Facebook, Youtube und Instagram bringen Stars fernab von klassischen Medien hervor. Firmen wie Emmi und Samsung haben ihren Wert erkannt. Doch es gibt Gefahren.
Mit seinen selbstgedrehten Comedyclips ist der Zürcher Lehrling Bendrit Bajra quasi über Nacht zum Star geworden. Darin nimmt der Schwamendinger regelmässig Klischees von Schweizern und Ausländern auf die Schippe. Inzwischen zählt seine Facebook-Seite 180 000 Fans, und täglich werden es mehr. Seine Gefolgschaft sind junge Facebook-User, die sich ihre Stars selbst aussuchen, gegenseitig empfehlen und die traditionellen Medien links liegen lassen.
Diese wurden zuletzt auf das Facebook-Phänomen aufmerksam. Bendrit schaffte es in die «NZZ», den «Tages-Anzeiger», zu «Giacobbo/Müller» im Schweizer Fernsehen, und im Ringier-Blatt «Blick am Abend» erscheinen seit dieser Woche jeden Mittwoch sogenannte Memes – Fotos von Bendrit mit lustigen Sprüchen.
Damit hat sich der Lehrling ins Bewusstsein grosser Firmen katapultiert, die realisiert haben, dass es beim Werbeerfolg nicht nur um Leser- und Zuschauerzahlen geht. Facebook-Klicks sind die neue Währung. Bendrit hat haufenweise davon und münzt sie nun um. Seit Anfang Jahr hat er mit Farah de Tomi und Sado Maksuti ein Management im Rücken, das für ihn Werbedeals an Land zieht und 20 Prozent an den Einnahmen verdient. Der südkoreanische Handy-Riese Samsung hat Bendrit als Aushängeschild engagiert, wie de Tomi bestätigt. Als letzte Woche in einer PR-Ausgabe des «Blicks am Abend» das neue Samsung-Handy Galaxy S6 vorgestellt wurde, präsentierte die Zeitung auf der Frontseite Bendrit gleichzeitig als Kolumnisten.
Auch der Milchkonzern Emmi ist neu an Bord. «Bendrit wird Markenbotschafter der Energymilk-Drinks und tritt damit in die Fussstapfen von Roger Federer und DJ Bobo, die einst auch für Emmi warben», sagt de Tomi. Die Verträge seien vorerst auf ein Jahr ausgelegt. Zwei weitere Schweizer Grossfirmen stünden kurz vor der Unterschrift. Der Vorteil für die Partner: Sie wissen genau, welches Publikum sie via Bendrit mit ihrer Botschaft erreichen – die werberelevanteste Gruppe der 14- bis 35-Jährigen, die dank der Personendaten auf Facebook zielgenau beworben werden kann.
Branchenkenner schätzen, dass es Bendrit dieses Jahr allein mit den Sponsoringgeldern auf ein Gehalt von einer Viertelmillion Franken bringen dürfte. Zudem wird kolportiert, dass Bendrit für einen einstündigen Comedy-Auftritt 15 000 Franken kassiert. Im Februar hatte er vor einem Konzert des deutschen Rappers Bushido seine Premiere als Stand-up-Comedian gefeiert. Managerin de Tomi sagt dazu nur: «Die Höhe der Gage hängt von der Grösse des Events ab.» Zudem engagiere sich Bendrit stark für karitative Zwecke.
«Er ist auf jeden Fall der Mann der Stunde», sagt David Schärer von der Agentur Rod Kommunikation. Bendrit müsse nun seine Partner gut auswählen. Doch stelle sich die Frage, wie gross seine Halbwertszeit sei und ob er sich als Komiker profilieren könne. Kommt hinzu, dass Bendrits Erfolg Witz-Nachahmer produziert hat. Die Newcomer mit Namen wie Zekisworld, Swissmeme oder Omidamir wählen im Gegensatz zu Bendrit in erster Linie die Foto-App Instagram als Plattform. Diese gehört ebenfalls zum Milliarden-Konzern Facebook.
Im Vergleich zu internationalen Youtube-Stars sieht Bendrit jedoch klein aus. Auf der Google-Videoplattform ist der 24-jährige Felix Kjellberg mit rund 30 Millionen Abonnenten der unbestrittene König. In seinen Videos kommentiert der Schwede sich selber beim Spielen von Videogames – und verdient damit 4 Millionen Dollar pro Jahr dank Werbung, die Youtube im Umfeld seiner Videos schaltet.
Die 21-jährige Brasilianerin Melissa Lima verdient Millionen, indem sie auf Youtube neue Kinderspielzeuge vorführt. Den Schminktipps der Schweizerin Julia Graf alias MissChievous folgen 740 000 Menschen. Und Ex-Vize-Miss-Schweiz Xenia Tchoumitcheva verbreitet auf Facebook und Twitter Bilder von neuen Kleidern und wird von Modefirmen entlohnt.
Während bei Kosmetik- und Mode-Beiträgen die Produktplatzierung offensichtlich ist, ist dies bei den Clips von Bendrit nicht der Fall. Dieses Tabu hat der 19-Jährige in einem seiner neusten Beiträge gebrochen: Es ist ein versteckter Werbefilm für Samsung.
Zuerst schlüpft Bendrit wie immer in die Rolle des Schweizer Teenagers Yannick und seines Vaters. Dieser packt das neuste Samsung-Handy aus und gerät ob der vielen Vorteile gegenüber dem iPhone ins Schwärmen: «Ich finds würklich geil. Lueg mal da, Design vom Feinschtä!» Danach wechselt die Situation zur Ausländer-Familie mit dem schüchternen Bendrit und seinem mürrischen Vater. Und auch der ist vom neuen Handy begeistert.
350 000 Facebook-User haben sich das Video angesehen. Zu diesen Views kommen 17 000 Likes von Leuten, die der Film ausdrücklich gefiel, und Hunderte Shares, also geteilte Links, und Kommentare. Lukrative Zahlen. Denn in der Branche kursieren folgende Wechselkurse: 1 Like entspricht drei Franken, 1 Kommentar 10 Franken und 1 Share 15 Franken. Bei einer konservativen Rechnung erreicht der Film mühelos einen Werbewert von mehreren zehntausend Franken für Samsung.
Für Daniel Krieg von der Werbe-Agentur KSP ist der neuste Clip aber problematisch: «Bei Facebook-Stars wie Bendrit spielt die Authentizität eine enorm wichtige Rolle. Werden Werbeverträge nicht öffentlich gemacht, so könnte dies seine Fans schnell verscheuchen, egal, wie lustig der Clip ist.»
Bendrit ist sich dieser Falle bewusst: «Ich weiss, dass solche Filme gefährlich sind. Deshalb habe ich ihn zuerst meinen Freunden gezeigt und sie um ihre Meinung gebeten.» Bis jetzt habe er keine negativen Rückmeldungen erhalten. Da er seine Fans gut kenne, könne er sich auch auf sein Gefühl verlassen, wie weit er gehen könne.
Bendrit geht weiter. Im Sommer sind Auftritte an Open Airs und Festivals geplant, ab Herbst eine eigene Sendung auf Youtube. Doch diese Woche macht er erst mal Pause: «Ich werde mich zu Hause einbunkern und für meine Lehrabschlussprüfung im August büffeln.» Diese habe trotz des Hypes zurzeit Priorität. Danach wird er das Ausbleiben der 1200 Franken Lehrlingslohn gut verkraften können.
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