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Walter Jucker (SP) blickt auf die Höhe- und Tiefpunkte seines Jahres als Schlieremer Parlamentspräsident zurück.
Das Coronavirus macht auch vor Schlieren keinen Halt. Eine Folge: Sie waren einen Monat länger Präsident des Gemeindeparlaments als vorgesehen. Und auch Sie selber gehören zur Risikogruppe.
Walter Jucker: Ja. Aus diesem Grund habe ich mich in den vergangenen Wochen auch nicht oft in der Stadt bewegt. Fest steht, dass wir – wie auch der Rest der Welt – noch ziemlich lange mit den Folgen dieser Krise kämpfen werden.
Erinnern wir uns an die Zeit vor Corona: Im vergangenen Dezember etwa, fand das parlamentarische Seilziehen ums Budget und den Steuerfuss statt.
Genau. Dass ich die sogenannte Monstersitzung auf zwei Abende verteilte, kam bei manchen Parlamentariern gut an. Inhaltlich war es für mich eher ein ärgerlicher Abend. Es wäre schön gewesen, wenn die rechte Ratsseite auf meine Hinweise gehört hätte, wonach beispielsweise gebundene Ausgaben nicht gestrichen oder gekürzt werden dürfen. Der Stadtrat hätte in der Folge darauf verzichten können, das Budget vom Bezirksrat aufsichtsrechtlich prüfen zu lassen.
An besagter Sitzung kamen die meisten Kürzungsanträge mit einer bürgerlichen Mehrheit durch. Links blieb keine Chance – woher rührt dieser tiefe Graben?
Das ist kein tiefer Graben, sondern lediglich unterschiedliche politische Ansichten und in vereinzelten Fällen eine unterschiedliche Auslegung der Rechtslage.
Welches sind die Konsequenzen der Steuersenkung von 114 auf 111 Prozent im Hinblick auf das Coronavirus?
Betreffend des Coronavirus ist das sehr schwierig abzuschätzen. Fest steht, dass Schlieren wegen der Steuersenkung zusätzlich Geld verlieren wird. Insgesamt sind dies rund 1,8 Millionen Franken.
Schweift ein Parlamentarier in seinem Votum vom Thema der Debatte ab, muss der Parlamentspräsident einschreiten. Sie taten dies oft. Hat Sie Ihre Vergangenheit als Polizist darauf vorbereitet?
Meine Zeit bei der Kantonspolizei hat mir eher dabei geholfen, Gesetze und Verordnungen zu lesen und zu verstehen und auch umsetzen zu können. Bei der Führung des Parlamentes haben mir viel eher die Weiterbildungen, die ich bei der Polizei absolvieren durfte, geholfen.
Welches war Ihr Höhepunkt dieses Jahres ausserhalb der Politik?
Einer war sicher der Parlamentsausflug ins Zürcher Kriminalmuseum mit einer Rede von SP-Regierungsrat Mario Fehr. Aber auch, dass ich als Sozialdemokrat zu vielen Anlässen eingeladen wurde, war etwas Spezielles. Ich durfte bei der Eröffnung der Tramlinie 2 und an der Feuerwehrhauptübung teilnehmen. Auch die Rede anlässlich des 1. August habe ich in sehr guter Erinnerung.
Welche Themen ausser Covid-19 werden Schlieren in naher Zukunft beschäftigten?
Das ist sicher die Erarbeitung des kommunalen Richtplans Siedlung und Landschaft. Auch die neue Garderobe «Im Rohr» des FC Schlieren dürfte noch zu reden geben.
Der 66-jährige Walter Jucker wurde in Zürich geboren, lebt seit 1982 in Schlieren und ist pensionierter Kantonspolizist. In der Freizeit betreibt er Langlauf, fährt Rad und geht ins Fitness. Er absolvierte zwölf Marathons. Seit 2018 ist er Präsident des Basketball Club Schlieren. Seit 2014 sitzt er im Schlieremer Parlament, seit 2016 ist er im Vorstand der SP Limmattal und Präsident der SP Schlieren. Am Montag endete seine Zeit als Parlamentspräsident mit der Wahl seines Nachfolgers Sasa Stajic (FDP). Jucker ist verheiratet und Vater von zwei erwachsenen Kindern.
Sie bleiben im Parlament und übernehmen wieder das Präsidium der SP-Fraktion zusätzlich zu Ihrem Parteipräsidium. Was erwartet Sie?
Wir haben einige brennende Anliegen, die wir zu gegebener Zeit bekanntgeben werden. Ein grosses Thema, das bereits öffentlich ist, ist die Tagesschule. Dazu machten wir in Schlieren bereits eine breit angelegte Umfrage. Durch Corona sind aber weiterführende Prozesse blockiert.
Durch die Abspaltung der Grünen und wegen des Austritts von zwei SP-Fraktionsmitgliedern hat Ihre Fraktion nur noch sieben Gemeinderäte. Obwohl die SP 2018 wählerstärkste Partei der Stadt war, wurde nun die SVP mit acht Personen zur grössten Fraktion.
Ich halte das für kein Problem. Was ich eher schade finde, ist, wie es zu den beiden Austritten kam. Aber dazu möchte ich keinen Kommentar abgeben.
Und der Austritt der Grünen?
Der war absehbar. Hoffentlich hält der Aufschwung der Grünen noch ein wenig an und sie erhalten bei den Wahlen 2022 einen dritten Sitz im Parlament, sodass sie Fraktionsstärke erreichen. Wäre dies der Fall, könnten wir Linke in Schlieren anders politisieren.
Ihr Nachfolger, der Freisinnige Sasa Stajic, hatte nur lobende Worte für Sie übrig. Was geben Sie ihm mit auf den Weg?
Er ist ein toller Typ und wird diese Aufgabe als Parlamentspräsident grossartig lösen. Das Amt wird immer komplexer, denn man muss die Geschäftsordnung gut kennen, um reibungslos durch die Sitzungen zu führen. Ich bin froh, dass sich in meiner Amtszeit kein grösserer Fauxpas ereignet hat.