Spanien
Fàbregas ist als «falsche Neun» auf Identitätssuche

Stürmer? Mittelfeldspieler? Der Spanier Cesc Fàbregas hat in seinem Team einen hohen Stellenwert. Von einer festen Position kann aber nicht die Rede sein.

Jan Reinold
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Im Auftaktspiel der Spanier gegen Italien agierte Cesc Fàbregas als Stürmer und erzielte den einzigen spanischen Treffer.key

Im Auftaktspiel der Spanier gegen Italien agierte Cesc Fàbregas als Stürmer und erzielte den einzigen spanischen Treffer.key

Seitdem Cesc Fàbregas beim FC Barcelona in der Talentschmiede «La Masia» ausgebildet wurde, war Barças damaliger Mittelfeldregisseur Pep Guardiola sein Vorbild. Als der gebürtige Katalane dann 2003 als 16-Jähriger zum FC Arsenal wechselte, wurde der französische Weltmeister Patrick Vieira zu seinem Mentor.

«Mir gefällt es nicht, wenn die Leute sagen: Du bist der neue Patrick Vieira», beschwerte sich Fàbregas einmal: «Nein, ich bin ich. Ich bin Cesc Fàbregas. Ich bin anders.» Bei der EM in Polen und der Ukraine kann er sich nicht mal sicher sein, was seine Position ist: Er ist eine «falsche Neun», ein Mischwesen aus Spielmacher und Mittelstürmer.

Anerkennung gefunden, Rolle nicht

Und wie anders er ist, musste schon Ashley Cole einsehen. Als Fàbregas den zweikampfstarken Vieira bei Arsenal ersetzte, schimpfte Cole in seiner Biografie, Fàbregas sei ein «Leichtgewicht». Gemeint war, dass der Techniker Fàbregas mit seiner Leichtfüssigkeit in der englischen Premier League kein Ersatz für den eher brachialen 1,93-m-Mann Vieira sein könne.

Inzwischen dürfte Cole sein vorschnelles Urteil wohl bereuen. Fàbregas, der nach acht Jahren bei den Gunners 2011 zu Barça zurückkehrte, war bei Arsenal bis zum Führungsspieler und Mannschaftscaptain aufgestiegen. 2008 wurde er Europameister mit Spanien, 2010 folgte der Gewinn der Weltmeisterschaft. Seine Rolle hat er immer noch nicht so ganz gefunden. Anerkennung aber schon.

Als nomineller Stürmer eingebaut

Welchen Stellenwert das einstige «Leichtgewicht» inzwischen hat, sieht man daran, dass Spaniens Nationaltrainer Vicente del Bosque den Mittelfeldspieler gegen Italien als nominellen Stürmer einbaute. «Niemand war darüber überraschter als ich», sagte Fàbregas nach dem 1:1 gegen Italien zum EM-Start des Titelverteidigers am Sonntag.

Man mag es ihm glauben, war der in Arenys de Mar geborene Edeltechniker doch erst fünf Tage zuvor nach einer Muskelverletzung wieder ins Mannschaftstraining eingestiegen. Zudem hatte er zuvor vier Monate lang nicht mehr getroffen. «Fàbregas ist ein sehr spezieller Mittelfeldspieler, weil er sich viele Chancen erarbeitet und einen guten Torabschluss hat», lobte del Bosque, nachdem Fàbregas dem Titelverteidiger mit seinem Treffer (64.) das 1:1 beschert hatte.

Dabei ist es Zufall, dass das Multitalent Fàbregas überhaupt den Weg in die Weltspitze gefunden hat. Bei seinem Heimatverein C.E. Mataró wurde Fàbregas von seinem Jugendtrainer bei Spielen gegen den FC Barcelona immer auf die Bank gesetzt. Señor Blai wollte das Juwel lieber vor den Barça-Spähern verstecken. Das Vorhaben ging gut – bis zum 11. November 1997. Fàbregas war zehn Jahre alt und durfte doch einmal gegen Barcelona spielen. Aus Sicht Blais ein Fehler.

«Fàbregas hatte alles: Übersicht, Athletik, Ausdauer, Geschwindigkeit», erinnert sich Barça-Scout Rodolf Borrell: «Er konnte passen, schiessen, und vor allem: Seine Entscheidungen waren spektakulär.» Fàbregas wechselte in die Jugendabteilung der Katalanen. Doch es dauerte noch 14 Jahre, bis der verlorene Sohn über den Umweg London in Barcelonas erste Mannschaft aufrückte und Guardiolas Prophezeiung erfüllte. «Für Francesc Fàbregas, darauf hoffend, dass ich dich in ein paar Jahren mit der Nummer 4 (Guardiolas Nummer, d. Red.) im Camp Nou sehe», hatte Guardiola dem jugendlichen Fàbregas einst auf ein Trikot geschrieben.