Jetzt geht es um die Wurst

Metzgereien in der Region suchen verzweifelt Lehrlinge – Bell gibt sich selbstkritisch.

Rahel Koerfgen
Drucken
Immer weniger Jugendliche entscheiden sich für eine Metzgerlehre, weil deren Image schlecht ist. Foto: Keystone

Immer weniger Jugendliche entscheiden sich für eine Metzgerlehre, weil deren Image schlecht ist. Foto: Keystone

Schweiz am Wochenende

Am 15. August beginnt das neue Lehrjahr in den Kantonen Basel-Stadt und Baselland. Bereits sind rund 2000 Lehrverträge in Basel unterschrieben. René Diesch von den Mittelschulen und Berufsbildung Basel-Stadt sagt: «Das ist ein erfreulich hohes Niveau und entspricht dem Stand des Rekordjahres 2014.» Knapp 170 Lehrstellen sind noch nicht vergeben. Diesch ist aber zuversichtlich, dass diese in den kommenden vier Wochen besetzt werden können. Es falle auf, dass sowohl die Lernenden als auch die Ausbildungsbetriebe sich beim Abschluss des Lehrvertrages mehr Zeit liessen.
Weniger optimistisch gibt sich Martin Zimmermann. Er ist Inhaber der Metzgerei Zimmermann in Gelterkinden und Präsident des Metzgermeisterverbands beider Basel. «Unsere Mitglieder haben Mühe, Nachwuchs zu finden», sagt er. Die Konsequenz sei, dass immer mehr Betriebe schliessen müssten. Innert fünfzehn Jahren seien zwanzig Metzgereien in der Region verschwunden. Heute bieten die 35 verbliebenen acht Lehrstellen an; rund die Hälfte davon sei noch nicht besetzt, sagt Zimmermann. Handwerkerberufe im Allgemeinen seien nicht mehr so gefragt: «Die Jugendlichen sehen das frühe Aufstehen ebenso als Nachteil wie auch die Tatsache, dass an Feiertagen gearbeitet werden muss.» Als faul will Zimmermann diese Generation nicht bezeichnen, «aber als bequem».
Fabian Vetsch, Sprecher des Fleischverarbeiters Bell mit Sitz in Basel, ortet ein weiteres Problem: «Der Metzgerberuf leidet an einem Imageproblem, in der Gesellschaft herrscht das nicht mehr zeitgemässe Bild einer ‹blutigen› Tätigkeit vor.» Die Branche habe in der Vergangenheit zu wenig Anstrengungen unternommen, um die Vorzüge des Fleischfachmanns herauszustreichen, gibt er sich selbstkritisch. Auch bei Bell sind in diesem Bereich noch zwei von acht Lehrstellen offen. Vetsch sagt dazu: «Es sind tendenziell tatsächlich weniger Lernende geworden, dafür sind es gute angehende Berufsleute. Sie schliessen besser ab als früher.»
Eltern favorisieren Bürojob
Reto Baumgartner, Bereichsleiter Berufsbildung beim Gewerbeverband Basel-Stadt, ist das Nachwuchsproblem der Metzger bekannt. Alle Berufe, bei denen man sich die Hände «dreckig» mache, seien in der Beliebtheitsskala der Jugendlichen nicht sehr weit oben: «Zu Unrecht, denn gut ausgebildete Handwerker sind auf dem Arbeitsmarkt gesucht. Sie finden immer einen Job.»
Bei der Berufsberatung Basel-Stadt glaubt man zudem, dass es nicht nur an den Jugendlichen liege, wie Fachstellenleiter Lars Hering sagt: «Die Eltern spielen bei der Entscheidungsfindung eine grosse Rolle. Immer wieder stellen wir fest, dass ein handwerklich begabtes Kind zu einem Bürojob ermutigt wird.» Die Eltern gingen davon aus, dass ihr Spross damit einen Job auf sicher habe und gut verdiene. «Aber gerade im kaufmännischen Bereich werden heute viele Stellen ins Ausland verlagert. Das ist bei den Handwerkerberufen eher selten der Fall.» Hering stellt weiter fest, dass zunehmend junge Erwachsene um die 25 Jahre seine Fachstelle für eine Laufbahnberatung aufsuchen würden. «Für den zweiten Bildungsweg wird auch öfter nach Handwerkerberufen gefragt.» In diesem Alter sei es «cool», zum Beispiel ein moderner Bäcker oder Schreiner zu werden.
Der Metzgermeisterverband beider Basel will nun seine Bemühungen dahingehend intensivieren, dass sich Jugendliche bereits auf dem ersten Bildungsweg für eine Metzgerlehre entscheiden. An der Vorstandssitzung vor sechs Wochen wurde beschlossen, ehemalige Schnupperlehrlinge und andere Interessierte proaktiv anzugehen, sagt Zimmermann. «Seit vergangenem Herbst habe ich in meinem Betrieb zehn Schnupperlehrlinge gezählt. Das ist sehr ermutigend. Ich will sie in den nächsten Tagen und Wochen kontaktieren und für eine Lehre ermutigen.» Der Verband lege dafür eine Datenbank mit den entsprechenden Adressen an. Zimmermann selbst konnte aber seine zwei ausgeschriebenen Lehrstellen besetzen.
Jenzer mit gutem Image
Neben den Klagen gibt es auch positive Ausnahmen: Die Metzgerei Jenzer mit Filialen in Arlesheim, Muttenz und Reinach hatte wie schon im vergangenen Jahr keine Probleme, Lehrlinge zu finden. Sie beschäftigt ab Mitte August neun Lehrlinge, darunter sei neuerdings und erfreulicherweise eine Frau, sagt Inhaber Christoph Jenzer. «Metzgersöhne aus der ganzen Schweiz lassen sich bei uns ausbilden.» Er führt dies auf das gute Image seines Betriebs, aber auch auf «grosse Anstrengungen» zurück: «Wir bieten Kurse für Kinder im Rahmen des Ferienpasses an, veranstalten Tage der offenen Türe und ermöglichen unseren Angestellten die Berufsmatur.» Jenzer antwortet per Mail aus den Ferien. Er kann sich zurücklehnen, da er beide offenen Lehrstellen besetzen konnte. Für die anderen geht es jetzt um die Wurst.
Mehr Themen finden Sie in der gedruckten Ausgabe oder über E-Paper