Oman ist ein Märchenland wie aus 1001 Nacht mit alten Traditionen und wilden Landschaften
Achtung! Seelenruhig trotten fünf Kamele knapp vor der Kühlerhaube über die Strasse. Wie aus dem Nichts sind sie aufgetaucht. Es ist kurz vor Mittag. Das gleissende Licht blendet, und der Asphalt flimmert. Die Tiere verschwinden beinahe in der Landschaft. Rechts braune Hügel und ab und zu ein paar Häuser, links Sand und ein paar Büsche. Wir sind in Salalah im Süden Omans. Eine dünn besiedelte Gegend mit endlosen weissen Stränden. Nur ein paar Kamele kühlen sich da und dort im Arabischen Meer ab.
Bis vor kurzem war die Gegend ein weisser Fleck. Der Tourismus konzentrierte sich auf die Hauptstadt Muskat und den Norden. Seit ein umtriebiger Tourismusmanager die Schönheit Salalahs entdeckt hat, verändert sich die Region rasant. Samih Sawiris baut hier – nach dem Vorbild von El Gouna in Ägypten – eine Ferienstadt. Dafür muss alles eingeflogen werden, auch die Arbeiter. Die ersten Badeferien-Resorts haben ihre Türen bereits geöffnet. Golfplätze, Supermärkte und ein Spital sollen folgen.
Das ist ganz im Sinne von Sultan Qaboos. Der 75-jährige Monarch konnte zwar dank des Öl- und Gasreichtums sein Land nach seinen Vorstellungen prägen. Doch bereits in 15 Jahren dürften die Reserven des schwarzen Goldes aufgebraucht sein. Daher setzt er auch auf den Tourismus. Anders als in Dubai und Abu Dhabi soll es aber nicht höher, schneller und weiter sein.
So überragt in Muskat kein Haus das höchste der fünf Minarette der imposanten Sultan-Qaboos-Moschee. Dafür riecht es in den Strassen des ältesten Quartiers, in Muttrah, nach Weihrauch und Parfüm. Hier befindet sich der Souk, der von den Omanern stolz als der schönste des Orients bezeichnet wird. Hunderte von Läden reihen sich unter antiken Dachbalken im Labyrinth der Gassen aneinander, die immer enger werden, je weiter man ihnen folgt. Abends, wenn die Lichter den Gold- und Silberschmuck leuchten lassen, kommen Scharen von Familien zum Flanieren und Einkaufen hierher. Die Männer tragen ein weisses, bodenlanges Gewand, die Frauen eine Abaya; ein schwarzer Umhang sowie den Hijab, den islamischen Kopfschleier. Man wähnt sich in einem orientalischen Märchen.
Oman befindet sich allerdings täglich im arabischen Balanceakt zwischen Emanzipation und Tradition. Als 1970 Sultan Qaboos seinen despotisch herrschenden Vater stürzte, übernahm er ein verarmtes, rückständiges und isoliertes Land. Es gab keine asphaltierten Strassen und nur wenige Schulen und Spitäler. Die Menschen lebten von Ziegenhandel, Landwirtschaft und Fischerei. Heute ist Oman an der Spitze der arabischen Länder, was Bildung, medizinische Versorgung und auch Frauenrecht betrifft. «Wer die Frauen bildet, bildet das Volk», hat der Sultan mal in einer Rede gesagt. Deshalb dürfen sie Auto fahren, studieren und ohne Einwilligung der Eltern heiraten. Wie die Männer erhalten sie zudem mit 21 Jahren ein 600 m2 grosses Stück Land, auf dem sie sich ihr eigenes Haus bauen können.
Über 30 Prozent der Angestellten im öffentlichen Dienst sind heute Frauen, in der Privatwirtschaft sind es rund 20 Prozent. Doch ihr Alltag unterscheidet sich nach wie vor deutlich von dem westlicher Frauen. Ob Wartesäle im Spital, improvisierte Haltestellen für Sammeltaxis, Bibliotheken oder Restaurants: Öffentliche Räume haben meist separate Bereiche für Frauen und Männer.
Die omanische Gesellschaft ist noch immer eine traditionelle arabische. Veränderungen könnten aber bevorstehen. Der kinderlose Sultan Qaboos ist schwer krank. Seinen Wunschkandidaten für den Thron soll er in geheimen Briefen benannt haben. Ob es ein Reformer wird, ist offen.
Gegenüber Reisenden zeigen sich die Omani offen, interessiert und vor allem hilfsbereit. Es ist üblich, spontan zu Tee und Datteln eingeladen zu werden – vor allem wenn man als Selbstfahrer komplett die Orientierung verloren hat und anhalten muss, um die Karte zu studieren. Dies kommt immer mal wieder vor, denn die Strassenkarten sind hoffnungslos veraltet. Der Zauber von Oman entfaltet sich aber gerade dort, wo die Strassen keine Namen mehr tragen.
In den kleinen Fischerdörfern an der Küste, wo Meeresschildkröten ihre Eier ablegen und unzählige Festungen an die Kolonialherrschaft der Portugiesen und Briten erinnern. Oder in den Bergen im Landesinnern, die sich mehr als zweitausend Meter dem Himmel entgegenstrecken. Besonders schön sind die unzähligen Wadis, ausgetrocknete Flussläufe, wo Granatapfelbäume und Dattelpalmen wachsen.
Ein Naturspektakel findet zudem in den Sommermonaten im Süden statt. Der vorbeiziehende Monsun bringt feiner Nieselregen und verwandelt die staubige Wüstenlandschaft in eine blühende Oase.
Ein weiterer Vorteil: Die Kamelherden sind gut sichtbar, Beinahe-Kollisionen fast ausgeschlossen.
Diese Reise erfolgte mit Unterstützung von FTI Touristik.
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