Eine Rechnung, die nicht aufgeht

Die Zentrale Arbeitsmarkt-Kontrolle hat ihre Arbeit auch an die Gewerkschaften ausgelagert – was im Jahresbericht bisher nicht ausgewiesen worden ist.

Christian Mensch
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Gewerkschafter Andreas Giger und Hansueli Scheidegger wissen nicht, aus welcher Kasse sie Geld erhalten. Foto: Martin Töngi

Gewerkschafter Andreas Giger und Hansueli Scheidegger wissen nicht, aus welcher Kasse sie Geld erhalten. Foto: Martin Töngi

Schweiz am Wochenende

Am Freitagnachmittag sah sich die Baselbieter Volkswirtschaftsdirektion zu einer Stellungnahme gedrängt. Thema: die Ungereimtheiten im Zusammenhang mit den «öffentlichen Mittelzuflüssen» an die Zentrale Arbeitsmarkt-Kontrolle (ZAK). Doch statt Klarheit zu schaffen, konnte die Direktion bloss auflisten, wie sie selbst im Dunkeln tappt:
> Das Kantonale Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit (Kiga) prüfe den verspäteten, aber kürzlich eingereichten ZAK-Jahresbericht für das Jahr 2014.
> Das übergeordnete Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) prüfe rückwirkend bis auf das Jahr 2010 die deklarierten Lohnkosten, die für die Abgeltung durch den Bund massgebend seien.
> Den Recherchen des «Regionaljournals», wonach zumindest im Jahr 2011 höhere Lohnkosten ausgewiesen worden seien als tatsächlich anfielen, konnten keine eigenen Abklärungen folgen: Der Kanton sei weiterhin nicht im Besitz der fraglichen Lohnliste.
ZAK-Präsident und Arbeitgeber-Vertreter Hans Rudolf Gysin hat gegenüber der «Basellandschaftlichen Zeitung» einen Fehler eingeräumt, der bei der Hochrechnung von Teilzeit- in Jahrespensen entstanden sei. Vizepräsident und Gewerkschafter Daniel Münger steuerte eine andere Version bei: Die ausgewiesene Lohnsumme enthalte neben den eigentlichen Löhnen auch Nebenkosten wie Arbeitgeberbeiträge an die Sozialversicherungen, Verwaltungskosten sowie die Mehrwertsteuer. Hans Rudolf Gysin verzichtete – trotz gegenteiliger Ankündigung – bis Redaktionsschluss auf eine Stellungnahme.
ZAK-Abrechnungen, die der «Schweiz am Sonntag» nun auch für das Jahr 2012 vorliegen, scheinen den Befund des «Regionaljournals» zu bestätigen:
> Mitarbeiter A. hat gemäss Lohnliste, die dem Seco vorgelegt wurde, ein Jahreseinkommen (inkl. Sozialleistungen) von rund 126 000 Franken. Im konkreten Arbeitsvertrag ist ein Brutto-Jahreslohn von 89 000 Franken festgelegt. Differenz: 29 Prozent.
> Mitarbeiter B. hat gemäss Seco-Liste ein Jahreseinkommen von 105 000 Franken. Der Brutto-Jahreslohn beträgt gemäss Lohnvereinbarung knapp 55 000 Franken. Differenz: 47 Prozent.
Die aufaddierte Lohnsumme aller zwölf Mitarbeiter, die beim damaligen Verband für Personal-Einsatz (heute: AMS AG) angestellt waren und teilweise im Kleinsteinsatz für die ZAK arbeiteten, beträgt 397 000 Franken. Damit ist die kritische Schwelle von 380 000 Franken überschritten, die vom Kanton abgegolten wurden. Dieser konnte sich auf Basis der Lohnliste wiederum die Hälfte vom Bund refinanzieren lassen.
Genau die gleiche Lohnsumme findet sich in der ZAK-Erfolgsrechnung als Personalaufwand. Damit erübrigt sich die von Münger vorgebrachte Version, «Nebenkosten» könnten für die Zahlendiskrepanz verantwortlich sein. Denn solche Positionen sind in der vorliegenden Rechnung gesondert aufgeführt.
Revidiert wurde die ZAK-Rechnung von der Zürcher Filiale der BDO Treuhand, die auch für die Revisionen einer Vielzahl weiterer Firmen im Umfeld der Wirtschaftskammer verantwortlich zeichnet. Die Lohnkosten machen den Grossteil des gesamten ZAK-Aufwands aus, der 2012 rund 560 000 Franken betrug. Mit 60 000 Franken die zweitgrösste Position in der Rechnung sind die Raumkosten für die dokumentierten 314 Stellenprozente.
Keine Erwähnung findet in der Rechnung eine Zahlung von 75 000 Franken an den Gewerkschaftsbund Baselland. Gemäss einem der «Schweiz am Sonntag» vorliegenden und von Hans Rudolf Gysin sowie von Daniel Münger unterzeichneten Leistungsvertrag zwischen der ZAK und dem Gewerkschaftsbund wird die Gewerkschaft jedoch entschädigt, dass sie eine «externe ZAK-Informations-/Anlaufstelle für Arbeitnehmende» führt. Der Gewerkschaftsbund habe dafür die notwendigen «räumlichen, technischen und personellen Ressourcen» zur Verfügung zu stellen.
Die Gewerkschaften erhalten zudem jährlich 35 000 Franken aus dem Topf der ähnlich organisierten Zentralen Paritätischen Kommission (ZPK), die über die Einhaltung der Gesamtarbeitsverträge wacht.
Andreas Giger, Präsident des Gewerkschaftsbundes, sagt, rund 400 Arbeitsstunden seien im vergangenen Jahr im Rahmen des ZAK-Leistungsauftrags aufgewendet worden. Eingegangen seien dabei 25 Verdachtsmeldungen bezüglich Schwarzarbeit und 230 Anfragen seien beantwortet worden. Dass die mit der ZAK vereinbarten Zahlungen in deren Jahresrechnung nicht auftauchen, will ihm nicht aufgefallen sein, obwohl er seit 2008 dem Vorstand der ZAK angehört, die als Verein organisiert ist. Giger verweist auf Gysin, der jedoch auch dazu nicht Stellung nahm.
Ob und wie die Zahlungen im Jahresbericht 2014 aufgeführt sind, weiss Giger nicht. Dieser liegt mittlerweile zwar dem Kiga vor, er als langjähriges Vorstandsmitglied hat den Bericht nach eigenen Angaben aber noch nicht gesehen. Er hofft auf den kommenden Donnerstag: Dann soll es an einer ausserordentlichen Generalversammlung zur Aussprache kommen.
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