Ab 7. Januar wird die SRF-Krimiserie fortgesetzt – mit einem unkonventionellen Ermittlerduo, dem Schauplatz Aarau und gestohlenen Nieren.
Herr Müller, sie zufrieden sind Sie mit der zweiten Staffel des «Bestatters»?
Mike Müller: Für mich als Hauptdarsteller ist das eine wahnsinnig schwierige Frage. Ich bin mit mir selber nie wirklich zufrieden. Aber doch, grundsätzlich bin ich mit dem Resultat zufrieden. Die Autoren hatten diesmal etwas mehr Zeit. Was sich positiv auf das Drehbuch ausgewirkt hat. Im Unterschied zu den ersten vier Folgen haben die sechs Folgen der zweiten Staffel eine durchgehende Geschichte. Das war ein sehr guter Entscheid.
Worum geht es?
Das Thema ist Organhandel. Und das hat zur Folge, dass ein Bundespolizist in der Person von Carlos Leal in Aarau auftaucht. Er verkörpert welschen Charme und welschen Schwung, der dem «Bestatter» und der Geschichte guttut. Dazu haben auch die Nebenfiguren mehr Konturen erhalten: Kommissarin Anna-Maria Giovanoli und ihr Kollege Dörig und mein Assistent Fabio, den ich auch behalten durfte.
Stand denn seine Rolle zur Diskussion?
Nein, aber ich wurde immer wieder auf ihn angesprochen. Er scheint beim Publikum sehr gut anzukommen.
Die erste Staffel war ein riesiger Erfolg. Doch die zweite Staffel soll noch besser sein, heisst es von offizieller Seite. Ist das mehr als ein Werbespruch?
Es ist zuerst einmal ein Werbespruch (lacht). Im Marketing waren wir schon immer gut. Nein, im Ernst. Wir haben den Schwung der ersten Staffel mit den grösseren erzählerischen Möglichkeiten gut genutzt.
Es wurde diesmal mehr im Aargau gedreht. Wie hat sich das ausgewirkt?
Na ja, eigentlich finde ich nicht, dass alles zwingend im Aargau gedreht werden muss. Wenn es die Geschichte verlangt, dann schon. Aber wenn es zu viele Umstände macht, dann ist das Geldverschwendung. Ich finde, dass man hier ökonomisch denken und vorgehen muss. Schliesslich geht es um Gebührengelder. Der Vorteil des Standorts Aarau ist ja gerade, dass alles möglich ist und man die Stadt und den Aargau nicht immer zeigen muss.
Die 2. Folge spielt im Winzermilieu.
Da machte es natürlich Sinn, in den Rebbergen von Küttigen zu drehen. Aber sonst kostet es nur Zeit und Geld.
Wie ist Ihre Identifikation mit der Figur des Bestatters?
Emotional ist die Identifikation schon gewachsen. Wenn man vier Monate in einem gut funktionierenden Team arbeitet, den ganzen Sommer im Aargau verbringt und dazu immer dasselbe Kostüm trägt, dann identifiziert man sich schon mit dieser Arbeit und setzt sich gern für den «Bestatter» ein. Das ist für mich kein gewöhnlicher Fernseh-Job. Ich spiele diese Rolle wahnsinnig gern und empfinde sie als Privileg.
Wie viel Mike Müller ist im Bestatter?
Von Anfang an war relativ viel drin. Aber ich war weder Bestatter noch Polizist.
Wurden Sie auf der Strasse schon als Bestatter angesprochen?
Ja, das ist schon passiert. Aber nur während der Zeit der Dreharbeiten, wenn ich ein Bärtchen trage, wie es das Drehbuch vom Bestatter verlangt. Ein echtes übrigens. Das heisst, wenn der Dreh vorbei ist, rasiere ich den Bart ab. Dann bin ich nicht mehr der Bestatter, dann bin ich wieder Mike Müller.
Carlos Leal sagte: «Dieser Krimi ist so schweizerisch. Dieser bedächtige, bodenständige, manchmal hölzerne Mike Müller verkörpert die Schweiz. Das ist das Erfolgsrezept.»
Ich mache den Bestatter mit meinen Mitteln und den Mitteln, die mir die Drehbuchautoren zur Verfügung stellen. Ich bin Mittelländer und das Mittelland ist sehr schweizerisch.
Leal geht aber noch weiter und sagt, dass Sie das Potenzial zu einer nationalen Ikone hätten.
So weit ist es glücklicherweise noch nicht. Doch wenn es so weit kommen sollte, dann ist es wahrscheinlich Zeit aufzuhören. Denn eine nationale Ikone zu spielen, darauf habe ich keine Lust. Und ich glaube auch, dass niemand Lust hat, das zu sehen.
Der Konflikt zwischen Ihnen und Carlos Leal ist in der neuen Staffel zentral.
Der Konflikt ist vielschichtig. Es hat eine persönliche Ebene und eine weltanschauliche, in der es auch um die Auslegung des Berufes geht. Hier der welsche Idealist und Weltverbesserer, da der Deutschschweizer Pragmatiker und Realo.
Wo stehen Sie in diesem Konflikt persönlich?
Ich bin nie wirklich ein Idealist gewesen. Früher vielleicht noch eher als heute. Mit Jahrgang 1963 bin ich zu jung, um in die idealistischen Phasen der 68er und 80er geraten zu sein. Insofern ist mir der Pragmatiker Conrad näher. Das Pragmatische ist überhaupt eine der Stärken der Schweiz. Es bringt nichts, wenn man sich in ideologischen Grabenkämpfen verfängt.
Die politische Kabarettistin Sibylle Birkenmeier warf Ihnen, Viktor Giacobbo und Ihrer TV-Sendung ein Entscheidungsmonopol in Sachen Kabarett vor.
Dieser Vorwurf ist schon strukturell falsch. Wir sind nicht Programmmacher, sondern Sendungsmacher. Wir entscheiden im Rahmen der Sendung «Giacobbo/Müller», wer in unserer Sendung auftritt. Das sind 30 Sendungen pro Jahr. Ob und wie viel Kabarett und politische Satire im Schweizer Fernsehen gezeigt wird, ist aber grundsätzlich Sache der Programmmacher des Schweizer Fernsehens.
Wie sehen Sie die These, das politische Kabarett habe Nachwuchsprobleme?
Das versteh ich noch weniger. SlamPoeten wie Gabriel Vetter sind zum Teil sehr politisch. Das ist halt einfach eine andere Form. Wenn das einer älteren Generation nicht gefällt, ist das zu akzeptieren. Das ist auch Geschmackssache. Aber ich bezweifle, dass es früher so viel mehr Politsatire ge-
geben hat.
Stört es Sie, dass viele Leute die Sonntagabend-Sendung immer noch als Sendung von Viktor Giacobbo ansehen?
Nein, das stört mich nicht. Wir arbeiten bewusst mit einem Gefälle. Beim Casino-Theater schrieben die Zeitungen auch jahrelang von Giacobbos Theater, obwohl da einige Leute beteiligt sind. Viktor hat mehr Erfahrung als ich, das war am Anfang sicher entscheidender als heute. Und all die Fragen ob der Dominanz von Viktor beantworte ich gerne so: Ich habe von seiner Erfahrung auch verdammt viel profitiert.
Sind Sie in Weihnachtsstimmung?
Überhaupt nicht. Weihnachten ist für mich ein sehr schöner Familienanlass. Doch weil ich in diesem Jahr im Ausland in den Ferien bin, findet Weihnachten für mich diesmal nicht statt.
Und wie stehts mit der religiösen Komponente?
Die gibts bei mir nicht. Ich bin Atheist. Aber ich respektiere, dass es für viele eine religiöse Feier ist. Einen Weihnachtsbaum habe ich auch nie. Aber ich habe gar nichts gegen Weihnachten. Ich fülle sie aber nicht mit religiösen, sondern mit sozialen Inhalten.
Ist Luc Conrad religiös?
Ich glaube, dass er auch nicht wahnsinnig religiös ist. Doch als Bestatter versteht er die Notwendigkeit von Ritualen, ob sie religiös sind oder auch nicht. Diese Sicht ist sehr nah bei meiner privaten.
Wie stehts mit Vorsätzen für 2014?
Um Himmels willen, ja nicht.
Vor einem Jahr wollten Sie mehr lesen und schwimmen.
Oh ja, das ist gut. Diese Vorsätze nehme ich gleich noch mal.
Und wie haben Sie sie eingehalten?
Ich bin im Sommer viel geschwommen, aber mein Crawl-Stil ist immer noch grauenhaft. Seit dem Sommer lese ich auch sehr viel und habe viele wahnsinnig gute Bücher gelesen.
Welche können Sie empfehlen?
Sicher «Honig» von Ian McEwan, dann «Magical Mistery» von Sven Regener oder «Keine Experimente» von Markus Feldenkirchen. Samuel Streiff, der den Dörig spielt, ist auch ein begeisterter Leser, aber auch Suly Röthlisberger vom Bestattungsinstitut. Wir tauschen uns viel aus. 2013 war ein grossartiges Bücherjahr.
Welche beruflichen Pläne haben Sie für 2014?
Sicher noch mal 30 «Giacobbo/Müller»-Sendungen.
Haben Sie sich denn überlegt, aufzuhören?
Das überlegen wir uns jedes Jahr. Es ist wichtig, dass man das mit Lust und guter Laune macht. Sonst wird es für den Zuschauer zur Zumutung. Beim «Bestatter» warten wir zuerst die Zuschauerzahlen ab. Wenn es ein Erfolg wird, dann wird SRF ein Interesse daran haben, die Krimiserie weiterzuführen. Dann wäre ich wieder dabei.
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