Manor wollte ihr Geschäft im Kleinbasel am Samstag länger öffnen. Manor-Chef Bertrand Jungo sagt, hier fehle es Basel an internationalem Denken.
Die Basler Stimmbevölkerung hat vor Wochenfrist eine moderate Verlängerung der Ladenöffnungszeit am Samstag wuchtig abgelehnt. Weshalb?
Bertrand Jungo: Es gibt eine grosse Diskrepanz zwischen dem, was die Leute im Alltag machen, und dem, wie sie sich dazu stellen. Was heisst: Sie kaufen ganz selbstverständlich abends ein. Wenn sie sich konkret jedoch fragen, ob sie dies eigentlich brauchen, sagen sie Nein. Kommt dazu, dass das Thema durch die Gewerkschaften negativ besetzt wurde mit Argumenten, die nicht richtig sind.
Ihre Argumente fanden kein Gehör.
Die Gegner längerer Ladenöffnungszeiten lassen sich aus einem einfachen Grund besser mobilisieren als die Befürworter: Diese finden bei Tankstellenshops, Bahnhöfen und anderen Orten bereits Möglichkeiten einzukaufen, wann sie wollen.
Was heisst: Ein Teil des Detailhandels profitiert von restriktiven Regelungen?
Das ist richtig. Wichtig ist jedoch, dass wir ja nicht über die eigentlichen Öffnungszeiten abstimmen, sondern über den Rahmen, wann ein Geschäft offen sein darf. Es geht nicht um eine Verpflichtung, sondern um eine Möglichkeit. Schon heute können wir werktags bis um 20 Uhr offen haben, und längst nicht alle nehmen diese Möglichkeit wahr.
Zur Diskussion stand eine Verlängerung der Öffnungszeit an Samstagen.
Dieser Tag polarisiert am meisten. Doch auch heute könnten alle Geschäfte bis um 18 Uhr offen haben und nicht alle haben so lange offen.
Ohne jede rechtliche Einschränkungen: Wie lange hätte Manor geöffnet?
Je nach Standort. An der Greifengasse in Basel gelten andere Bedingungen als etwa in Sargans. In der Tendenz hätten wir etwas längere Öffnungszeiten. In der Romandie würde der grösste Aufholbedarf bestehen, da wir dort die strengsten Vorschriften haben. Der Rahmen ist als Anliegen formuliert: Von Montag bis Freitag bis 20 Uhr, am Samstag bis 19 Uhr. In Basel war unser Anliegen am Samstag 20 Uhr, weil wir sowohl das Potenzial als auch das Bedürfnis gesehen haben.
Wie handeln Sie in Liestal?
Wir werden werktags bis 20 Uhr und samstags bis 19 Uhr offen haben. 20 Uhr wäre nicht vernünftig. Da es keine kantonale Einschränkung gibt, könnten wir bis 23 Uhr abends öffnen, tun es aber nicht.
Und kein Problem mit dem Personal?
Wir haben beigenweise Bewerbungen von Leuten, die abends oder an Samstagen arbeiten wollen. Dieses Bedürfnis ist gross.
Ladenöffnungszeiten ist das eine, Einkaufstourismus das andere Thema, das den Detailhändler beschäftigt.
Hier ist die Situation unverändert; der Einkaufstourismus findet auf hohem Niveau statt. Neu ist, dass es bei den Leuten zur Gewohnheit geworden ist, jenseits der Grenze einzukaufen. Das werden sie beibehalten, auch wenn der Frankenkurs wieder höher liegt.
Sie haben schon einen Kurs von 1.30 gefordert.
Wir wollen nicht nach dem Prinzip Hoffnung leben, sondern schauen, was wir an den konkreten Rahmenbedingungen verbessern können. Und da sind die Ladenöffnungszeiten ein wichtiges Element.
Sie sagten auch, Manor habe sich in Basel dank dem Umbau behaupten können. Können Sie dies beziffern?
Wir geben keine Zahlen für einzelne Häuser bekannt. Was wir sagen können ist, dass wir in Basel unseren Marktanteil markant steigern konnten. Die Grenzsituation hat sich aber natürlich auch hier niedergeschlagen.
Zwei Mitbewerber kamen gar nicht aus den Startlöchern: Das Stücki und die Markthalle.
Ich will mich nicht über die Wettbewerber äussern . . .
Dieser Einwand war zu erwarten.
Von der Sache her: Die Schweiz hat nach den USA bereits die meisten Quadratmeter Verkaufsfläche pro Person. Das Angebot ist also schon sehr gross. Zweitens: Stücki rechnete fest mit ausländischen Einkaufstouristen, die in der gegenwärtigen Situation ausbleiben. Die Markthalle hatte verschiedene Risiken: Ein völlig neues Konzept, ein völlig neuer Standort. Aufgrund meiner Erfahrung kann ich sagen, dass es heute viel schwieriger geworden ist, ein neues Retailkonzept einzuführen. Bei der Markthalle kumulieren sich viele Neuerungen. Da braucht es viel Effort und Durchhaltewillen.
In diesem Umfeld hatte Manor als eingeführtes Haus einen Standortvorteil.
Es musste sich jedoch auch weiterentwickeln, modernisieren, sodass neue Kunden gewonnen und keine alten verjagt werden. Denn wir haben auch Standortnachteile; wir sind auf der anderen Seite des Rheins, haben keine Parkplätze.
Manor hat sich ja umbesonnen und ist nun auch für eine Sperrung der Mittleren Brücke für den Autoverkehr. Um damit Teil der Basler Innenstadt zu werden?
Das ist natürlich so. Uns war es immer ein Anliegen, dass die Anlieferung der Waren funktioniert. Wir denken jedoch nicht in Gross- und Kleinbasel, sondern fragen uns, was nutzt es der gesamten Stadt?
Eine autofreie Mittlere Brücke?
In der Realität ist es doch so, dass der Autoverkehr über die Mittlere Brücke kaum von Bedeutung ist. Erst nachdem ich schon zwei Jahre in dieser Stadt gelebt hatte, merkte ich, dass ich mit dem Auto über die Brücke fahren kann – notabene, als ich mit Baudirektor Hans-Peter Wessels im Gespräch war. Wir dürfen aber nicht nur ein Verbot aufstellen, sondern müssen die Brücke auch attraktiv machen.
Haben Sie Vorschläge?
Keine konkreten. Aber heute ist der Fussgängerstrom nicht geregelt. Wenn viele Leute unterwegs sind, weichen sie auf die Strasse aus, doch da kommen die Velos gefahren. Das ist nicht gelöst. Wir sind aber daran interessiert, dass die Brücke noch mehr benutzt und genutzt wird.
Wie beurteilen Sie die Qualität der Einkaufsstadt Basel?
Basel hat einen guten Mix von bekannten internationalen Marken und von lokalen Marken, lokalem Gewerbe und lokalen Geschäften. Das ist eine gute Ausgangslage. Auf der anderen Seite haben wir das Problem der Zugänglichkeit: Mit dem Auto in die Stadt kommen, bequem parkieren, shoppen – das geht in anderen Städten einfacher. Das hängt auch mit der Konfiguration der Stadt zusammen, liesse sich aber bestimmt verbessern. Ein Pluspunkt ist dafür die Erschliessung durch den öffentlichen Verkehr.
Wir reden in der Stadt auch über Parkhäuser. Gibt es im Kleinbasel aus Ihrer Sicht auch einen Bedarf?
Um es offen zu sagen: Das Parking unter der Claramatte nutzt dem Detailhandel im Kleinbasel wenig. Es ist bereits zu weit weg. Noch weiter entfernt sind das Parkhaus bei der Messe und beim Badischen Bahnhof. Einen echten Effekt hätten wir nur mit einem Parkhaus in unmittelbarer Nähe, vielleicht noch beim Claraplatz. Die Leute fahren nicht mit dem Auto zur Messe und nehmen dann das Tram. Entweder wollen sie direkt hinfahren können oder sie kommen ohnehin mit dem öffentlichen Verkehr oder dem Fahrrad.
Was vermissen Sie in der Stadt?
Ein bisschen mehr Internationalität und Generosität würden der Stadt guttun. Die Ladenöffnungszeiten sind dabei ein Thema. Aber auch bei grossen Events wäre noch einiges möglich. Grösseres Denken, internationales Denken wäre hier angebracht. Wir könnten uns auf die internationale Bühne heben, wie wir es in der Kunstszene gemacht haben. Dafür könnte die Mittlere Brücke unter Umständen ja auch die Bühne sein. Das grosse Denken, das wir etwa bei der Messe sehen können, würde der ganzen Stadt guttun. Daran müssen wir arbeiten und daran wollen wir unseren Beitrag leisten.
Ein Lob der Messe?
Die Messe präsentiert sich als Symbol für grosses, internationales und qualitativ hochstehendes Denken. Das wird grundsätzlich dazu führen, dass sich mehr Aussteller dafür interessieren werden. Das wird einen Qualitätsschub für alle Messen geben.
Eine Steigerung der Attraktivität ist zu Ihrem direkten Nutzen?
Auch. Wir unterstützen deshalb auch das Floss: Das bringt die Stadt zusammen, belebt das Rheinufer. Das Engagement basiert immer darauf: Wir sind in einer Stadt, die ein hohes Niveau verdient, und wir helfen mit das Gesamtniveau der Stadt weiter zu steigern. Es sollen nicht einzelne Bereiche den anderen hinterherhinken.
Manor unterstützt das Jazzfestival Montreux, das Festival in Lugano – weshalb sind Sie nicht bei der Avo-Session eingestiegen?
Wir haben es geprüft. Aber ein Satz zu unserer Philosophie: In bereiter Bevölkerung etwas qualitativ hochstehendes zu vernünftigem Preis zugänglich machen. Das ist notabene auch die Philosophie unserer Warenhäuser. Diese Kriterien gelten für das Sponsoring: Bei der Avo Session ist das Kriterium der breiten Bevölkerung nicht erfüllt. Das Floss entspricht genau unseren Kriterien. Das Produkt entwickelt sich qualitativ immer weiter, viele Leute haben Zugang und es ist in höchstem Mass erschwinglich, nämlich gratis. Und es erfüllt weitere Kriterien: Die Brückenfunktion zwischen Gross- und Kleinbasel, die Belebungsfunktion.
Wie steht Ihr Theater-Engagement in diesem Zusammenhang?
Es steht auf zwei Beinen. Wir ermöglichen zum einen einem breiteren Publikum einen Theaterbesuch durch die Vergünstigung von Tickets, die wir über Manor verkaufen. Wir müssen sehen, dass sich nicht alle Leute einfach einen Eintritt leisten können. Wir können einen Beitrag leisten, dass mehr Leute das Theater überhaupt entdecken. Wir kaufen Vorstellungen von Stücken, die verständlich sind. Die Leute gehen ins Theater und sind begeistert. Das zweite ist mein Engagement im Stiftungsrat: Da wir Teil dieser Stadt sind, engagiere ich mich auch persönlich für eine Sache, die mir richtig und wichtig scheint. Das Theater ist ein grossartiges Produkt, das natürlich auch seine Schwierigkeiten hat. Aber da kann ich mit meiner Sichtweise vielleicht einen Beitrag leisten, wie man das Theater voranbringen kann.
Rolando Benedick, Ihr Vorgänger als Manor-Chef, war gesellschaftlich sehr präsent. Sind Sie nun in der Region angekommen?
Wenn man aus einer anderen Region kommt, braucht es eine gewisse Zeit, bis man seine Prioritäten setzt. Ich fühle mich mittlerweile sehr wohl in dieser Region und sehe, wo ich im Rahmen meiner Möglichkeiten meinen Beitrag leisten kann.
Welches Engagement ist Ihnen besonders wichtig?
Das Theater haben wir genannt, das Floss ebenfalls. Die Swiss Indoors sind uns ebenfalls wichtig. Das ist eine Weltklasseveranstaltung. Auch hier geht uns darum, einem breiten Publikum den Traum zu ermöglichen, Weltstars spielen zu sehen. Wir nutzen den Ort natürlich auch für Merchandising und organisieren das eine oder andere Happening.
Wie beurteilen Sie Zukunft der Swiss Indoors?
Grossartig. Das Turnier ist gut aufgestellt, hat eine hohe Qualität.
Federer wird nicht mehr viele Jahre auf diesem Niveau spielen, Organisator Brennwald hat auch gewisse Jahre auf dem Buckel. Das sind Risikofaktoren.
Ich rede von der Marke und die ist grossartig und langfristig aufgestellt.
Manor besitzt einige Aktien des FC Basel und Clubpräsident Bernhard Heusler wäre wohl um ein stärkeres Engagement nicht unfroh. Eine Option?
Das ist kein Thema. Wir unterstützen den FCB indirekt über die Bandenwerbung, doch das ist ein Vertrag mit dem Schweizer Fussballverband. Aber wir haben eine grosse Verbundenheit zum Club, da auch er auch eine grossartige Marke ist, die dieser Stadt gut tut.
Sie haben ein Warenhaus im Stadion.
Manor hat mitgeholfen, den gesamten Businessplan für das Stadion zum Funktionieren zu bringen. Wir waren bereit, die Motorenrolle im St. Jakob Park zu spielen. Indirekt war dies wohl das stärkste Commitment von Manor für den FC Basel. Denn wir haben nur selten zwei Standorte in einer Stadt. Wir sind ein Risiko eingegangen, denn wir wussten nicht, wie gut dieser Standort funktioniert. Wir haben darüber gesprochen, dass es nicht einfach ist, an einem neuen Ort und auf grüner Wiese ein Warenhaus zu eröffnen.
Sie gelten persönlich als FCB-Fan.
Ich ziehe den Hut von der Marke FCB, die in den vergangenen Jahren geschaffen worden ist und die sich halten kann durch alle die Stürme der Emotionalität. Das finde ich grossartig. Es geht mir nicht um die Leistung der Mannschaft im letzten Spiel. Man muss schauen, wie die Marke aufgestellt ist.
Sie denken in Marken. Was bedeutet dies für die Region?
Für Basel müssen wir uns also fragen: Welche Leuchttürme haben wir? Die Messe, die Museen, den FCB, das Theater und die Swiss Indoors. Wo gibt es den Bedarf und das Potenzial, neue Leuchttürme zu schaffen? Bei unserem Umbau in der Greifengasse ging es darum, ein solcher Leuchtturm zu werden. Je mehr Leuchttürme es gibt, desto mehr Leute finden sich ein, desto lebenswerter und zukunftsorientierter ist die Stadt.
Eine sehr optimistische Haltung.
Ja. Dazu gehört aber dann eben auch hin und wieder eine Diskussion über Rahmenbedingungen, also über Ladenöffnungszeiten und Ähnliches. Da haben wir keinen Leuchtturm, kein internationales Denken. Ein solches grosszügiges Denken wünsche ich mir, das möchte ich unterstützen.
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