«Ich sehe mich nicht beim SRF»

Tele-Züri-Chef Markus Gilli (58) über seine Wahl zum «Journalisten des Jahres» – und seine Vorbilder.

Yannick Nock
Drucken
Markus Gilli hinter den Kulissen des Tele-Züri-Studios. Foto: Alex Spichale

Markus Gilli hinter den Kulissen des Tele-Züri-Studios. Foto: Alex Spichale

Schweiz am Wochenende

Herr Gilli, was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie von Ihrer Wahl zum «Journalisten des Jahres» erfahren haben?
Markus Gilli: Das hat mich einfach riesig gefreut, weil ich es nicht für möglich gehalten hatte. Als Mitglied eines Regionalsenders habe ich mir kaum Chancen eingeräumt.
Sie haben als Polit-Talker auch davon profitiert, dass SRF-Polit-Sendungen wie die «Arena» an Zuschauern und Prestige verloren haben.
Das kann ich schlecht beurteilen. Es war wohl mehr eine Wahl der Persönlichkeit. Und ich bin ja nicht erst seit gestern im Business. «SonnTalk» und «Talk Täglich» haben ein starkes Profil.
Auf Twitter haben Sie zu Ihrer eigenen Wahl aufgerufen. Das passt nicht zu einem «Journalist des Jahres».
Ich bin ein moderner Mensch und twittere gerne. Ich habe lediglich meine Kollegen darauf hingewiesen, dass man ja auch mich wählen könnte. Das war ein spontaner Entscheid. Andere haben auch für sich geworben. Es war ein Versuch, die Nachteile eines Regionalsenders auszugleichen. Die Überregulierung der Schweizer Bescheidenheit geht mir eher auf den Wecker.
Haben Sie sich selber gewählt?
(lacht) Das fällt natürlich unter das Wahlgeheimnis.
Sie machen rund 200 Live-Sendungen pro Jahr. Rechnen Sie als «Journalist des Jahres» damit, einfacher an Ihre Wunschgäste zu kommen?
Das wird sich zeigen. Ich hoffe nicht, dass den Leuten jetzt die Knie schlottern (lacht). Wir wollen so viele Top-Gäste wie möglich begrüssen.
Welchen Gast wollten Sie immer schon mal interviewen, haben ihn aber nie bekommen?
(überlegt lange) Das ist eine schwierige Frage.
Sagen Sie jetzt aber nicht, Sie hätten alle bekommen.
Nein, nein, natürlich nicht. Den Papst und Barack Obama hätte ich gerne in der Sendung, aber es geht um eine realistische Einschätzung. Der Gast hängt immer von den aktuellen Ereignissen ab.
Wenn Sie einen Politiker von rechts oder links einladen, wissen Sie, was Sie erwartet. Gibt es jemanden, der Sie besonders überrascht hat?
Viele Sendungen nehmen einen Verlauf, mit dem man nicht rechnen kann. Eine Katastrophe war 2006 der «Lachkönig». Wir dachten eigentlich, da kommt jemand mit viel Witz. Am Ende sass da aber eine Person, bei der ich trotz aller Bemühungen keinen Humor feststellen konnte.
Welcher Gast hat Sie am meisten berührt?
Das sind meistens solche, die einen schweren Schicksalsschlag erlitten haben. Wir haben gerade eine Sendung aufgenommen mit den Hinterbliebenen des Amoklaufs von Menznau. Diese Gespräche sind extrem belastend, aber auch sehr berührend.
Die AZ Medien lancieren einen neuen Fernsehsender. Welche Rolle werden Sie bei TV24 übernehmen?
Es ist erst ein Grundsatzentscheid gefallen, dass wir den Sender überhaupt lancieren. Jetzt machen wir uns mit Volldampf an die Arbeit.
Damit dürfte sich Ihr Entscheid zementieren, dass Sie nie zum SRF gehen?
Ich bin nach der Wahl auf Facebook von Zuschauern gebeten worden, doch bitte die «Arena» zu übernehmen. Ich bin aber glücklich bei Tele Züri. Den Preis habe ich auch dank des Senders gewonnen. Deshalb sehe ich mich nicht beim SRF.
Was raten Sie einem jungen Journalisten, der in den Beruf einsteigen will?
Er soll beharrlich bleiben und am besten bei einem kleinen Medium einsteigen. Neugier und Wissenslust muss er mitbringen – und ein News-Junkie sein.
Welche Vorbilder haben Sie geprägt?
Ich habe einmal CNN-Legende Larry King in Dallas getroffen. Das war eine absolute Persönlichkeit. Heiner Gautschy und Erich Gysling waren in meiner Jugend in der Schweiz meine Vorbilder.
Was wäre aus Ihnen geworden, wenn es mit dem Journalismus nicht geklappt hätte?
Ich wäre gerne Arzt geworden. Weil ich aber kein Blut sehen kann, wäre ich wohl bei jeder Blutabnahme bewusstlos geworden. Also keine gute Idee. Als Kind wollte ich Pfarrer werden, dafür wäre ich aber zu wenig religiös. Journalist war immer mein Traumberuf. Realistisch wäre deshalb eine Stelle in einem Kommunikationsberuf.
Weil Sie als Talk-Moderator ein überhöhtes Kommunikationsbedürfnis haben?
(lacht) Das ist jetzt aber nicht sehr charmant. Das ist doch das Spannendste, was es gibt, verschiedenste Menschen kennen zu lernen. Gespräche sind mein Lebenselixier.
Mehr Themen finden Sie in der gedruckten Ausgabe oder über E-Paper