Die Basler Polizei bewilligt keine Pegida-Demonstrationen und vertreibt diese damit ins nahe Ausland. Staatsrechtsprofessor Markus Schefer übt Kritik.
Heute Sonntag haben die Demonstrations-Touristen erneut ihren grossen Auftritt in Weil am Rhein. Zum vierten Mal in Folge rufen die «Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes» (Pegida) zur Kundgebung auf dem Rathausplatz auf. Angeführt werden sie von Tobias Steiger (ex SVP Dornach) und Ignaz Bearth (ex SVP St. Gallen). Die jeweils rund hundert Teilnehmer wären bedeutungslos, würden sie nicht eine gleich grosse Gegenbewegung auf den Plan rufen. Auch die Pegida-Gegner werden in der Schweiz mobilisiert: vom Revolutionären Aufbau. Bei der ersten Konfrontation entstanden tumultartige Szenen. Seither sorgt die deutsche Polizei jeden Sonntag mit einem Grossaufgebot für eine Eins-zu-eins-Betreuung der Demonstranten. Sie teilt jeder Gruppierung eine Seite des Platzes zu und errichtet dazwischen mit Gittern eine Pufferzone.
Viele Polizisten standen am vergangenen Sonntag zum dritten Mal in Folge im Einsatz. «Wir sind massiv belastet», sagt Peter Faller, Präsident der Lörracher Polizeigewerkschaft. Die ohnehin prekäre Personalsituation – rund zwanzig Prozent der Stellen im Weiler Revier seien nicht besetzt – verschärfe sich. Der Gewerkschafter sagt deshalb, dass er sich Hilfe der Basler Polizei wünsche. Diese kam bei der ersten Demonstration notfallmässig zum Einsatz. «Das ist bei den Kollegen und der Bevölkerung sehr positiv angekommen», lobt Faller.
Der Einsatz der Basler blieb bisher einmalig. Die Polizeigewerkschaft wünscht sich nun eine regelmässige Unterstützung: «Weil viele Demonstranten in der Schweiz bekannt sind, könnte die Basler Polizei besser auf sie einwirken.» Zudem könne die grenzüberschreitende Zusammenarbeit verbessert werden. Der Basler Sicherheitsdirektor Baschi Dürr (FDP) will sich «zu sozialpartnerschaftlichen Fragen der deutschen Polizei» jedoch nicht äussern.
Die Basler Polizei löst den Demo-Tourismus mit ihrer rigiden Bewilligungspraxis aus. Dieses Jahr hat sie drei Gesuche für Pegida-Demonstrationen erhalten. Zwei hat sie abgelehnt. Derzeit prüft sie das dritte. In den beiden ersten Fällen habe die Kantonspolizei «ernsthaft» befürchtet, dass die öffentliche Sicherheit in Basel «schwerwiegend und unmittelbar» beeinträchtigt gewesen wäre, sagt Polizeisprecher Martin Schütz. Zu dieser Einschätzung sei die Polizei auch aufgrund der «gewalttätigen Auseinandersetzungen vergleichbarer Kundgebungen in Deutschland» gekommen. Polizeikommandant Gerhard Lips sagte zudem im «Regionaljournal», dass er mit einem Aufmarsch von Demonstranten aus Deutschland in Basel rechne.
Markus Schefer, Ordinarius für Staats- und Verwaltungsrecht der Universität Basel, hinterfragt die Basler Bewilligungspraxis. Demonstrationen dürften nur abgelehnt werden, wenn konkrete Hinweise auf Ausschreitungen bestünden, denen die Polizei nicht adäquat begegnen könne. Es reiche nicht, dass die Behörden lediglich Vermutungen über allfällige zu erwartende Gewalttätigkeiten anstellten. Gemäss Schefer stelle sich folgende Frage: «Unterscheidet sich die Sicherheitslage in Weil derart stark von jener in Basel, dass jenseits der Grenze entsprechende Demonstrationen stattfinden können, diesseits jedoch nicht?»
Zwar gelten unterschiedliche Bedingungen für die Versammlungsfreiheit in Deutschland und der Schweiz. In Weil am Rhein müssen Demonstrationen lediglich 48 Stunden im Voraus bei der Stadtverwaltung angemeldet werden. Sie müssen aber um keine Bewilligung ersuchen. Doch auch in Deutschland wäre ein Verbot aus Sicherheitsgründen möglich. Die Rechtslage unterscheide sich in den beiden Ländern nicht grundsätzlich, sagt Schefer. Die Weiler Behörden teilen auf Anfrage mit, dass die hohen Hürden für ein Versammlungsverbot aus ihrer Sicht nicht erfüllt seien.
Jürgen Filius, rechtspolitischer Sprecher der Grünen im Landtag Baden-Württemberg, sagt: «Eine Abstimmung der lokalen Behörden der Schweiz und Deutschland zu einem einheitlichen Vorgehen wäre sinnvoll.» Denn es könne nicht sein, dass die Anstrengungen der Schweizer Behörden durch eine unterschiedliche Bewertung der Sicherheitslage unterlaufen würden. Zudem wünsche er sich «eine aktivere Rolle des deutschen Zolls und der Bundespolizei», um die Gefährdung von Sachen und Menschen in Weil am Rhein bereits an der Landesgrenze zu verringern.
Der linke Politiker kann dem Demo-Tourismus allerdings auch etwas Positives abgewinnen: «In diesem Fall scheint es so, dass die rechtspopulistischen Kräfte in Deutschland erfreulicherweise schwach sind und sich radikalisierter Kräfte aus der Schweiz bedienen, um die eigene Bedeutungslosigkeit zu überdecken.»
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