Tamedia-Verleger Pietro Supino spricht über den technologischen Wandel und seine Sorge um Arbeitsplätze.
Pietro Supino, neu gekürter Präsident des Verbands Schweizer Medien, betritt die Crystal Lounge im KKL Luzern pünktlich. Obwohl der Vortrag von Harvard-Professor John Della Volpe am Swiss Media Forum zu den US-Wahlen länger dauert als geplant. «Das gehört sich so», sagt er.
Herr Supino, Sie sind Verwaltungsratspräsident von Tamedia, dem mächtigsten Medienkonzern der Schweiz. Jetzt sind Sie noch Präsident des Verlegerverbands. Ist das nicht eine ungesunde Machtballung?
Pietro Supino: Aus Sicht von Tamedia hätte man sich durchaus fragen können, ob ich zu meiner verlegerischen Verantwortung noch eine Verantwortung für die Branche übernehme. Ich habe das nicht gesucht. Aber mein Vorgänger hat mich darum gebeten, und die Mitgliederversammlung hat mich einstimmig gewählt. Ich glaube, dass ich aufgrund meines Alters und anderer Voraussetzungen einen Beitrag für eine gute Zukunft unserer Branche leisten kann.
Zur Machtballung sagten Sie nichts.
Im Verband geht es nicht um individuelle Macht, sondern um die kollektive Interessenvertretung unserer Branche. Nicht der Präsident, sondern die Mitglieder und das Präsidium legen die Ausrichtung fest.
Sie spielen Ihre Rolle herunter.
Punkto Macht war ich früher eher freier, meine eigene Meinung zu vertreten. Als Präsident muss ich auch für einen Ausgleich sorgen. Es geht darum, dass wir gemeinsam über die wichtigen Rahmenbedingungen der Medienbranche nachdenken und uns gemeinsam dafür einsetzen.
Welche Rahmenbedingungen sind Ihnen am wichtigsten?
Der Vertrieb der gedruckten Zeitung durch die Post liegt mir besonders am Herzen: Trotz allen Diskussionen über die Zukunft ist die gedruckte Zeitung für die demokratische Meinungsbildung in unserem Land die mit Abstand wichtigste Mediengattung. Wichtig ist auch das Problem der Wettbewerbsverzerrung durch staatliche Anbieter: Medienvielfalt ist nur möglich, wenn Private bereit sind zu investieren. Das kann man langfristig nicht erwarten, wenn sie befürchten müssen, dass ihre Investitionen durch öffentlich finanzierte Konkurrenz unterlaufen werden.
Das Thema könnten Sie mit SRG-Direktor Roger de Weck im Verband diskutieren: Er erwägt einen Beitritt.
Das hat er nun schon zweimal gesagt. Es ist sicher gut gemeint, macht mich aber ratlos. Er zeigt damit, dass er das Kernproblem nicht versteht: Die SRG ist kein privates Unternehmen wie unsere Verbandsmitglieder, sondern eine öffentliche Institution. Sie hat das Privileg, jährlich 1,2 Milliarden Franken Gebühren einzunehmen. Tendenz steigend. Damit sollte sie uns nicht konkurrenzieren, wie wir es untereinander machen. Sie sollte auch nicht mit einzelnen von uns Kooperationen eingehen, wie wir sie untereinander pflegen. Ihre Rolle sollte sein, das zu leisten, was es nicht gäbe ohne sie. Ein komplementäres Angebot. Kooperationen mit ihr sollten für alle Interessierten offen sein und nicht exklusive Verträge wie die angekündigte Werbevermarktungsallianz mit Ringier. Damit würde die Marktverzerrung sogar noch potenziert.
Ein weiterer Streitpunkt ist der Presserat, der über ethische Standards wacht. Ihr Verbandspräsidium hat sich gemäss NZZ mit vier zu drei Stimmen entschieden, weiterhin Beiträge zu zahlen. Sie gehörten zur Minderheit.
Das ist eine Zeitungsente. Eigentlich selbst ein Fall für den Presserat. Wir waren uns einig, dass wir den Presserat unterstützen wollen. Zur Diskussion stand nur das Vorgehen: Ob wir zuerst das Gespräch suchen und ob die finanzielle Unterstützung über den Verband oder direkt geleistet werden soll.
Was wollten Sie?
Meine Präferenz wäre gewesen, dass wir Verleger den Presserat direkt unterstützen. Zunächst, weil im Verband im Moment das Geld fehlt. Es wäre wohl auch im Interesse des Presserats, näher bei den Verlegern zu sein. Er will ja, dass seine Entscheide von uns abgedruckt werden. Wahrscheinlich wäre auf diesem Weg sogar mehr Geld zusammengekommen.
Sie unterstützen den Presserat aber?
Ja, ich habe immer gesagt, dass das eine wichtige Institution ist. Dann muss ich mich folgerichtig auch für die Finanzierung engagieren.
Diese Woche hat der Verein Medienqualität Schweiz ein Rating präsentiert. Hat Sie ein Resultat überrascht?
Interessant finde ich, dass eher traditionelle Konzepte wie «Tagesschau», «NZZ» oder «Le Temps» besser beurteilt werden als moderner gemachte Medien wie eine «Schweiz am Sonntag» oder ein «TagesAnzeiger».
Die Auswertung zeigte auch, dass Ihr «Tages-Anzeiger» bei der Leserschaft einen besseren Ruf hat als die «Basler Zeitung», aber qualitativ nicht besser sein soll. Teilen Sie die Einschätzung?
Die Umfrage basiert auf einer sehr kleinen Stichprobe. Ich bin skeptisch, ob das stimmt. Jetzt wollen Sie wahrscheinlich über die «Basler Zeitung» sprechen (lacht).
Neuerdings tauschen Sie ja Artikel der Wirtschaftsressorts aus mit der BaZ.
Die Redaktionen proben eine Kooperation im Bereich der Unternehmensberichterstattung in der Pharma- und der Banken- industrie. Ich werde diese Versuchsphase aufmerksam verfolgen und am Ende mit der Redaktion darüber sprechen, ob das für uns ein Fortschritt ist oder nicht.
Was erhoffen Sie sich davon?
Zum einen eine Steigerung der Qualität. Die beiden Standorte Basel und Zürich haben unterschiedlich gelagerte Volkswirtschaften und entsprechend unterschiedlich gelagerte Kompetenzen der Zeitungsredaktionen. Hier liegt ein Gewinn für beide Seiten drin. Zudem kann es eine Form sein, die Kosten zu optimieren.
Werden Sie auch im Kulturressort kooperieren, wenn es ein Erfolg ist?
Weitere Kooperationsfelder sind denkbar, solange es keinen Bereich betrifft, in dem Politik gemacht wird.
Wollen Sie Christoph Blocher die «Basler Zeitung» abkaufen?
Wenn sie zum Verkauf stünde, würden wir uns dafür interessieren.
Zu welchem Preis?
Wir müssten die Zahlen genau prüfen. Das kann ich jetzt hier mit Blick auf den Vierwaldstättersee nicht sagen. Sonst steigt der Preis (lacht).
Es gibt Gerüchte, dass auch Tamedia Zeitungen verkaufen will. Dies berichtete die «NZZ am Sonntag».
Nein, auch das stimmt nicht. Die «NZZ am Sonntag» hat das inzwischen korrigiert und sich bei uns entschuldigt.
Ist Journalismus als Geschäftsmodell für Sie nicht infrage gestellt?
Nein. Man kann mit Stolz feststellen, dass die meisten Schweizer Medienunternehmen publizistisch und wirtschaftlich gut dastehen. Wir wissen aber nicht, wie die Situation in zehn Jahren aussieht. Viele empfinden diese Ungewissheit als etwas Negatives. Für mich ist sie per Definition neutral. Die Frage ist: Wie viel Zuversicht hat die Medienbranche? Ich habe viel Zuversicht, weil sich die Branche auch in den vergangenen zehn anspruchsvollen Jahren gut entwickelt hat. Wir werden weiterhin unseren Weg finden können.
Trotzdem sind Sparrunden nötig?
Ja, leider, weil die technologische Entwicklung zu einem unglaublichen Kostendruck führt. Davon profitieren wir alle auch, aber am Markt leiden wir. Deshalb müssen wir unsere Strukturen permanent überarbeiten. Nicht in Bezug auf unsere Angebote, aber in diesem Punkt mache ich mir Sorgen: Das Schlimmste liegt nicht hinter uns. Die Geschwindigkeit der Veränderungen wird noch zunehmen. Wenn ich mal schlecht schlafe, frage ich mich, wie viele Arbeitsplätze es in zehn Jahren in der Medienbranche und überhaupt in unserem Land geben wird.
Die AZ Medien bauen 26 Stellen ab. Wie viele werden es bei Ihnen sein?
In den nächsten fünf Jahren werden es erheblich mehr sein.
Was soll die Politik tun?
Es ist nicht ein spezifisches Problem der Medienbranche, sondern ein grosses gesellschaftliches Problem, das auf uns zukommt. Wir werden am Ende über ein bedingungsloses Grundeinkommen nachdenken müssen. Die Abstimmung kam zu früh. Die Frage wird sich wahrscheinlich wieder stellen.
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