Bürokratie
Kinderkleidungsnorm als «Bürokratiewahnsinns» - Beispiel

Die Besitzerin eines Zürcher Kinderkleiderladens bekommt von der FDP den gegen «Bürokratiewahnsinn» gerichteten «Gaht's no!-Priis» 2011. Gerügt wird damit das kantonale Labor, das die Frau wegen zu langer Bänder an Kinderkleidchen kritisiert hat.

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Bürokratie (Symbolbild)

Bürokratie (Symbolbild)

Keystone

Bei dem von der FDP als «absurdeste Bürokratiegeschichte 2011» angeprangerten Vorkommnis, geht es um Bänder an einem Kinderkleid der Grösse 104, die 12 Zentimeter länger waren als es eine europaweit geltende Norm vorsieht.

48 statt 36 Zentimeter lang

Mitarbeiterinnen des kantonalen Labors hatten das Kleid im Juni in dem Laden zur Prüfung mitgenommen. Die Bänder an dem von einer Hobbyschneiderin genähten Kleid waren 48 statt der erlaubten 36 Zentimeter lang.

Das Labor verlangte, die Ladeninhaberin solle mitteilen, was sie tun werde, um künftig die Sicherheitsvorschriften einzuhalten. Nicole Garcia, die gerügte Ladenbetreiberin, betonte auf Anfrage, sie habe die Norm nicht gekannt, und sie deshalb beim Labor telefonisch angefordert.

Labor fühlt sich zu Unrecht angeprangert

Dort habe man ihr gesagt, diese Norm könne nicht abgegeben werden, sie müsse sich diese beim Schweizerischen Normenverband selbst beschaffen. Das bestätigt der stellvertretende Leiter des Kantonslabors, Martin Brunner, auf Anfrage: Der Bundesgesetzgeber habe diese europäische Norm für den Textilhandel verbindlich erklärt.

Diese sei aber nicht öffentlich zugänglich, sondern unterstehe dem Urheberrecht und müsse deshalb für etwa 100 Franken gekauft werden. Das Problem mit dem FDP-Preis sei, dass das Labor «als Vollzugsorgan durch diesen wenig schmeichelhaften Preis angeprangert wird», obwohl es für die gerügte Praxis nichts könne.

Zur Verfügung gestellt

«Wenn schon, müsste man dem Gesetzgeber die Frage stellen, warum er solche Vorschriften nicht öffentlich zugänglich macht, wie das bei Rechtsvorschriften eigentlich vorgesehen ist», betont Brunner. Prinzipiell sei er aber schon so, dass «jemand, der damit Geld verdient, sich über bestehende Vorschriften informieren muss».

Norm nicht gekauft

Die Vorschriften dienten schliesslich der Sicherheit der Kinder und sollten verhindern, dass Bänder an Kleidern sich beispielsweise in Rolltreppen verfangen könnten. Da die Vorschriften zudem «ziemlich detailliert» seien, sei es auch sinnvoll, wenn die Näherin und die Kleiderladenbetreiberin sie besässen.

Das aber ist laut Nicole Garcia weiterhin nicht der Fall: Sie habe sich die Norm nicht gekauft, sagte sie. Sie habe sich einfach informieren lassen. Die Kosten von 111 Franken für einen Gastaccount beim Normenverband seien ihr - zusammen mit den vom Labor in Rechnung gestellten 176 Franken - zu hoch gewesen.