ihren Entscheid für die Schweizer Nati reagiert?
Er hat mir gratuliert. Wir haben uns spasseshalber ausgemalt, wie wir in Zukunft zusammen spielen werden.
Am 14. Februar werden Sie 18 – was wünschen Sie sich zur Volljährigkeit?
Erst einmal will ich meine Ausbildung zum Büroassistenten abschliessen. Anschliessend werde ich so schnell wie möglich den Führerschein machen. Und sonst hoffe ich auf viele Tore!
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